VERWALTUNGSRAT
Berichte über Tagungen des Verwaltungsrats
Bericht über die 57. Tagung des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation (7. bis 9. Juni 1995)
Der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation hielt seine 57. Tagung vom 7. bis 9. Juni 1995 unter dem Vorsitz von Herrn P. Thoft (DK) in München ab.
Der Rat wählte den Leiter der irischen Delegation, Herrn S. Fitzpatrick (IE), zu seinem Vizepräsidenten; er tritt seine dreijährige Amtszeit am 1. Dezember 1995 an. Der Rat wählte ferner das Mitglied der schweizerischen Delegation, Herrn H. Thöni (CH), zum Vorsitzenden der Arbeitsgruppe "Statistik".
Der Präsident des Amts, Herr P. Braendli, legte den Jahresbericht für 1994 vor und erstattete dem Rat Bericht über die Tätigkeit des Amts im ersten Halbjahr 1995. In bezug auf die Anmeldezahlen stellte der Präsident des Amts fest, daß 1995 erheblich mehr Anmeldungen eingereicht würden als die im Geschäftsplan und im Budget für 1995 veranschlagten 70 000; wenn der bis 31. Mai verzeichnete Trend anhalte, würden die Anmeldungen gegenüber der veranschlagten Zahl von 70 000 um rund 7,3 % zunehmen.
Auch die Zahl der in die regionale Phase eintretenden Euro-PCT-Anmeldungen liege etwas höher als vorausgesehen; infolgedessen sei auch das Arbeitsaufkommen in den Bereichen Recherche und Prüfung höher als angenommen. Insbesondere sei eine höhere Anzahl von Anträgen auf vorläufige Prüfung zu bearbeiten. Wo sich Bearbeitungsstaus eingestellt hätten, werde mit gezielten Maßnahmen für Abhilfe gesorgt. Das Arbeitsaufkommen bei technischen Beschwerden sei ebenfalls leicht höher als budgetiert.
Hinsichtlich des BEST-Projekts wies der Präsident des Amts darauf hin, daß mehr als 230 Prüfer der GD 1, etwa ein Drittel des Prüferbestands, im Rahmen des BEST-Projekts Sachprüfungen ausführten; ihr Beitrag zur Produktion dürfte sich 1995 auf etwa
8 000 Sachprüfungen belaufen. In der GD 2 seien 34 Prüfer am BEST-Programm beteiligt; bis Ende des Jahres 1995 würden es 83 sein.
Der Präsident erwähnte auch die Erteilung des 300 000. europäischen Patents im ersten Halbjahr 1995; 15 Jahre nach der Erteilung des ersten Patents habe er Vertretern des Konzerns Asea Brown Boveri die entsprechende Urkunde überreichen können. Das Patent beziehe sich auf eine Einspritzdüse, die einen verbesserten und umweltschonenden Verbrennungsvorgang in Gasturbinen ermögliche.
Der Präsident berichtete ferner, daß Vertreter des EPA und der nationalen Ämter der Vertragsstaaten zur vierten Tagung des EUROTAB in Newport zusammengekommen seien. Im Zentrum der Diskussion hätten diesmal der Schutz und die Recherche von softwarebezogenen Erfindungen, die Berichtigung von Fehlern in Patentanmeldungen und eine erste Analyse der Probleme gestanden, die sich für europäische Patentanmelder an den Schnittstellen zwischen dem zentralen Erteilungsverfahren nach dem EPÜ und dem nationalen Recht der Vertragsstaaten ergäben.
Hinsichtlich des PACE-Programms ("beschleunigte Bearbeitung europäischer Patentanmeldungen") [siehe ABl. EPA 1995, 485] erwähnte der Präsident, daß rund 800 Anträge auf beschleunigte Recherche bzw. Prüfung eingegangen seien. Dies entspreche einer Zunahme um etwa 20 % gegenüber den Zahlen für den entsprechenden Vorjahreszeitraum.
Der Präsident des Amts wandte sich dann den Rechtsfragen und internationalen Angelegenheiten zu. Er erklärte, daß 820 Bewerber, ein Drittel mehr als 1994, darunter 82 Prüfer des EPA, an der europäischen Eignungsprüfung teilgenommen hätten. Im Mittelpunkt der Jahrestagung des SACEPO im März hätten im wesentlichen die Ergebnisse der vom Amt durchgeführten Studie über die Kosten des Patentschutzes in Europa sowie die Vorschläge des Amts zur mittelfristigen Gebührenpolitik gestanden. Die Kostenstudie sei im großen und ganzen positiv aufgenommen worden. Nach einhelliger Meinung der Befragten sei das Preis-Leistungs-Verhältnis beim Amt insgesamt als sehr gut zu bewerten, vor allem, wenn man bedenke, daß für manche Erfindungen, die für das Verfahren vor dem EPA in der Regel in einer einzigen Anmeldung zusammengefaßt werden könnten, sowohl in den USA als auch in Japan oft getrennte Anmeldungen eingereicht werden müßten. Dies gelte z. B. für Erfindungen, die sowohl ein Erzeugnis als auch ein Verfahren beträfen. Die Vorschläge des Amts zur mittelfristigen Gebührenpolitik beinhalteten unter anderem die Senkung bestimmter Gebühren, die angesichts der in den letzten Jahren erzielten beträchtlichen Haushaltsüberschüsse finanziell nicht nur machbar, sondern geradezu geboten erscheine. Breite Zustimmung habe vor allem der Gedanke gefunden, eine leichte Senkung der Benennungsgebühren mit einer 50%igen Ermäßigung der Anmeldegebühr zu verbinden, aber der Haushalts- und Finanzausschuß habe hierzu im April keine positive Stellungnahme abgegeben.
