C. VERFAHREN VOR DEN RECHERCHEN-, PRÜFUNGS-UND EINSPRUCHSABTEILUNGEN
C.1 Erteilungsverfahren - Allgemein
Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 10. Mai 2011 über die Einreichung von Einwendungen Dritter gemäß Artikel 115 EPÜ mit einem Online-Formblatt
Nach Artikel 115 EPÜ kann jeder Dritte Einwendungen gegen die Patentierbarkeit der Erfindung erheben, die Gegenstand einer europäischen Patentanmeldung oder eines europäischen Patents ist. Für solche Einwendungen werden keine Gebühren erhoben.
Im Rahmen der Initiative "Raising the Bar" (zweiter Korb) hat das EPA beschlossen, die Einreichung von gut strukturierten und knapp gefassten Einwendungen Dritter zu erleichtern und zu fördern, um die Qualität der erteilten europäischen Patente weiter zu verbessern. Dank hoch relevanter Einwendungen kann sich außerdem die Verfahrensdauer wesentlich verkürzen.
Ferner hat das EPA seine Praxis geändert, um sicherzustellen, dass die Prüfungs- und Einspruchsabteilungen ausdrücklich zur Relevanz von Einwendungen Dritter Stellung nehmen. Dadurch wird das Verfahren transparenter, was gemäß der Initiative "Raising the Bar" einem allgemeinen Wunsch entspricht.
Daher hat das EPA ein Pilotprojekt gestartet, das es Dritten ab dem 1. August 2011 ermöglicht, Einwendungen mit einem Online-Formblatt einzureichen. Dieses Formblatt wird über die Website des EPA zugänglich sein (tpo.epo.org). Es wurde speziell entwickelt, um die Formulierung knapp gefasster und gut begründeter Einwendungen zu fördern, die von den Prüfern rasch verstanden und beurteilt werden können.
Es wird darauf hingewiesen, dass das Online-Formblatt im Rahmen dieses Pilotprojekts überprüft werden soll. Die Nutzung eines solchen Formblatts zur Einreichung von Einwendungen Dritter wurde durch den Beschluss des Präsidenten vom 10. Mai 2011 (ABl. EPA 2011, 418) ermöglicht.
Formerfordernisse
Artikel 115 EPÜ ist nur auf veröffentlichte europäische Patentanmeldungen und Patente anwendbar, die Gegenstand eines vor dem EPA anhängigen Verfahrens sind.
Einwendungen sind in einer der Amtssprachen des EPA (Deutsch, Englisch oder Französisch) einzureichen.
Ergänzende Unterlagen, z. B. Dokumente aus dem Stand der Technik, können in jeder Sprache abgefasst sein. Allerdings kann das EPA den Dritten auffordern, eine Übersetzung in einer Amtssprache einzureichen. Wird die erforderliche Übersetzung nicht rechtzeitig eingereicht, braucht das EPA das Schriftstück nicht zu berücksichtigen.
Einwendungen können anonym eingereicht werden. Gegebenenfalls vorhandene anstößige Äußerungen werden entfernt, bevor die eingereichten Einwendungen in die Akte aufgenommen und dem Anmelder/Patentinhaber übermittelt werden.
Einwendungen dürfen nur Bezug auf die materiellrechtlichen Erfordernisse des EPÜ nehmen, z. B. die Artikel 52 -57 EPÜ, nicht auf formale Aspekte.
Es wird zwar empfohlen, das Online-Formblatt zu verwenden; die bestehenden Verfahren für die Einreichung von Unterlagen beim EPA können aber weiterhin genutzt werden. Für Dritte, die nicht vom Online-Formblatt Gebrauch machen möchten, wird eine ausdruckbare Version des Formblatts zur Verfügung gestellt.
Behandlung von Einwendungen
Zunächst ist zu beachten, dass eingereichte Einwendungen Dritter vorbehaltlich der vorstehend genannten Formerfordernisse in den öffentlichen Teil der Akte der Patentanmeldung oder des Patents aufgenommen werden. Das bedeutet, dass sie für die Öffentlichkeit einsehbar sind.
Die Prüfungs- oder Einspruchsabteilung prüft alle Einwendungen, die die vorstehend genannten Formerfordernisse erfüllen, und nimmt im nächsten substanziellen Bescheid an die Verfahrensbeteiligten zur Relevanz der Einwendungen Stellung.
Der Dritte ist am Verfahren vor dem EPA nicht beteiligt und wird deshalb nicht direkt informiert oder weiter in das Verfahren einbezogen. Er kann jedoch den Fortgang des Verfahrens vor dem EPA online über das Europäische Patentregister verfolgen, das auch einen Überwachungsdienst mit E-Mail-Benachrichtigung umfasst.