T 1989/23 21-02-2025
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Laufzeitserver zum gleichzeitigen Ausführen mehrerer Laufzeitsysteme einer Automatisierungsanlage
Änderungen - unzulässige Erweiterung (ja)
Änderungen - Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 14
Patentansprüche - Deutlichkeit (nein)
Patentansprüche - Hilfsanträge 15 bis 32
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (ja)
Änderung nach Ladung - Hilfsanträge 14 bis 32
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung 20735570.2 zurückzuweisen.
II. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem auf die folgenden Dokumente verwiesen:
D5 US 2007/0162906 A1, veröffentlicht am 12. Juli 2007;
D6 Schröder-Preikschat, W., "Systemprogrammierung - Grundlage von Betriebssystemen - Sachwortverzeichnis", Oktober 2016, Seiten 1-118, https://www4.cs.fau.de/Lehre/SS16/V_SP1/Vorlesung/Folien/SP1-072-Glossar.pdf;
D10 Wikipedia, "Laufzeitumgebung", https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Laufzeitumgebung&oldid=189905227, 27. Juni 2019;
D11 Wikipedia, "Runtime System", https://en.wikipedia.Org/w/index.php? title=Runtime_system&oldid=902042345, 16. Juni 2019;
D12 Wikipedia, Java-Laufzeitumgebung?, https://de.wikipedia.org/wiki/Java-Laufzeitumgebung;
III. Die Prüfungsabteilung entschied, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 bis 13 unklar sei. Als Obiter Dicta merkte die Prüfungsabteilung an, dass der unabhängige Anspruch 1 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfülle. Weiterhin beruhe der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 im Hinblick auf Dokument D5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß des Artikels 56 EPÜ.
IV. In der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 bis 13, über die die Prüfungsabteilung entschieden hatte. Die Beschwerdeführerin reichte mit ihrer Beschwerdebegründung die folgenden Dokumente ein:
D7 Lauber, R. et al., "Prozessautomatisierung", dritte Auflage, 1999, Seite 258;
D8 Blumofe, R. D. et al., "Cilk: An Efficient Multithreaded Runtime System", PPOPP '95, ACM, 1995, pp. 207-216;
D9 Appel, A. W., "A Runtime System", CS-TR-220-89, Princeton University, May 1989, pp. 1-34.
Außerdem verwies die Beschwerdeführerin auf folgende Veröffentlichungen im Internet:
D19 Wikipedia, "Execution (computing)", https ://en.wikipedia.org/wiki/Execution_(computing);
D20 Wikipedia, "Unterprogramm", https://de.wikipedia.org/wiki/Unterprogramm;
D21 "TE1010 | TwinCAT 3 Realtime Monitor", https://infosys.beckhoff.com/english.php?content=../content/1033/te1010_tc3_realtime_monitor/6828869003.html&id=.
V. In der Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK teilte die Kammer ihre vorläufige Auffassung mit, dass es für alle Anträge Einwände unter den Artikeln 84 und 123 (2) EPÜ gebe. Weiterhin sei der Gegenstand des Anspruchs 1 aller Anträge im Hinblick auf Dokument D5 nicht erfinderisch.
VI. Mit Schreiben vom 20. Januar 2025 reichte die Beschwerdeführerin neue Hilfsanträge 14 bis 31 sowie neue Argumente ein. Sie beantragte "die Aufhebung der Entscheidung der Prüfungsstelle zur Zurückweisung der Anmeldung und eine Erteilung eines Patents gemäß dem Hauptantrag" und hilfsweise "eine Erteilung gemäß einem der Hilfsanträge 1 bis 31". Die Beschwerdeführerin stellte auch eine Vielzahl bedingter Anträge zum Beispiel zur Reihenfolge ihrer Anträge.
VII. Die mündliche Verhandlung fand in Anwesenheit der Beschwerdeführerin statt, die in der Verhandlung einen neuen Hilfsantrag 32 einreichte. Am Ende der Verhandlung verkündete der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
VIII. Die Beschwerdeführerin beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche gemäß dem Hauptantrag oder einem der Hilfsanträge 1 bis 14 oder dem Hilfsantrag 32 oder einem der Hilfsanträge 15 bis 31 zu erteilen.
