TAGUNGSBERICHT
Stefan LUGINBÜHL - Jurist, Internationale Rechtsangelegenheiten, PCT, GD5 - Tagungsbericht
Vom 5. bis 7. September 2012 trafen sich im Dublin Castle 85 Mitglieder der Beschwerdekammern, nationale Richter und ehemalige Richter aus 27 EPÜ-Vertragsstaaten und Erstreckungsstaaten, sowie China und Japan anlässlich des 16. Europäischen Patentrichtersymposiums zum traditionellen Gedankenaustausch über die letzten Entwicklungen im Patentrecht.
Das Patentrichtersymposium feierte in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Das erste Symposium wurde 1982 unter dem Motto "Probleme des europäischen Patentrechts" in München durchgeführt. Die Themenbereiche bewegten sich damals von der Auslegung und Anwendung des europäischen Patentrechts bis hin zum Verfahrensrecht. Ziel des Symposiums war es jedoch insbesondere, die richterliche Zusammenarbeit in Europa zu intensivieren und nationale Patentrichter und Mitglieder der Beschwerdekammern zum Meinungsaustausch zusammenzubringen. Diese Zielsetzung hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt.
Das Symposium widmete sich in diesem Jahr der geplanten Europäischen Patentgerichtsbarkeit und dem Trennungsprinzip in verschiedenen EPÜ-Vertragsstaaten, sowie den Themenbereichen Unterlassungsverfügungen, Disclaimer und biotechnologische Erfindungen.
Umrahmt wurde das Symposium durch ein traditionelles kulturelles Programm. Die Abendessen fanden in unvergesslichem Ambiente im Dublin Castle und im Royal Hospital Kilmainham statt und wurden durch irischen Tanz, Harfenmusik und Gesang begleitet.
I. Standesgemäß wurde das Symposium unter dem Vorsitz von Hon. Justice Roderick Murphy, Richter am High Court in Irland, durch Hon. Justice Susan Denham, Chief Justice of Ireland, Richard Bruton, Irischer Minister für Arbeit, Unternehmen und Innovation, Benoît Battistelli, Präsident des EPA, (vertreten durch Wim van der Eijk) und Dermot Doyle, Controller des Irischen Patent-, Marken und Designamts mit Grußworten eröffnet.
Wim van der Eijk, Vizepräsident der Generaldirektion 3 und Vorsitzender der Großen Beschwerdekammer des EPA äußerte sich einleitend zur zunehmenden Arbeitslast der Beschwerdekammern und wie ihr begegnet werden kann. Danach erläuterte er den Anwesenden seine Ziele, die Rechtsprechung der Beschwerdekammern stärker zu harmonisieren und die Öffentlichkeit über Entscheidungen der Beschwerdekammern und der nationalen Gerichte bestmöglichst informiert zu halten. Im Weiteren äußerte er sich zum Verhältnis der Beschwerdekammern zum künftigen "Einheitlichen Patentgericht" der EU-Mitgliedstaaten. Dabei strich er auch die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen Mitgliedern der Beschwerdekammern und nationalen Richtern heraus und hielt fest, dass auch in Zukunft nationale Richter als externe Mitglieder in der Großen Beschwerdekammer sitzen werden.
II. Die erste Arbeitssitzung war dem künftigen "Einheitlichen Patentgericht" und den damit direkt verbundenen Themenbereichen gewidmet. Unter der Leitung von Hon. Justice Fidelma Macken, ehemalige Richterin am Irischen Supreme Court und am EuGH berichtete Margot Fröhlinger, Hauptdirektorin Patentrecht und internationale Angelegenheiten des EPA, über die letzten Entwicklungen in diesem Dossier. Dabei hob sie insbesondere die Übergangsregelungen zur parallelen Zuständigkeit von nationalen Gerichten und dem Einheitlichen Patentgericht hervor, die es ermöglichen werden, das neue Gerichtssystem schrittweise aufzubauen. Im Weiteren betonte sie die geplanten Schulungsaktivitäten für die künftigen Patentrichter, wozu auch Sprachkurse erforderlich sind, um es den Richtern langfristig zu ermöglichen, in einer anderen Sprache als ihrer Muttersprache zu verhandeln. Abschließend gab Frau Fröhlinger der Hoffnung Ausdruck, dass das Paket zum Einheitspatent, inklusive des geplanten Gerichtsübereinkommens alsbald verabschiedet wird.
