BESCHWERDEKAMMERN
Mitteilungen der Großen Beschwerdekammer
Mitteilung der Großen Beschwerdekammer zu dem Verfahren G 1/04
Der Präsident des Europäischen Patentamts hat der Großen Beschwerdekammer Rechtsfragen, die die Auslegung des Begriffs „Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden" im Sinne von Artikel 52 (4) EPÜ betreffen, gemäß Artikel 112 (1) b) EPÜ vorgelegt. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen G 1/04 anhängig.
Die Vorlagefragen sind:
1a. Sind "Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden", im Sinne von Artikel 52 (4) EPÜ (im folgenden: "Diagnostizierverfahren") nur solche Verfahren, die alle beim Stellen einer ärztlichen Diagnose auszuführenden Verfahrensschritte enthalten, d. h. die Untersuchungsphase mit der Sammlung der einschlägigen Daten, den Vergleich der gewonnenen Untersuchungsdaten mit den Normwerten, die Feststellung einer signifikanten Abweichung (eines Symptoms) bei diesem Vergleich und schließlich die Zuordnung der Abweichung zu einem bestimmten Krankheitsbild (die deduktive medizinische Entscheidungsphase), oder
1b. liegt ein "Diagnostizierverfahren" bereits dann vor, wenn das beanspruchte Verfahren nur einen Verfahrensschritt enthält, der Diagnosezwecken dient oder sich auf die Diagnose bezieht?
2. Falls die Frage 1b) bejaht wird: Muß das beanspruchte Verfahren ausschließlich zu Diagnosezwecken einsetzbar sein oder sich ausschließlich auf die Diagnose beziehen? Nach welchen Kriterien ist dies zu beurteilen?
3a. Liegt ein "Diagnostizierverfahren" bereits dann vor, wenn
i) das beanspruchte Verfahren zumindest einen für das Vorliegen eines Diagnostizierverfahrens als wesentlich erachteten Verfahrensschritt enthält, der die persönliche Anwesenheit eines Arztes erfordert (Alternative 1), oder
ii) das beanspruchte Verfahren zwar nicht die persönliche Anwesenheit eines Arztes erfordert, aber voraussetzt, daß ein Arzt die Verantwortung trägt (Alternative 2), oder
iii) alle Verfahrensschritte auch oder nur von medizinischem oder technischem Hilfspersonal, vom Patienten selbst oder von einem automatisierten System vorgenommen werden können (Alternative 3)?
3b. Falls die Beteiligung eines Arztes (durch persönliche Anwesenheit oder Tragen der Verantwortung) entscheidend ist, muß der Arzt dann an dem Verfahrensschritt beteiligt sein, der am Körper vorgenommen wird, oder muß der Arzt nur an irgendeinem für ein Diagnostizierverfahren als wesentlich erachteten Verfahrensschritt beteiligt sein?
4. Bedeutet das Erfordernis "am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen", daß Verfahrensschritte in direktem Kontakt mit dem Körper erfolgen, und können nur solche Schritte, die unmittelbar am Körper vorgenommen werden, einem Verfahren den Charakter eines Diagnostizierverfahrens verleihen oder genügt es, wenn wenigstens einer der Verfahrensschritte unmittelbar am Körper vorgenommen wird?
Der vollständige Text der Vorlage in der deutschen Sprache kann von der Webseite des Europäischen Patentamts unter
www.european-patent-office.org/dg3/g_dec/pdf/g012004.pdf abgerufen werden.
Die Veröffentlichung zusammen mit den vollständigen Übersetzungen in die beiden anderen Amtssprachen wird voraussichtlich im ABl. EPA Nr. 5/04 erfolgen.
Die Große Beschwerdekammer wird sich in der folgenden Besetzung mit der Vorlage befassen:
P. Messerli (Vorsitzender), W. Moser, U. Kinkeldey, A. Nuss, J.-C. Saisset, M. Seppik, H.C. Thomsen.
Es ist damit zu rechnen, daß Dritte von der Gelegenheit Gebrauch machen wollen, schriftliche Stellungnahmen nach Artikel 11b der Verfahrensordnung der Großen Beschwerdekammer einzureichen. Damit solche Stellungnahmen in geeigneter Form berücksichtigt werden können, ohne daß dadurch das Verfahren mehr als notwendig verzögert wird, sollten sie bis Ende August 2004 unter Nennung des Aktenzeichens G 1/04 eingereicht werden.