IX. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"1. Verfahren zum gleichzeitigen Ausführen mehrerer Laufzeitsysteme (101) in einem Betriebssystem (103) für eine Datenverarbeitungsanlage durch einen Laufzeitserver (100) zum Steuern einer Automatisierungsanlage (112) auf Basis eines Anlagensteuerprogramms, wobei die Laufzeitsysteme (101) zur Echtzeitausführung des Anlagensteuerprogramms ausgebildet sind, wobei der Laufzeitserver (100) umfasst:
wenigstens zwei Laufzeitsysteme (101) zum Ausführen von Anwendungsmodulen (105) des Anlagensteuerprogramms, wobei auf jedem Laufzeitsystem (101) wenigstens ein Anwendungsmodul (105) zur Ausführung einer Anwendung des Anlagensteuerprogramms installiert ist, wobei jedes Laufzeitsystem (101) eine Datenübertragungsschnittstelle (107) zur Datenübertragung zwischen Laufzeitsystemen (101) und/oder zwischen Anwendungsmodulen (105) aufweist, wobei in jedem Laufzeitsystem (101) eine I/O-Konfiguration (109) definiert ist, die eine Zuordnung zwischen wenigstens einer Variable der Anwendungsmodule (105) des jeweiligen Laufzeitsystems (101) und wenigstens einer Hardwareadresse einer Hardwarekomponente (113) einer zu steuernden Automatisierungsanlage (112) definiert;
eine I/O-Schnittstelle (111) zum Datenaustausch zwischen den wenigstens zwei Laufzeitsystemen (101) und den Hardwarekomponenten (113) der Automatisierungsanlage (112) mit wenigstens einem I/O-Eingang (115) und/oder I/O-Ausgang (117); und
eine I/O-Mapping-Zwischenschicht (119), wobei in der I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) die I/O-Konfigurationen (109) der wenigstens zwei Laufzeitsysteme (101) abgebildet sind, wobei die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) eine I/O-Konfiguration des Laufzeitservers (100) darstellt und eine eindeutige Zuordnung der Variablen der Anwendungsmodule (105) der Laufzeitsysteme (101) und Hardwarekomponenten der Automatisierungsanlage (112) definiert, wobei über die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) eine Datenverbindung zwischen den Laufzeitsystemen (101) und der I/O-Schnittstelle (111) definiert ist, und wobei durch den Laufzeitserver (100) während einer Ausführung des Anlagensteuerprogramms durch wenigstens ein Anwendungsmodul (105) wenigstens eines Laufzeitsystems (101) eine modifizierte I/O-Konfiguration (109) eines modifizierten Anwendungsmoduls (105) oder eine neue I/O-Konfiguration (109) eines neu in das Steuerprogramm eingefügten Anwendungsmoduls (105) als I/O-Konfiguration eines das modifizierte oder neue Anwendungsmodul (105) auszuführenden anderen Laufzeitsystems (101) in die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) abgebildet wird und hierdurch die I/O-Konfiguration des Laufzeitservers (100) während der Ausführung des Anlagensteuerprogramms geändert wird."
X. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
", wobei den Laufzeitsystemen (101) vom Laufzeitserver (100) wenigstens jeweils ein Speicherbereich und/oder ein Prozessor und/oder eine Prozessorzeit der Datenverarbeitungsanlage zugeordnet wird."
XI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
", wobei jedes der Laufzeitsysteme (101) auf einem eigenen Core oder auf mehreren Cores des Prozessors ausgeführt wird, und wobei mehrere Laufzeitsysteme (101) auf einem Core ausgeführt werden."
XII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
", wobei die Laufzeitsysteme (101) instanziiert sind und jeweils als für sich eigenständig ausführbare Laufzeitsysteme (101) ausgebildet sind."
XIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
", wobei die Laufzeitsysteme (101) in einem Echtzeit-Modus (129) betrieben werden."
XIV. Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
", wobei der Laufzeitserver (100) ferner wenigstens ein weiteres Laufzeitsystem (125) umfasst, wobei auf dem weiteren Laufzeitsystem (125) wenigstens ein weiteres Anwendungsmodul (106) zur Ausführung einer Anwendung des Anlagensteuerprogramms installiert ist, wobei das weitere Laufzeitsystem (125) eine Datenübertragungsschnittstelle (107) zur Datenübertragung zwischen dem weiteren Laufzeitsystem (125) und den Laufzeitsystemen (101) und/oder zwischen dem weiteren Anwendungsmodul (106) und den Anwendungsmodulen (105) aufweist, und wobei das weitere Anwendungsmodul (106) nicht echtzeitfähig ist und das weitere Laufzeitsystem (125) in einem Nichtechtzeit-Modus (127) betrieben wird."
XV. Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
"wobei der Laufzeitserver (100) eine Hierarchie unter den Laufzeitsystemen (101) und/oder den weiteren Laufzeitsystemen (125) herstellt, in der eine Priorisierung von Laufzeitsystemen (101), die im Echtzeitzeitmodus (129) betrieben werden, gegenüber Laufzeitsystemen (101) und/oder weiteren Laufzeitsystemen (125), die im Nichtechtzeitmodus (127) betrieben werden, gewährleistet ist."
XVI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
", wobei der Laufzeitserver (100) ferner einen Datenübertragungsrouter (121) zur Verbindung mit den Datenübertragungsschnittstellen (107) der Laufzeitsysteme (101) und der weiteren Laufzeitsysteme (125) umfasst, wobei über den Datenübertragungsrouter (121) ein Datenaustausch zwischen Laufzeitsystemen (101) und/oder weiteren Laufzeitsystemen (125) und/oder zwischen Anwendungsmodulen (105) und/oder weiteren Anwendungsmodulen (106) bewirkt wird, und wobei der Datenübertragungsrouter (121) ein Skript und/oder ein Protokoll zum Schreiben von Daten in einen vorbestimmten Speicherbereich und zum Auslesen von in dem vorbestimmten Speicherbereich gespeicherten Daten umfasst."
XVII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
", wobei durch den Laufzeitserver (100) in einem Online-Zustand der Automatisierungsanlage (112), in dem die Automatisierungsanlage (112) durch das Steuerprogramm gesteuert wird und wenigstens ein Laufzeitsystem (101) ausgeführt wird, wenigstens ein Laufzeitsystem (101) hinzugefügt und/oder entfernt wird."
XVIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
", wobei der Laufzeitserver (100) als ein[e] Echtzeitumgebung in ein nicht-echtzeitfähiges Betriebssystem integriert und in diesem ausgeführt wird."
XIX. Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
", wobei die Laufzeitsysteme (101) und/oder weiteren Laufzeitsysteme (125) jeweils ein Verwaltungsmodul umfassen, wobei das Verwaltungsmodul jeweils eingerichtet ist, Anwendungsmodule (105) aus einem inaktiven Zustand, in dem die Anwendungsmodule (105) nicht in der Lage sind, Anwendungen auszuführen, in einen aktiven Zustand zu schalten, in dem die Anwendungsmodule (105) in der Lage sind, Anwendungen auszuführen."