Danach folgten unter der Leitung von Hon. Justice Peter Charleton, Richter am High Court in Irland, drei Vorträge, in denen die Patentstreitregelungssysteme Deutschlands, Rumäniens und der Tschechischen Republik vorgestellt wurden. Allen drei Systemen ist das sogenannte Trennungsprinzip inhärent, d. h. die Verletzung und Rechtsgültigkeit von Patenten werden vor unterschiedlichen Gerichten oder gerichtsähnlichen Behörden verhandelt. Thomas Kühnen, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf, stellte das deutsche System vor. Dabei legte er dar, dass in Deutschland für die Verletzung die ordentlichen Zivilgerichte (Landgerichte, Oberlandesgerichte und Bundesgerichtshof) zuständig seien. Im Gegensatz dazu werden der Rechtsbestand eines Patents vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und, als erste gerichtliche Instanz, vor dem Bundespatentgericht und abschließend wiederum durch den Bundesgerichtshof verhandelt. Danach ging Herr Kühnen auf die wesentlichen Probleme des Trennungsprinzips ein: die Berücksichtigung des mangelnden Rechtsbestands im Verletzungsprozess und die Gefahr einer divergierenden Auslegung des Patents. Dabei erläuterte er die Aussetzungspraxis in Verletzungsverfahren und Verfahren für einstweiligen Rechtsschutz, wenn gleichzeitig ein Nichtigkeitsverfahren anhängig ist. Anschließend legte er die deutsche Rechtsprechung dar, die sich mit den Folgen einer divergierenden Auslegung der Patentansprüche im Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren befasst.
Mihaela Paraschiv, Richterin am Berufungsgericht in Bukarest, stellte in ihrem Vortrag einführend die rechtlichen Grundlagen zum Trennungsprinzip in Rumänien vor. Dabei erklärte sie, dass innerhalb von sechs Monaten nach Erteilung des Patents bei den Beschwerdekammern des Staatlichen Amts für Erfindungen und Marken ein Antrag auf Widerruf des Patents eingereicht werden kann. Danach gab sie einen kurzen Überblick über die für Patentverletzungs- und Rechtsgültigkeitssachen zuständigen erst- und zweitinstanzlichen Gerichte. Während für Nichtigkeitssachen das Amtsgericht Bukarest in erster Instanz ausschließlich zuständig ist, werden Verletzungssachen jeweils vor dem zuständigen Amtsgericht am Sitz des Beklagten oder am Ort der schädigenden Handlung verhandelt. Zur Frage der Aussetzung des Verletzungsverfahrens im Fall einer Widerrufs- oder einer Nichtigkeitsklage stellte sie klar, dass das Verletzungsgericht nicht zwingend aussetzen muss.
Abgeschlossen wurde die Übersicht der verschiedenen Streitregelungssysteme mit der Darstellung des Trennungsverfahrens in der Tschechischen Republik durch Hana Pipková, Richterin am Berufungsgericht in Prag. Sie erklärte, dass das Berufungsgericht (Městský soud gegen Praze) in Prag zur Behandlung von Patentverletzungssachen ausschließlich zuständig ist. Während sich die Verwaltungskammer des Gerichts mit Nichtigkeits-, Beschränkungs- und Beschwerdesachen befasst, ist die Handelskammer für Patentverletzungsangelegenheiten zuständig. Gegen Urteile der Verwaltungskammer steht nur das außerordentliche Rechtsmittel der Kassation zur Verfügung. Dagegen können Entscheidungen der Handelskammer mit Berufung zum Obergericht in Prag (Vrchní soud v Praze) und danach, wenn die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, mit Revision beim Obersten Gerichtshof (Nejvyšší soud) angefochten werden.
