T 1942/23 26-03-2025
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REINIGUNGSVORRICHTUNG MIT INDIVIDUELL SCHALTBAREM KLARSPÜL-DÜSENSYSTEM
Entscheidung im schriftlichen Verfahren
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) legte frist- und formgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung ein, mit der die europäische Patentanmeldung 13 732 480.2 zurückgewiesen wurde.
II. Die Anmeldung wurde als nicht patentfähig angesehen, weil die jeweiligen Gegenstände der unabhängigen Ansprüche gemäß Hauptantrag sowie Hilfsanträgen 1 und 2 gegenüber der Lehre von D1 (EP 1 704 809 A2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.
III. Die Beschwerdeführerin beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf Basis des Anspruchssatzes gemäß Hauptantrag,
hilfsweise auf Basis eines der Anspruchssätze gemäß Hilfsanträgen 1 und 2,
erstmals eingereicht mit Schriftsatz vom 25. April 2023 und erneut mit der Beschwerdebegründung.
IV. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"Reinigungsvorrichtung (110) zum Reinigen von Reinigungsgut (112), wobei die Reinigungsvorrichtung eine Durchlaufgeschirrspülmaschine (126) ist, umfassend mindestens eine Reinigungskammer (122) und mindestens eine Transportvorrichtung (118), wobei die Transportvorrichtung (118) eingerichtet ist, um das Reinigungsgut (112) in einer Transportrichtung (120) durch die Reinigungskammer (122) zu transportieren, wobei die Reinigungsvorrichtung (110) mindestens ein Klarspül-Düsensystem (178) zur Beaufschlagung des Reinigungsguts (112) mit mindestens einem Klarspülfluid aufweist, insbesondere Frischwasser, wobei das Klarspül-Düsensystem (178) ein Düsensystem ist durch welches Klarspülfluid auf das Reinigungsgut aufgetropft, aufgespritzt oder aufgesprüht werden kann, wobei das Klarspül-Düsensystem (178) mindestens zwei an unterschiedlichen Positionen quer zu der Transportrichtung (120) angeordnete Klarspül-Düseneinheiten (196) aufweist, wobei eine Raumrichtung quer zur Transportrichtung (120) eine Raumrichtung senkrecht zu der Transportrichtung (120) am Ort des Klarspül-Düsensystems (196) ist, wobei, in Richtung der Transportrichtung (120) betrachtet, die mindestens zwei Klarspül-Düseneinheiten (196) nebeneinander angeordnet sind, wobei die Klarspül-Düseneinheiten (196) in einer Richtung x quer zur Transportrichtung (120) versetzt zueinander angeordnet sind, wobei x eine Raumrichtung senkrecht zur Transportrichtung (120) und parallel zu einer Oberfläche der Transportvorrichtung (118) bezeichnet, wobei die Klarspül-Düseneinheiten (196) unabhängig voneinander schaltbar sind, um unabhängig voneinander an den unterschiedlichen Positionen das Reinigungsgut (112) mit dem Klarspülfluid zu beaufschlagen, wobei die mindestens zwei Klarspül-Düseneinheiten (196) derart schaltbar sind, dass eine Schaltung einer Klarspül-Düseneinheit (196) unabhängig von der Schaltung einer anderen Klarspül-Düseneinheit (196) erfolgen kann, wobei zu jeder Klarspül-Düseneinheit (196) mindestens ein Schaltzustand gewählt wird, unabhängig davon, in welchem Schaltzustand sich eine oder mehrere andere Klarspül-Düseneinheiten (196) befinden, wobei eine selektive Schaltung der Klarspül-Düseneinheiten (196) erfolgt."