XX. Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 10 dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
", wobei die Anwendungsmodule (105) jeweils einen Initialisierungszustand aufweisen, in dem das Anwendungsmodul (105) inaktiv ist und aus dem das Anwendungsmodul (105) für eine zukünftige Ausführung aktiviert beziehungsweise in den das Anwendungsmodul deaktiviert werden kann, und wobei die Anwendungsmodule (105) jeweils einen Prüfzustand aufweisen, in dem eine Funktionalität und Kompatibilität des Anwendungsmoduls (105) mit dem Anlagensteuerprogramm überprüft werden kann, bevor das Anwendungsmodul ausgeführt wird."
XXI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 12 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs eingefügt wurde:
", wobei die Anwendungsmodule (105) ausgelegt sind, sich im Initialisierungszustand am Verwaltungsmodul mit einer individuellen Modulkennung zur Aktivierung anzumelden und oder zur Deaktivierung abzumelden, wobei die Anwendungsmodule (105) eingerichtet sind, über das Verwaltungsmodul bei einem Zustandsübergang von einem Vorbetrieb in einen Prüfbetrieb Kommunikationsverbindungen zu anderen Anwendungsmodulen (105) aufzubauen und sich bei diesen Anwendungsmodulen (105) anzumelden und bei einem Zustandsübergang vom Prüfbetrieb zum Vorbetrieb sich bei den Anwendungsmodulen (105) wieder abzumelden und die Kommunikationsverbindungen wieder abzubauen."
XXII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass nach dem Text "wenigstens zwei Laufzeitsysteme (101) zum Ausführen von Anwendungsmodulen (105) des Anlagensteuerprogramms," der Text "wobei die Laufzeitsysteme (101) als Laufzeitumgebungen ausgebildet sind," eingefügt wurde.
XXIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der folgende Text gestrichen wurde:
", wobei über die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) eine Datenverbindung zwischen den Laufzeitsystemen (101) und der I/O-Schnittstelle (111) definiert ist".
XXIV. Anspruch 1 des Hilfsantrags 15 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 dadurch, dass der folgende Text am Ende des Anspruchs gestrichen wurde:
"und wobei durch den Laufzeitserver (100) während einer Ausführung des Anlagensteuerprogramms durch wenigstens ein Anwendungsmodul (105) wenigstens eines Laufzeitsystems (101) eine modifizierte I/O-Konfiguration (109) eines modifizierten Anwendungsmoduls (105) oder eine neue I/O-Konfiguration (109) eines neu in das Steuerprogramm eingefügten Anwendungsmoduls (105) als I/O-Konfiguration eines das modifizierte oder neue Anwendungsmodul (105) auszuführenden anderen Laufzeitsystems (101) in die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) abgebildet wird und hierdurch die I/O-Konfiguration des Laufzeitservers (100) während der Ausführung des Anlagensteuerprogramms geändert wird".
XXV. Anspruch 1 des Hilfsantrags 16 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 15 dadurch, dass der folgende Text gestrichen wurde:
" und eine eindeutige Zuordnung der Variablen der Anwendungsmodule (105) der Laufzeitsysteme (101) und Hardwarekomponenten der Automatisierungsanlage (112) definiert".
XXVI. Anspruch 1 des Hilfsantrags 17 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 16 dadurch, dass der folgende Text gestrichen wurde:
", wobei die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) eine I/O-Konfiguration des Laufzeitservers (100) darstellt".
XXVII. Anspruch 1 der Hilfsanträge 18 bis 21 entspricht jeweils Anspruch 1 der Hilfsanträge 14 bis 17 wobei aber dieselbe Änderung wie im Hilfsantrag 13 (siehe Punkt XXII. oben) in den Hilfsanträgen 18 bis 21 durchgeführt wurde.
XXVIII. Anspruch 1 der Hilfsanträge 22 bis 31 unterscheidet sich von Anspruch 1 der Hilfsanträge 3 bis 12 jeweils dadurch, dass der in Hilfsantrag 2 eingefügte Text (siehe Punkt XI. oben) gestrichen wurde.
XXIX. Anspruch 1 des Hilfsantrags 32 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 dadurch, dass der Text "durch den Laufzeitserver (100)" gestrichen wurde.
XXX. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin werden in den nachfolgenden Entscheidungsgründen wiedergegeben.
1. Die Erfindung betrifft das gleichzeitige Ausführen mehrerer Laufzeitsysteme in einem Betriebssystem für eine Datenverarbeitungsanlage zur Steuerung einer Automatisierungsanlage (Beschreibung, Seite 1, Zeilen 6 bis 8).
Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 13
2. Unzulässige Erweiterung - Artikel 123 (2) EPÜ
2.1 Das Merkmal des Anspruchs 1 des Hauptantrags "wobei über die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) eine Datenverbindung zwischen den Laufzeitsystemen (101) und der I/O-Schnittstelle (111) definiert ist" war laut der Beschwerdeführerin auf die Textstellen Seite 14, Zeilen 10 bis 30 und Seite 21, Zeilen 33 bis 36 der Beschreibung gestützt.
2.2 In ihrer Mitteilung bezweifelte die Kammer, dass die angegebenen Textstellen der Beschreibung eine Grundlage für das zitierte Merkmal seien. Daher liege eine unzulässige Erweiterung vor.