Der zweite Teil der Arbeitssitzung wurde der Praxis zum Erlass von Unterlassungsverfügungen im Common Law und dem kontinentaleuropäischen Rechtskreis gewidmet. Geleitet wurde diese Vortragsreihe durch Hon. Justice Frank Clarke, Richter am Supreme Court in Irland.
Einführend stellte Paul Gallagher, Senior Counsel und ehemaliger Attorney General in Irland, anhand der irischen und britischen Praxis den Common Law und anhand den Beispielen von Deutschland und Frankreich den kontinentaleuropäischen Ansatz vor. Dazu erklärte er die für den Erlass einer einstweiligen Unterlassungsanordnung einschlägigen Prinzipien, die anhand der Rechtsprechung über die Jahre entwickelt worden sind und arbeitete die Unterschiede heraus. Zudem erläuterte er nationale Besonderheiten wie die saisie contrefaçon in Frankreich und die Möglichkeit der Geltendmachung von vorprozessualen Einwänden, die in Deutschland gemacht werden können.
Alice Pézard, Richterin am Kassationshof in Paris, vertiefte danach die französische Praxis zum Erlass von Unterlassungsanordnungen. Dabei stellte sie klar, dass der Erlass einer permanenten Unterlassungsverfügung an zwei Bedingungen geknüpft ist. Erstens, muss es sich um eine wesentliche Verletzungshandlung handeln und zweitens muss der Patentinhaber die Patentverletzungsklage ohne Verzögerung eingereicht haben. Danach ging sie kurz auf die Voraussetzungen zum Erlass einer einstweiligen Unterlassungsanordnung in Frankreichein und erläuterte die Einschränkungen zu deren Erlass einer Unterlassungsanordnung in Frankreich. Dabei ging sie insbesondere auf die Sicherungsleistungen des Klägers ein, falls sich herausstellen sollte, dass in unberechtigter Weise gegen den Beklagten vorgegangen wurde. Abschließend widmete sich Frau Pézard den Zwangslizenzen und den "Patenttrolls".
Zum Abschluss der ersten Arbeitssitzung vermittelte Marina Tavassi, Präsidentin der IP-Kammer am Zivilgericht in Mailand, einen Überblick über die Praxis zum Erlass von Unterlassungsverfügungen in Italien. Zuerst verwies sie jedoch auf die jüngste Reform der Gerichtsorganisation in Italien und erklärte, dass die Zahl der für Patentstreitigkeiten zuständigen Gerichte seit dem September 2012 auf 21 in beiden Instanzen erhöht und die geografische Verteilung verbessert worden ist. Danach widmete sie sich den Voraussetzungen zum Erlass von Unterlassungsverfügungen und den von den italienischen Gerichten entwickelten Prinzipien. Dabei fokussierte sie sich insbesondere auf die beweisrechtliche Maßnahmen bezüglich Unterlassungsverfügungen. Zum Schluss ging sie kurz auf die geplanten Bestimmungen zu den Unterlassungsanordnungen des künftigen Einheitlichen Europäischen Patentgerichts ein.
