AUS DEN VERTRAGS- / ERSTRECKUNGSSTAATEN
DE Deutschland
Erstreckungsgesetz
Das Gesetz über die Erstreckung von gewerblichen Schutzrechten vom 23. April 19921 (Erstreckungsgesetz - ErstrG) ist am 1. Mai 1992 in Kraft getreten. Es dient der Herstellung der vollständigen Rechtseinheit auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes im vereinigten Deutschland2.
Das neue Gesetz regelt die wechselseitige Erstreckung von gewerblichen Schutzrechten, die vor dem 3. Oktober 1990 in der Bundesrepublik Deutschland einerseits und in der ehemaligen DDR andererseits begründet worden sind und am 1. Mai 1992 noch bestehen. Die Bestimmungen gelten für Schutzrechte und Schutzrechtsanmeldungen gleichermaßen. Ausdrücklich einbezogen sind die aufgrund internationaler Abkommen vor dem 3. Oktober 1990 mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland eingereichten Anmeldungen und eingetragenen oder erteilten gewerblichen Schutzrechte. Unter das Erstreckungsgesetz fallen damit auch rund 300.000 europäische Patentanmeldungen und darauf erteilte Patente, die in ihrer Wirkung bislang auf das frühere Bundesgebiet Deutschlands beschränkt waren.
Im einzelnen ist zu der Erstreckung der technischen Schutzrechte (DE: Patente, Gebrauchsmuster; DD: Ausschließungs- und Wirtschaftspatente) folgendes hervorzuheben:
Erstreckung kraft Gesetzes
Die Erstreckung erfolgt ohne Antrag des Schutzrechtsinhabers automatisch kraft Gesetzes. Sie erfaßt alle betroffenen Schutzrechte und Schutzrechtsanmeldungen unabhängig davon, ob deren Inhaber In- oder Ausländer ist. Die Erstreckung tritt auch dann ein, wenn der Gegenstand des Schutzrechts für denselben Inhaber im Erstreckungsgebiet bereits durch ein entsprechendes Recht geschützt ist. Vorübergehend kann dies zu einem Doppelschutz im Gesamtgebiet Deutschlands führen.
Wirkung der Erstreckung
Die im früheren Bundesgebiet begründeten Schutzrechte haben mit ihrer Erstreckung in dem Gebiet der ehemaligen DDR dieselben Wirkungen wie im früheren Bundesgebiet.
Für die Erstreckung der in der ehemaligen DDR begründeten Rechte enthält das Gesetz besondere Vorschriften, die der Tatsache Rechnung tragen, daß auf diese "Altrechte" künftig, abgesehen von Vorschriften über ihre Schutzfähigkeit und Laufzeit, nur noch Bundesrecht Anwendung findet (§ 5-25 ErstrG). Hervorzuheben ist, daß § 12 ErstrG für ungeprüfte Patente mit DDR-Ursprung die Möglichkeit der nachträglichen Prüfung vorsieht. Diese Prüfung erfolgt auf Antrag des Patentinhabers und jedes Dritten durch die Prüfungsstelle des Deutschen Patentamts.
Die Erstreckung läßt den Zeitrang der betroffenen Schutzrechte unberührt (§ 1 (1), 4 (1) ErstrG), die damit einheitlich im Gesamtgebiet Deutschlands gelten. Dies bedeutet jedoch nicht ohne weiteres, daß Inhaber solcher Schutzrechte auch für die Vergangenheit Ansprüche wegen Verletzung ihrer Rechte geltend machen können. Die Wirkung eines erstreckten Patents oder Gebrauchsmusters tritt nach § 28 ErstrG gegen denjenigen nicht ein, der die Erfindung in dem Gebiet, in dem das Schutzrecht bisher nicht galt, vor dem 1. Juli 1990 rechtmäßig in Benutzung genommen hat. Die Weiterbenutzung kann im Einzelfall unzulässig oder einzuschränken sein, wenn sie zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Patentinhabers oder seiner Lizenznehmer führt. Wenn die Benutzung der Erfindung im bisher schutzrechtsfreien Gebiet lediglich im Import von Erzeugnissen bestand, ist in der Regel ein Weiterbenutzungsrecht nicht gegeben (§ 28 (2) ErstrG).
Soweit die Wirkung eines erstreckten Patents durch Vorbenutzungsrechte beschränkt ist, gelten diese Rechte im gesamten Bundesgebiet (§ 27 ErstrG). Benutzungsrechte aus Lizenzvereinbarungen werden nicht von Gesetzes wegen erstreckt; insoweit bleibt es den Parteien vorbehalten, die Vereinbarungen an die geänderten Verhältnisse anzupassen.
Kollisionsfälle
Infolge der Erstreckung kann es dazu kommen, daß übereinstimmende Schutzrechte verschiedener Inhaber, die bislang für getrennte Schutzrechtsgebiete galten, zusammentreffen. Das Gesetz sieht in diesen Fällen vor, daß die in ihrem Schutzbereich übereinstimmenden oder sich überschneidenden Schutzrechte nebeneinander bestehen bleiben (Koexistenzlösung, § 26 ErstrG). Die jeweiligen Schutzrechtsinhaber können damit Verbietungsansprüche nur gegenüber Dritten, nicht aber gegeneinander (einschließlich ihrer Lizenznehmer) geltend machen. Ausnahmen von der Koexistenzlösung läßt das Gesetz nur bei unbilligen Beeinträchtigungen des Inhabers des anderen Schutzrechts zu.
Einigungsverfahren
Zur Beilegung von Streitigkeiten im Zusammenhang mit erstreckungsbedingten Kollisionsfällen kann eine beim Deutschen Patentamt zu errichtende Einigungsstelle angerufen werden (§§ 39-46 ErstrG), die durch Vermittlung rasch und kostengünstig eine gütliche Einigung zwischen den Kontrahenten herbeiführen soll.
1 BGBl 1992 I S. 938
2 Vgl. hierzu ABl. EPA 1990, 498