2.3 In ihrer Antwort auf die Mitteilung der Kammer und in der mündlichen Verhandlung trug die Beschwerdeführerin vor, dass das Merkmal "wobei über die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) eine Datenverbindung zwischen den Laufzeitsystemen (101) und der I/O-Schnittstelle (111)
definiert ist" durch die Figur 1 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gestützt sei.
2.3.1 Die Figur 1 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ist zum besseren Verständnis unten wiedergegeben.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
2.3.2 Laut der Beschwerdeführerin zeige Figur 1 deutlich, dass die I/O-Mapping-Zwischenschicht 119 zwischen den Laufzeitsystemen 101 und der I/O-Schnittstelle 111 des Laufzeitservers angeordnet sei und Datenverbindungen sowohl zu den Laufzeitsystemen als auch zur I/O-Schnittstelle aufweise. Die Datenverbindungen stellten hierbei jeweils eine Verbindung zur Datenübertragung zwischen den genannten Komponenten dar. Die I/O-Konfiguration des Laufzeitservers definiere, welcher Aktor des zu steuernden Gerätes mit welcher Schnittstelle verbunden sei. Die Datenkommunikation zwischen Feldgeräten und speicherprogrammierbarer
Steuerung (SPS) verlaufe dabei über die I/O-Mapping-Zwischenschicht 119.
2.4 Figur 1 wird auf Seite 16, Zeile 16 bis Seite 22, Zeile 8 der Beschreibung erläutert. Wie dieser Figur zu entnehmen ist, gibt es Verbindungslinien zwischen der I/O-Mapping-Zwischenschicht 119 und (1) den I/O-Konfigurationen 109 der Laufzeitsysteme 101 und (2) den I/O-Ausgängen 117 der I/O-Schnittstelle 111 zur zu steuernden Automatisierungsanlage 112 andererseits. Jedoch sind diese Verbindungen in Figur 1 nicht als Pfeile dargestellt wie bei der Datenübertragung über die beiden Stränge 120, 122 des Datenübertragungsrouters 121. Daher sieht die Kammer in den Verbindungslinien keine Stützung einer "Datenverbindung" im Sinne des diskutierten Anspruchsmerkmals.
2.4.1 Dieses Verständnis der Figur 1 ist konsistent mit den Ausführungen zur I/O-Mapping-Zwischenschicht 119 in der Beschreibung auf Seite 19, Zeilen 25 bis 28: "Mittels der I/O-Mapping-Zwischenschicht 119 ist eine eindeutige Zuordnung zwischen Variablen der Anwendungsmodule 105 und den Hardwarekomponenten 113 der Automatisierungsanlage 112 ermöglicht."
Hier wird offenbart, dass die Aufgabe der I/O-Mapping-Zwischenschicht 119 eine eindeutige Zuordnung (oder Abbildung) zwischen Variablen und Hardwarekomponenten ist. Diese Sicht der Beschwerdekammer ist auch konsistent mit der von der Beschwerdeführerin selbst gewählten Bezeichnung "I/O-Mapping-Zwischenschicht", da "Mapping" eine englische Übersetzung von dem Wort "Zuordnung" ist. Daher kann die Beschwerdekammer keine Offenbarung einer "Datenverbindung" über die I/O-Mapping-Zwischenschicht 119 in Figur 1 oder der Beschreibung dieser Figur erkennen. Die Kammer kennt auch keine andere Stellen der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, die das Merkmal einer "Datenverbindung" wie beansprucht stützen könnten.
2.4.2 Daher ist das Merkmal "wobei über die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) eine Datenverbindung zwischen den Laufzeitsystemen (101) und der I/O-Schnittstelle (111) definiert ist" nicht unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung entnehmbar (siehe die Entscheidung G 2/10, Punkt 4.3 der Begründung).
2.4.3 Somit erfüllt Anspruch 1 des Hauptantrags die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht.
3. Da der jeweilige Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 13 ebenfalls das Merkmal "wobei über die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) eine Datenverbindung zwischen den Laufzeitsystemen (101) und der I/O-Schnittstelle (111) definiert ist" enthält, erfüllen die Hilfsanträge 1 bis 13 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ aus denselben Gründen wie der Hauptantrag nicht und dies wurde seitens der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
Hilfsantrag 14
4. Zulässigkeit des Hilfsantrags 14 - Artikel 13 (2) VOBK
4.1 Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Ablauf einer von der Kammer in einer Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ bestimmten Frist oder, wenn eine solche Mitteilung nicht ergeht, nach Zustellung einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK bleiben grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen (Artikel 13 (2) VOBK).
4.2 Der Hilfsantrag 14 wurde mit der Antwort der Beschwerdeführerin auf die Mitteilung der Beschwerdekammer nach Artikel 15 (1) VOBK eingereicht. Da dieser Hilfsantrag als direkte Reaktion auf einen neu erhobenen Einwand der Beschwerdekammer unter Artikel 123 (2) EPÜ eingereicht wurde, wurde Hilfsantrag 14 von der Kammer wegen des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände gemäß Artikel 13 (2) VOBK in das Beschwerdeverfahren zugelassen.
Der Hilfsantrag 14 räumt den oben für den Hauptantrag geltend gemachten Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ durch die Streichung des beanstandeten Merkmals auch aus.
5. Unzulässige Erweiterung - Artikel 123 (2) EPÜ
5.1 In ihrer Mitteilung forderte die Kammer die Beschwerdeführerin auf, eine Grundlage in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung für die letzten Merkmale von Anspruch 1 des Hauptantrags anzugeben, um eine Überprüfung der Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ zu erleichtern.