III. Die zweite Arbeitssitzung war den Disclaimern und der jüngsten Rechtsprechung zur Patentierung biotechnologischer Erfindungen gewidmet. Unter dem sachkundigen Vorsitz von Kathrin Klett, Präsidentin der I. zivilrechtlichen Abteilung, Schweizerisches Bundesgericht, Lausanne präsentierte Colin Birss, Richter, Patents County Court, London eine historische Einführung in das Gebiet. Er erläuterte die Aufgaben von Disclaimern, d. h. Ansprüche zu ändern, indem technische Merkmale darin aufgenommen werden, um bestimmte Ausführungsformen oder Bereiche auszuschließen. Zudem äußerte er sich zu den Problemen, die Disclaimer zu lösen haben, aber auch verursachen können. Ari Wirén, Richter am Landgericht in Helsinki, erklärte, dass im Sinne einer einheitlichen Rechtsauslegung, die nationalen Gerichte der EPÜ-Vertragsstaaten die Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer übernehmen sollten. Im Weiteren wies er darauf hin, dass Urteile der nationalen Patentgerichte für die Beschwerdekammern des EPA zwar nicht bindend seien. Dennoch sollten sich die Beschwerdekammern und die Patentgerichte anderer Staaten mit der Entscheidfindung anderer Gerichte auseinandersetzen. Zur Harmonisierung der Rechtsprechung würde auch der freie Rechtsverkehr von Entscheidungen beitragen und wies dabei auf die Wichtigkeit des Auffindens von korrekten Informationen zu europäische Patentstreitigkeiten hin. Abschließend beleuchtete er die Hintergründe der Fälle G 1/03, G 2/03 und G 2/10 und ebnete das Feld für Brigitte Günzel, Vorsitzende der Juristischen Beschwerdekammer und rechtskundiges Mitglied der Großen Beschwerdekammer im EPA, die die Zulässigkeit von Disclaimern gemäß diesen Entscheidungen aus erster Hand erläuterte.
III. Die dritte Arbeitssitzung befasste sich unter dem Vorsitzenden Michael Fysh, ehemaliger Richter am Patents County Court in London, mit der jüngsten Rechtsprechung zur Patentierung biotechnologischer Erfindungen. Friedrich Feuerlein, Vorsitzender Richter am Bundespatentgericht in München, hielt eine Präsentation zur aktuellen europäischen und deutschen Rechtsprechung und zu den Entwicklungen betreffend ergänzende Schutzzertifikate für Pflanzenschutzmittel. Richard Arnold, Richter am Patents Court in London, konzentrierte sich danach auf die letzte Rechtsprechung zu biotechnologischen Erfindungen des EuGH und der Gerichte in England und in Wales. Dabei stellte er unter anderem die Fälle Brüstle gegen Greenpeace des EuGH und Human Genome Sciences Inc. Gegen Eli Lilly and Co des UK Supreme Courts vor, die in der Praxis auf ein großes Echo gestoßen sind. Manfred Wieser, Vorsitzender der Beschwerdekammer 3.3.08 (Biotechnologie), gab abschließend einen Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu den Ausschlussbestimmungen in Artikel 53 b) EPÜ und beleuchtete die aktuellste Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer und der Beschwerdekammern zur Auslegung dieser Bestimmung und der damit verbundenen Fragen zur Patentierung von biotechnologischen Erfindungen.
IV. Am Nachmittag widmeten sich die Teilnehmer der Fallstudie "Reifenabdichtmittel". Die Studie wurde von Klaus Grabinski, Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe, Stefan Luginbühl, Jurist im Europäischen Patentamt, München, und Dieter Stauder, ehemaliger Professor an der Universität Robert Schuman, Straßburg ausgearbeitet. Herr Grabinski führte den Fall kurz ein. Dabei verwies auf er auf die Entscheidung X ZR 75/08 vom 12. Juli 2011 des Bundesgerichtshofs, die als Grundlage für die Fallstudie diente. Nach der Einführung teilten sich die Teilnehmer traditionsgemäß in drei, nach den offiziellen Sprachen des EPA getrennte Gruppen auf, um den Fall zu bearbeiten.