Der Präsident des Amts ging dann auf das Ausbildungsprogramm der internen und der externen Praktika ein. Dieses Austauschprogramm zwischen dem Amt einerseits und der Industrie sowie dem freien Berufsstand andererseits umfasse zum einen externe Praktika von EPA-Prüfern, zum anderen amtsinterne Praktika von Nachwuchskräften der Patentvertreterschaft. Zwischen 1992 und 1994 hätten insgesamt 150 Prüfer (87 aus der GD 1, 63 aus der GD 2) externe Praktika in insgesamt 13 Vertragsstaaten absolviert. Von 1991 bis 1993 habe das EPA 43 interne Praktikanten betreut, die einen Monat lang in der GD 2 und/oder der GD 3 ausgebildet worden seien. 1994 habe das EPA 16 Praktikanten aufgenommen, darunter 2 Prüfer aus dem schweizerischen Patentamt, die jeweils 6 Wochen zunächst in der GD 1 und dann der GD 2 verbracht hätten. Insgesamt werde sich die Zahl der Praktikanten in diesem Jahr auf 30 erhöhen.
Aus dem Bereich der internationalen Angelegenheiten berichtete der Präsident über den Stand des Systems betreffend die Erstreckung europäischer Patente auf Drittländer. Die Zahl der Erstreckungsanträge nehme stetig zu: Für Slowenien seien es im letzten Jahr 1 032, für Litauen 252 Anträge gewesen. Die entsprechenden Zahlen für die ersten Monate des laufenden Jahres lauteten 467 bzw. 242. Am 1. Mai 1995 sei das Erstreckungsabkommen auch für Lettland in Kraft getreten; Zahlen lägen hier noch nicht vor.
In Rumänien, mit dem im September 1994 ein Erstreckungsabkommen abgeschlossen worden sei, verzögere sich dessen Umsetzung, da die notwendigen gesetzgeberischen Arbeiten noch nicht hätten abgeschlossen werden können. Mit Albanien, dessen Patentgesetz bereits die Erstreckung vorsehe, seien Verhandlungen über den Abschluß eines entsprechenden Abkommens im Mai 1995 aufgenommen worden. Malta, das bereits 1992 um eine Einladung des Verwaltungsrats gemäß Artikel 166 (1) b) EPÜ nachgesucht habe, sei dabei, sein Patentgesetz dem EPÜ anzupassen, wobei als Übergangslösung ebenfalls eine Erstreckung erwogen werde.
Die Türkei, die nach Artikel 166 (1) a) EPÜ beitrittsberechtigt sei, habe im Rahmen von exploratorischen Kontakten erklärt, nach Abschluß der laufenden Modernisierungsmaßnahmen ihres Patentsystems dem EPÜ beitreten zu wollen. Mit diesem Schritt werde im Hinblick auf die im Rahmen des EU-Zollabkommens und des TRIPS seitens der Türkei eingegangenen Verpflichtungen voraussichtlich bis 1999 zu rechnen sein, vorausgesetzt, daß der noch fehlende Stoffschutz gewährt werde. Bis dahin strebe die Türkei eine Intensivierung der Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Recherche und der Prüfung an.
Die auf der Ratstagung im Dezember 1994 beschlossene Reduzierung der EPA-Gebühren für die internationale Recherche und die internationale vorläufige Prüfung zugunsten der Reformstaaten sei am 1. April dieses Jahres für alle begünstigten Staaten mit Ausnahme Albaniens, Kirgisistans und Turkmenistans in Kraft getreten.
Im Zusammenhang mit der Patentinformation teilte der Präsident mit, daß Ende Mai die ersten CD-ROMs mit griechischen Patentdokumenten fertiggestellt worden seien. Diese CD-ROMs enthielten zusammen mit der entsprechenden Software die Faksimileabbildungen der griechischen Patentdokumente von August 1988 bis Juli 1994. Hinsichtlich der Rechtsstandsdaten sei zu berichten, daß die EPIDOS-INPADOC-Rechtsstandsdatenbank nun auch schwedische Daten und Daten über die Einreichung italienischer Übersetzungen von europäischen Patenten enthalte. Mit dem Erwerb dieser beiden Datenbestände habe das EPA sein Ziel fast erreicht,
alle EPÜ-Vertragsstaaten in die Rechtsstandsdatenbank einzubeziehen.
Das diesjährige PATLIB-Symposium für die europäischen Patentinformationszentren habe vom 15. bis 17. Mai in Luxemburg stattgefunden. Durch seine Unterstützung habe das luxemburgische Amt für geistiges Eigentum maßgeblich zum Gelingen dieses Symposiums beigetragen. An der Veranstaltung hätten viele hochrangige Persönlichkeiten aus dem Kreis der luxemburgischen Handelskammer, der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments teilgenommen.
Im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Amts nahm der Verwaltungsrat die Ausgangshypothesen und -daten für die Haushalts-, Finanz- und Geschäftsplanung (1996 - 2000) zur Kenntnis, insbesondere den Verzicht auf eine Gebührenanpassung im Entwurf des Haushaltsplans 1996. Der Rat genehmigte einstimmig ein Zusammenarbeitsabkommen zwischen der Europäischen Patentorganisation und dem spanischen Patent- und Markenamt über eine internationale Recherchentätigkeit und faßte einen Beschluß über den Verzicht auf einen ergänzenden europäischen Recherchenbericht. Er genehmigte ferner die Vergabe von Aufträgen (Erwerb hochauflösender Bildschirme, Drucken und Fotokopieren, Herstellung der EP-A- und EP-B-Schriften usw.) sowie die Vorschläge für die Ernennung/Wiederernennung von Mitgliedern der Beschwerdekammern und der Großen Beschwerdekammer.