5.2 In ihrer Antwort trug die Beschwerdeführerin vor, das Merkmal "wobei durch den Laufzeitserver (100) während einer Ausführung des Anlagensteuerprogramms durch wenigstens ein Anwendungsmodul (105) wenigstens eines Laufzeitsystems (101) eine modifizierte I/O-Konfiguration (109) eines modifizierten Anwendungsmoduls (105) oder eine neue I/O-Konfiguration (109) eines neu in das Steuerprogramm angefügten Anwendungsmoduls (105) als I/O-Konfiguration eines das modifizierte oder neue Anwendungsmodul (105) auszuführenden anderen Laufzeitsystems (101) in die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) abgebildet wird und hierdurch die I/O-Konfiguration des Laufzeitservers (100) während der Ausführung des Anlagensteuerprogramms geändert wird" werde wenigstens durch die Textstellen auf Seite 7, Zeilen 5 bis 11 und Seite 21, Zeilen 9 bis 14 und 29 bis 33 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung gestützt.
5.3 In der mündlichen Verhandlung äußerte die Beschwerdekammer Zweifel, dass die angegebenen Textstellen den Wortlaut "durch den Laufzeitserver" in dem oben zitierten Merkmal stützten. Es sei aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht ableitbar, dass die I/O-Konfiguration des Laufzeitservers "durch den Laufzeitserver" geändert werde. Laut Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 umfasse der Laufzeitserver "wenigstens zwei Laufzeitsysteme (101)", "eine I/O-Schnittstelle (111) zum Datenaustausch" und eine "I/O-Mapping-Zwischenschicht (119)". Da die zitierten Textstellen der Beschreibung nicht offenbarten wie die I/O-Konfiguration des Laufzeitservers geändert werde, würde die Fachperson der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung vermutlich entnehmen, dass die Änderung durch eines der Laufzeitsysteme durchgeführt werde, da dies die aktiven Komponenten seien.
5.4 In der mündlichen Verhandlung argumentierte die Beschwerdeführerin der Wortlaut "durch den Laufzeitserver" in dem oben zitierten Merkmal sei auf die Textstellen Seite 5, Zeilen 14 bis 21, Seite 7, Zeilen 5 bis 11 sowie Seite 21, Zeilen 9 bis 14 und 29 bis 33 gestützt. Der Laufzeitserver erkenne die geänderten I/O-Konfigurationen und ändere daher die I/O-Konfiguration des Laufzeitservers in der I/O-Mapping-Zwischenschicht 119. Es sei in den zitierten Textstellen implizit offenbart, dass der Laufzeitserver diese Funktionen bereitstelle.
5.5 Die seitens der Beschwerdeführerin zitierten, relevanten Textstellen der Beschreibung lauten wie folgt:
- "Über die I/O-Mapping-Zwischenschicht ist eine eindeutige Zuordnung der einzelnen Variablen der auf den jeweiligen Laufzeitsystemen installierten Anwendungsmodule und der jeweiligen Hardwarekomponenten der zu steuernden Automatisierungsanlage ermöglicht. Die I/O-Mapping-Zwischenschicht erlaubt ferner die Änderung, Modifikation oder das Durchführen eines Updates einzelner Anwendungsmodule des Anlagensteuerprogramms bei gleichzeitigem Ausführen von weiteren Anwendungsmodulen des Anlagensteuerprogramms, die zu dem gegebenen Zeitpunkt nicht zu ändern oder zu modifizieren sind." (Seite 5, Zeilen 14 bis 21)
- "Die entsprechende I/O-Konfiguration des neu eingefügten Anwendungsmoduls kann in die I/O-Mapping-Zwischenschicht abgebildet und somit die I/O-Konfiguration des Laufzeitservers in Bezug auf die Erweiterung des Anlagensteuerprogramms und das neu hinzugefügte Anwendungsmodul aktualisiert werden. Ein Stoppen des Anlagensteuerprogramms und ein damit verbundenes Stilllegen der zu steuernden Automatisierungsanlage ist somit für eine Erweiterung des bestehenden Anlagensteuerprogramms um weitere Anwendungsmodule ebenfalls nicht notwendig." (Seite 7, Zeilen 5 bis 11)
- "Darüber hinaus können die auf den Laufzeitsystemen 101 installierten Anwendungsmodule 105 und/oder die auf den weiteren Laufzeitsystemen 125 installierten weiteren Anwendungsmodule 106 verändert und/oder modifiziert werden. Die nicht zu verändernden oder modifizierenden Anwendungsmodule 105 und/oder weiteren Anwendungsmodule 106 können während der Änderung von zu ändernden Anwendungsmodulen 105 und/oder weiteren Anwendungsmodulen 106 weiterhin ausgeführt werden."