Die Ergebnisse der drei Gruppen fasste Herr Grabinski wie folgt zusammen:
Alle drei Gruppen bejahten im Rahmen der Behandlung des Hauptantrags die Neuheit der Erfindung. Allerdings verneinte die deutsche und französischsprachige Gruppe, im Gegensatz zu einer knappen Mehrheit der englischsprachigen Gruppe, die erfinderische Tätigkeit. Als Haupterwägung wurde vorgebracht, dass die US-Patentschrift zwar synthetischen Kautschuk betraf. Für den Fachmann sei es jedoch naheliegend gewesen, dass auch natürlicher Kautschuk als Reifenabdichtmittel verwendet werden kann. Zum Hilfsantrag, der darauf zielte, das Streitpatent vom einschlägigen US-Patent abzugrenzen, befand die deutschsprachige Gruppe und eine Minderheit der englischsprachigen Gruppe, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgeht und daher unzulässig ist (Art. 123 (2) EPÜ). Der Begriff "besteht" im Rahmen des Hilfsantrags macht deutlich, dass der Hilfsantrag dahingehend auszulegen ist, dass das Mittel zum Abdichten von Reifen ausschließlich die im Anspruch genannten Komponenten umfasst. Diese Beschränkung war in der ursprünglichen Anmeldung jedoch nicht offenbart gewesen. Die französische und die Mehrheit der englischsprachigen Gruppe sah in der im Hilfsantrag vorhandenen Beschränkung des Patentanspruchs jedoch keine unzulässige Erweiterung.
V. Die fünfte und letzte Arbeitssitzung befasste sich unter dem konzisen Vorsitz von Robin Jacob, UCL, Berufungsgericht von England und Wales, mit der neueren Entwicklung im Patentrecht und in der Rechtsprechung auf europäischer und nationaler Ebene, bei dem Richter aus neun Staaten in jeweils 15 Minuten berichteten. Den Anfang machte Dieter Brändle, Präsident des schweizerischen Bundespatentgerichts in St. Gallen, der einen kurzen Abriss über die Geschichte und die Organisation des neu geschaffenen Patentgerichts für die Schweiz präsentierte. Beate Schmidt, Präsidentin des deutschen Bundespatentgerichts in München, gab einen eindrucksvollen Überblick über die Anzahl der Nichtigkeitsverfahren und erläuterte kurz die kürzlich ergangene Entscheidung "Winkelmesseinrichtung" des Bundesgerichtshofs zu Disclaimern, die auch Auswirkungen auf die bisherige Praxis des Bundespatentgerichts haben wird. Anschließend stellte Alice Pézard, Richterin am Kassationshof in Paris, einen Fall vor, bei dem der Gerichtshof entschieden hatte, dass der Rechtskraftwirkung eines Patentverletzungsurteils Vorrang einzuräumen ist, wenn dem Urteil danach seine Rechtsgrundlage entzogen wird. Konkret ging es um die Frage der Möglichkeit der Rückforderung von geleistetem Schadenersatz, wenn das Patent in einer späteren Entscheidung für nichtig erklärt worden ist. Diese wurde durch den Kassationshof verneint, was unter den anwesenden Richtern zu kontroversen Diskussionen über diesen Ansatz führte. Sylvie Mandel, auch Richterin am Kassationshof in Paris stellte zwei interessante Fälle vor, die sich mit der Anwendung des Londoner Übereinkommens in Frankreich befassten. David Kitchin, Royal Courts of Justice, London, präsentierte zwei Fälle (Gedeon Richter gegen Bayer und Nokia gegen IPCom), die die strenge Vorgehensweise der britischen Gerichte bei Einwänden wegen Erweiterung des Patentgegenstandes nach Artikel 123 (2) EPÜ bestätigten. Im Weiteren erörterte er die im letzten Jahr ergangene Entscheidung HGS gegen Eli Lilly des Supreme Courts, bei der es um die Frage ging, ob für eine Patentanmeldung betreffend die Patentierung eines Gens eine gewerbliche Anwendbarkeit offenbart werden muss. Am Schluss ging David Kitchin noch kurz auf die Rechtssache Schütz gegen Werit ein, bei der es um die Frage ging, unter welchen Voraussetzungen der Einbau eines Ersatzteils als Herstellung eines neuen patentierten Erzeugnisses anzusehen ist.