"Bei einer Änderung der Anwendungsmodule 105 der Laufzeitsysteme 101, die eine Änderung der I/O-Konfigurationen 109 der jeweiligen Laufzeitsysteme 101 umfasst, können die jeweiligen Änderungen der I/O-Konfigurationen 109 mittels einer Abbildung der geänderten I/O-Konfigurationen 109 auf die I/O-Mapping-Zwischenschicht 119 berücksichtigt werden." (Seite 21, Zeilen 9 bis 14 und 29 bis 33)
5.6 Die Beschwerdekammer ist von den vorgetragenen Argumenten der Beschwerdeführerin nicht überzeugt, da sie in den zitierten Textstellen keine implizite Offenbarung des Aspekts "durch den Laufzeitserver" für das zitierte Merkmal erkennen kann. In keiner der als Stütze angeführten Textstellen findet sich eine implizite oder explizite Offenbarung, dass durch den Laufzeitserver eine modifizierte oder neue I/O-Konfiguration (109) in die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) abgebildet wird und hierdurch die I/O-Konfiguration des Laufzeitservers (100) während der Ausführung des Anlagensteuerprogramms geändert wird. Die zitierten Textstellen lassen es vielmehr offen wie, d.h. durch welche Komponente, die Abbildung in die I/O-Mapping-Zwischenschicht (119) beziehungsweise die Änderung erfolgt. Daher ist das oben zitierte Merkmal mit dem Wortlaut "durch den Laufzeitserver" nicht unmittelbar und eindeutig aus der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ableitbar.
5.7 Aus den obigen Ausführungen folgt, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht erfüllt.
Hilfsanträge 32 und 15 bis 31
6. Zulässigkeit des Hilfsantrags 32 - Artikel 13 (2) VOBK
Der Hilfsantrag 32 wurde von der Beschwerdeführerin in der Rangfolge ihrer Anträge zwischen den Hilfsanträgen 14 und 15 angeordnet.
Dieser Hilfsantrag wurde als unmittelbare Reaktion auf den jedenfalls spezifisch erstmals in der mündlichen Verhandlung von der Kammer für Hilfsantrag 14 vorgetragenen Einwand unter Artikel 123 (2) EPÜ eingereicht und räumte diesen Einwand durch Streichung des beanstandeten Wortlauts "durch den Laufzeitserver" aus. Wegen der vorgenannten außergewöhnlichen Umstände ließ die Kammer den Hilfsantrag 32 unter Artikel 13 (2) VOBK ins Beschwerdeverfahren zu.
7. Klarheit des Hilfsantrags 32 - Artikel 84 EPÜ
7.1 In der mündlichen Verhandlung verwies die Beschwerdekammer auf den Klarheitseinwand gemäß Punkt 11.1 der angefochtenen Entscheidung beziehungsweise Punkt 7.3 ihrer Mitteilung. Insbesondere stimmte die Kammer vorläufig der Prüfungsabteilung zu, dass der Wortlaut "wobei auf jedem Laufzeitsystem (101) wenigstens ein Anwendungsmodul (105) zur Ausführung einer Anwendung des Anlagensteuerprogramms installiert ist" unklar sei, da eine Installation von Software auf einem "Laufzeitsystem" im üblichen Sinne nicht möglich sei.
7.1.1 Laut Punkt 11.1 der angefochtenen Entscheidung sind in Anspruch 1 die Merkmale "Ausführen mehrerer Laufzeitsysteme" sowie "auf jedem/weiterem Laufzeitsystem wenigstens ein (weiteres) Anwendungsmodul [...] installiert ist" unklar.
Die Prüfungsabteilung argumentierte, der Begriff "Laufzeitsystem" habe eine festgelegte, eindeutige technische Bedeutung im Sinne einer "programmiersprachenspezifischen 'Zwischenschicht' zwischen einem generischen Betriebssystem und dem Programmcode (geschrieben in eben jener spezifischen Programmiersprache), welche eine standardisierte Ausführungsumgebung bereitstelle, d.h. Bibliotheken und Schnittstellen".
7.1.2 Nach Ansicht der Prüfungsabteilung werde die übliche Bedeutung des Begriffs "Laufzeitsystem" sowohl durch die Definition dieses Begriffs auf Seite 48 des Dokuments D6 als auch durch die Wikipedia Einträge D10 und D11 belegt. Da "Laufzeitsysteme" gemäß der üblichen Bedeutung nicht ausführbar seien und keine Installation erlaubten, folge die mangelnde Klarheit der beanstandeten Anspruchsmerkmale.
7.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte zum Einwand der mangelnden Klarheit wie folgt.
7.2.1 Wie jedes Laufzeitsystem bzw. jede Laufzeitumgebung umfassten die Laufzeitsysteme der vorliegenden Erfindung Bibliotheken, um hierüber die Infrastruktur zum Ausführen von Programmen zur Laufzeit bereitzustellen. Darüber hinaus umfassten die Laufzeitsysteme der vorliegenden Erfindung jedoch in Form der Datenübertragungsschnittstellen ausführbare Komponenten, die nicht Teil der Bibliotheken seien, sondern aktive Dienste darstellten, die durch die Laufzeitsysteme bereitgestellt würden. Derartige Dienste müssten im Laufzeitserver eingerichtet, d.h. installiert, werden. Der Laufzeitserver sei durch die Einrichtung der Laufzeitsysteme in der Lage die Datenkommunikation zwischen den Laufzeitsystemen zu bewirken.
7.2.2 Laut der Beschwerdeführerin sei die Fachperson nicht nur daran gewöhnt, dass technische Fachbegriffe in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedliche Bedeutungen aufweisen könnten, wie beispielsweise im Fall des Begriffs der "virtuellen Maschine". Darüber hinaus sei von der Anmelderin wenigstens am Beispiel der Java-Laufzeitumgebung (siehe das Dokument D12) gezeigt worden, dass die Fachperson Laufzeitumgebungen bzw. Laufzeitsysteme kenne, die neben den üblichen Bibliotheken zusätzlich ausführbare Komponenten in Form einer virtuellen Maschine aufwiesen. Die Fachperson kenne somit Laufzeitsysteme bzw. Laufzeitumgebungen, die neben den obligatorischen Bibliotheken zusätzliche und insbesondere ausführbare Komponenten aufwiesen und sei darüber hinaus daran gewöhnt, dass technische Fachbegriffe gegebenenfalls in unterschiedlichen Zusammenhängen von der allgemeingültigen Definition abweichend verwendet würden.
7.2.3 In der mündlichen Verhandlung argumentierte die Beschwerdeführerin, dass ein Laufzeitsystem bzw. eine Laufzeitumgebung im Sinne des Anspruchs 1 nicht wie eine Laufzeitumgebung für die Programmiersprache Java (siehe Dokument D12) zu verstehen sei, sondern viele Merkmale einer virtuellen Maschine wie beispielsweise eine Datenübertragungsschnittstelle zum Datenaustausch zwischen Laufzeitsystemen habe, da dies zur Steuerung einer Automatisierungsanlage notwendig sei. Wie bei einer virtuellen Maschine könne das Steuerprogramm eingerichtet und ausgeführt werden.
Ein Laufzeitsystem nach Anspruch 1 sei daher nicht auf die engere Definition nach dem Wikipedia-Eintrag für "Laufzeitsystem" (siehe die Dokumente D10 bzw. D11) beschränkt. Der Fachperson erschließe sich aus dem Kontext des Anspruchs 1, dass sie sich von dem engen Begriff des Laufzeitsystems (wie etwa in Dokument D10) lösen müsse. Die Software TwinCAT der Beschwerdeführerin (siehe Dokument D21) sei schon lange im Markt etabliert und der Fachperson bekannt. Diese Software habe zusätzlich die Funktion einer virtuellen Maschine, sei aber auch keine virtuelle Maschine wie etwa VMware, sondern eher eine Kombination aus einer virtuellen Maschine und Laufzeitbibliotheken.
Die vorliegende Erfindung des Laufzeitservers sei eher vergleichbar mit Cloud-Technologie im Sinne einer "Platform as a Service" Umgebung. Ein Laufzeitsystem ermögliche eigene Verkapselungen innerhalb des Servers mit eigenständigen Funktionalitäten wie z. B. Bibliotheken zur Echtzeitausführung und Modulen die Ähnlichkeiten mit virtuellen Maschinen hätten. Eine Installation von Anwendungsmodulen entspreche einem Einrichten von Anwendungsmodulen in dieser Umgebung.
Auf Nachfrage der Kammer räumte die Beschwerdeführerin ein, dass die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung leider keine Funktionalität der virtuellen Maschinen offenbare. Die Begriffe des Anspruchs 1 seien aber nach den Richtlinien für die Sachprüfung F-IV.4.2 so auszulegen, wie die Fachperson sie verstehen würde. Anhand der Verwendung der Begriffe im Kontext des Anspruchs 1 sei klar, dass die Laufzeitsysteme einzelnen TwinCAT-Instanzen entsprächen und der Laufzeitserver dann die Umgebung zu deren Ausführung sei. In der Anmeldung seien die Begriffe Laufzeitsystem und Laufzeitumgebung synonym verwendet.
7.3 Artikel 84 EPÜ lautet:
"Die Patentansprüche müssen den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird. Sie müssen deutlich und knapp gefasst sein und von der Beschreibung gestützt werden."
7.3.1 Gemäß den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt vom März 2024, F-IV,4.2 gilt für die Auslegung eines Anspruchs folgendes (Unterstreichung durch die Kammer):
"Der Wortlaut eines jeden Patentanspruchs ist so zu verstehen, dass sich für die einzelnen Wörter die Bedeutung und die Reichweite ergeben, die sie auf dem betreffenden Gebiet normalerweise haben, es sei denn, die Beschreibung verleiht den Wörtern in bestimmten Fällen durch ausdrückliche Definition oder auf andere Weise eine besondere Bedeutung. Außerdem verlangt die Abteilung, wenn eine solche besondere Bedeutung vorliegt, soweit möglich, dass der Patentanspruch so geändert wird, dass die Bedeutung aus dem Wortlaut des Patentanspruchs allein deutlich wird. Dies ist wichtig, da nur die europäischen Patentansprüche, nicht aber die Beschreibung, in allen Amtssprachen des EPA veröffentlicht werden. Der Patentanspruch muss auch so gelesen und verstanden werden, dass er technisch einen Sinn ergibt. [...]"
Weiter heißt es in Punkt F-IV,4.1 der Richtlinien zum Erfordernis der Klarheit von Patentansprüchen nach Artikel 84 EPÜ (Unterstreichung durch die Kammer):
"Die Klarheit der Patentansprüche ist von größter Bedeutung, da sie den Gegenstand bestimmen, für den Schutz begehrt wird. Deshalb muss die inhaltliche Bedeutung eines Anspruchs für den Fachmann möglichst schon aus dem Wortlaut des Anspruchs allein klar hervorgehen (siehe auch F-IV, 4.2)."