Massimo Scuffi, Richter am Obersten italienischen Gerichtshof, Präsident des Gerichtshofs von Aosta, sprach insbesondere über die letzten Entwicklungen zu grenzüberschreitenden Verfahren und erörterte die italienische Rechtsprechung zur Äquivalenzlehre. Dabei stellte er fest, dass sich im Sinne der Äquivalenz unterschiedliche Lösungen für dasselbe technische Problem nicht nur nicht überschneiden dürfen, sondern, dass die mutmaßliche rechtsverletzende Vorrichtung im Vergleich zur vorliegenden Lösung auch keine originelle Lösung anbieten darf. Robert van Peursem vom Berufungsgericht in Den Haag stellte die Fälle AGA gegen Occlutech und Sandoz gegen Astra Zeneca (Seroquel XR) vor, in denen es um den Schutzumfang und insbesondere die erfinderische Tätigkeit ging. Des Weiteren ging er auf den Fall Solvay gegen Honeywell vor dem Gerichtshof der Europäischen Union ein, dem ein Antrag des Landgerichts Den Haag auf eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs zugrunde lag. Mit diesem Urteil wurde seiner Meinung nach die grenzüberschreitende niederländische Praxis im Hinblick auf einstweilige Maßnahmen bestätigt. Eurico José Marques Dos Reis, Richter am portugiesischen Oberlandesgericht, stellte sich einleitend klar hinter das Projekt für ein künftiges Europäisches Patentgericht und präsentierte danach die letzten Entwicklungen gerichtsorganisatorischer Natur in Portugal. Dabei wies er auf diverse Schwierigkeiten hin und verbarg auch nicht sein Unverständnis, dass das am 30. März 2012 neu gegründete IP-Gericht in Lissabon trotz der zu erwartenden Arbeitslast mit nur einem Richter besetzt worden ist. Petre Ohan, Direktor der Beschwerdeabteilung, Staatliches Amt für Erfindungen und Marken (OSIM), Bukarest, erläuterte kurz das rumänische Widerrufssystem im Verwaltungsverfahren, das rumänische Nichtigkeitsverfahren und die weiteren Aufgaben der Beschwerdekammern des OSIM. Im Weiteren stellte er einen Widerrufsfall vor, bei dem es um kontroverse Fragen zum Schutzbereich, der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit ging. Kristina Boutz, Leitende Richterin am schwedischen Berufungsgericht in Stockholm, stellte einführend klar, dass seit der Revision des Zivilverfahrens in Schweden am 1. November 2008 alle Parteien, die in einem Zivilverfahren Rechtsmittel beim Berufungsgericht einlegen wollen, eine Zulassungserklärung benötigen. In den letzten zweieinhalb Jahren seien 33 Berufungen eingegangen. In sieben dieser Fälle wurde die Berufung nicht zugelassen. Abschließend verwies Frau Boutz auf eine Entscheidung des Obersten schwedischen Gerichtshofs über Verjährungsfristen für Schadenersatzklagen bei Patentverletzungen, die sich insbesondere mit der Frage des Beginns einer Verjährungsfrist bei einer Verletzung eines Patentrechts durch mehrere Handlungen auseinandersetzte.
Zum Abschluss der Konferenz bedankte sich Wim van der Eijk für die gute Organisation des Anlasses und qualifizierte das Symposium als ein äußerst wichtiges Forum, um die unterschiedlichen Ansätze zu patentrechtlichen Fragen in Europa weiter zu harmonisieren.
Roderick Murphy wies abschließend darauf hin, dass es in Europa viele Staaten mit wenigen Patentstreitigkeiten gibt. Diese Staaten müssten auch weiterhin in den Diskussionen zu patentrechtlichen Themen involviert bleiben. Er ermutigte daher die Anwesenden dieses wichtige Engagement weiterzuführen.