7.3.2 Die oben wiedergegebenen Auszüge aus den Richtlinien, F-IV,4.1 entsprechen nach der Ansicht der Beschwerdekammer der etablierten Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu Artikel 84 EPÜ. Beispielsweise stellt die Entscheidung G 1/04 in Punkt 6.2 der Entscheidungsgründe fest (Unterstreichung durch die Kammer):
"Im vorliegenden Zusammenhang ist ferner zu beachten, dass die Patentansprüche nach Artikel 84 EPÜ den Gegenstand angeben müssen, für den Schutz begehrt wird, und dass sie deutlich sein müssen. Dies bedeutet, dass ein unabhängiger Anspruch im Sinne der Regel 29 EPÜ alle wesentlichen Merkmale, die zur Definition der Erfindung erforderlich sind, ausdrücklich angeben sollte und die Bedeutung dieser Merkmale für den Fachmann aus dem Wortlaut des Anspruchs allein klar hervorgehen sollte. Dasselbe sollte entsprechend für einen Anspruch gelten, der sich auf einen Gegenstand bezieht, der unter die Ausschlussbestimmung des Artikels 52 (4) EPÜ fällt. Diese Erfordernisse dienen dem übergeordneten Ziel der Rechtssicherheit."
7.3.3 Aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin zum Begriff "Laufzeitsystem" ergibt sich bereits klar, dass dieser Begriff in Anspruch 1 des Hilfsantrags 32 nicht in seiner üblichen Bedeutung verwendet wird, die etwa in Dokument D10 wiedergegeben ist. Vielmehr soll die Fachperson, jedenfalls nach der Vorstellung der Beschwerdeführerin, den Anspruch in Kenntnis der Software TwinCAT der Beschwerdeführerin lesen. Diese Auffassung der Beschwerdeführerin passt allerdings in keinster Weise zu den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ. Gemäß der etablierten Rechtsprechung und der darauf beruhenden Richtlinien für die Prüfung zu Artikel 84 EPÜ, soll die Bedeutung von Merkmalen für die Fachperson bereits aus dem Wortlaut des Anspruchs allein klar entnehmbar sein.
Zudem räumte die Beschwerdeführerin in ihrem Vortrag ein, dass selbst die Beschreibung der Anmeldung für eine Auslegung des Anspruchswortlauts in der von ihr vorgeschlagenen Weise wesentliche Details etwa zu virtuellen Maschinen nicht offenbart. Deshalb wäre im vorliegenden Fall selbst eine Auslegung des Wortlauts von Anspruch 1 durch die Fachperson unter Berücksichtigung der Beschreibung unzureichend, um die Bedeutung des Anspruchswortlauts im von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Sinn und damit auch den entsprechenden Schutzbereich zu verstehen.
Allerdings betont die Kammer nochmals dass, wie bereits oben dargelegt, die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern wesentlicher strenger sind, da der Wortlaut eines Anspruchs bereits an sich, also insbesondere auch ohne eine Verwendung der Beschreibung als Auslegungshilfe, klar sein soll.
7.3.4 Darüber hinaus merkt die Kammer an, dass die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren nicht nachgewiesen hat, dass und gegebenenfalls in welchem Umfang und mit welcher Funktionalität die Software TwinCAT der Fachperson im Rahmen ihres allgemeinen Fachwissens bekannt war. Hierzu weist die Kammer auch darauf hin, dass sie schon in Punkt 8.1 ihrer Mitteilung bezweifelt hatte, dass das Dokument D21 zum Stand der Technik gehöre, da keine Veröffentlichung dieses Dokuments vor dem Anmeldedatum nachgewiesen wurde. Die Behauptung, dass die Software TwinCAT zum allgemeinen Fachwissen gehört habe, wurde überhaupt nicht nachgewiesen. Somit kann es der Beschwerdeführerin auch nicht helfen, dass nach Punkt 3.1 der Entscheidungsgründe der Entscheidung T 1599/06, die Bedeutung von Begriffen in einem Patentanspruch vom Standpunkt einer Fachperson zu bestimmen ist, die den Anspruch im Gesamtzusammenhang der Anmeldung und vor dem Hintergrund ihres allgemeinen Fachwissens liest.
7.3.5 Da die Fachperson somit keine Möglichkeit hat, sich die technische Bedeutung eines "Laufzeitsystems" und eines darauf "installierten" Anwendungsmoduls aus dem Wortlaut des Anspruchs zu erschließen, ist der Wortlaut des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 32 unklar.
7.3.6 Aus den obigen Ausführungen ergibt sich zweifelsfrei, dass Anspruch 1 des Hilfsantrags 32 den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ nicht genügt und somit nicht gewährbar ist.
8. Zulässigkeit der Hilfsanträge 15 bis 31 - Artikel 13 (2) VOBK
8.1 Da jeder der Hilfsanträge 15 bis 31 die oben unter Artikel 84 EPÜ beanstandeten unklaren Merkmale des Hilfsantrags 32 enthält und es unstrittig war, dass auch diese Anträge folglich nicht gewährbar sind, wurden diese Hilfsanträge von der Kammer wegen außergewöhnlicher Umstände unter Artikel 13 (2) VOBK ins Beschwerdeverfahren zugelassen. Hierbei berücksichtigte die Kammer auch, dass eine Diskussion der Zulässigkeit dieser Anträge unter Artikel 13 (2) VOBK die mündliche Verhandlung nur verlängert hätte und daher ihre Zulassung erheblich zur Verfahrensökonomie im einseitigen Verfahren beitrug (siehe auch die Entscheidung T 1294/16, Punkte 18.2 bis 18.4 der Entscheidungsgründe).
9. Klarheit der Hilfsanträge 15 bis 31 - Artikel 84 EPÜ
Da auch die Hilfsanträge 15 bis 31 den oben unter Artikel 84 EPÜ beanstandeten undeutlichen Wortlaut in Anspruch 1 des Hilfsantrags 32 enthalten, erfüllen sie die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht.
Schlussfolgerung
10. Da keiner der Anträge der Beschwerdeführerin gewährbar ist, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.