V. Der nebengeordnete Anspruch 13 gemäß Hauptantrag lautet:
"Verfahren zur Reinigung von Reinigungsgut (112), wobei das Reinigungsgut (112) mittels mindestens einer Transportvorrichtung (118) durch mindestens eine Reinigungskammer (122) einer Reinigungsvorrichtung (110) transportiert wird, wobei die Reinigungsvorrichtung eine Durchlaufgeschirrspülmaschine (126) ist, wobei das Reinigungsgut (112) mittels mindestens eines Klarspül-Düsensystems (178) mit mindestens einem Klarspülfluid beaufschlagt wird, wobei das Klarspül-Düsensystem (178) ein Düsensystem ist durch welches Klarspülfluid auf das Reinigungsgut aufgetropft, aufgespritzt oder aufgesprüht werden kann, wobei das Klarspül-Düsensystem (178) mindestens zwei an unterschiedlichen Positionen quer zu der Transportrichtung (120) angeordnete Klarspül-Düseneinheiten (196) aufweist, wobei eine Raumrichtung quer zur Transportrichtung (120) eine Raumrichtung senkrecht zu der Transportrichtung (120) am Ort des Klarspül-Düsensystems (196) ist, wobei, in Richtung der Transportrichtung (120) betrachtet, die mindestens zwei Klarspül-Düseneinheiten (196) nebeneinander angeordnet sind, wobei die Klarspül-Düseneinheiten (196) in einer Richtung x quer zur Transportrichtung (120) versetzt zueinander angeordnet sind, wobei x eine Raumrichtung senkrecht zur Transportrichtung (120) und parallel zu einer Oberfläche der Transportvorrichtung (118) bezeichnet, wobei die Klarspül-Düseneinheiten (196) unabhängig voneinander geschaltet werden, um unabhängig voneinander an den unterschiedlichen Positionen das Reinigungsgut (112) mit dem Klarspülfluid zu beaufschlagen, wobei die mindestens zwei Klarspül-Düseneinheiten (196) derart schaltbar sind, dass eine Schaltung einer Klarspül-Düseneinheit (196) unabhängig von der Schaltung einer anderen Klarspül-Düseneinheit (196) erfolgen kann, wobei zu jeder Klarspül-Düseneinheit (196) mindestens ein Schaltzustand gewählt wird, unabhängig davon, in welchem Schaltzustand sich eine oder mehrere andere Klarspül-Düseneinheiten (196) befinden, wobei eine selektive Schaltung der Klarspül-Düseneinheiten (196) erfolgt."
1. Entscheidung im schriftlichen Verfahren
Die vorliegende Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK unter Wahrung der Verfahrensrechte der Beschwerdeführerin als alleinige Verfahrensbeteiligte nach Artikel 113 und 116 EPÜ.
Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs nach Artikel 113 (1) EPÜ ist uneingeschränkt gewahrt, da die Beschwerdeführerin umfangreich zur Sache vorgetragen und die Kammer diesen Vortrag ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hat.
Der von der Beschwerdeführerin hilfsweise gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß Artikel 116 (1) EPÜ steht unter der Bedingung, dass die Kammer nicht bereits dem Hauptantrag, d. h. der Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der Erteilung eines Patents basierend auf dem Hauptantrag, stattgibt.
Da die Kammer mit der vorliegenden Entscheidung dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin folgt, wird der vorgenannte Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung verfahrensrechtlich nicht wirksam.
Der ursprünglich anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.
2. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ
2.1 Die Beschwerdeführerin wandte sich gegen die Feststellungen unter Punkt 20 der Gründe der angefochtenen Entscheidung, dass der jeweilige Gegenstand der Ansprüche 1 und 13 gemäß Hauptantrag ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
2.2 Die Prüfungsabteilung stellte fest, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 von der Offenbarung von D1 dadurch unterscheide, dass
"die Klarspül-Düseneinheiten (196) unabhängig voneinander schaltbar sind, um unabhängig voneinander an den unterschiedlichen Positionen das Reinigungsgut (112) mit dem Klarspülfluid zu beaufschlagen, wobei die mindestens zwei Klarspül-Düseneinheiten (196) derart schaltbar sind, dass eine Schaltung einer Klarspül-Düseneinheit (196) unabhängig von der Schaltung einer anderen Klarspül-Düseneinheit (196) erfolgen kann, wobei zu jeder Klarspül-Düseneinheit (196) mindestens ein Schaltzustand gewählt wird, unabhängig davon, in welchem Schaltzustand sich eine oder mehrere andere Klarspül-Düseneinheiten (196) befinden, wobei eine selektive Schaltung der Klarspül-Düseneinheiten (196) erfolgt."
2.3 Ausgehend von der aus D1 bekannten Reinigungsvorrichtung sah die Prüfungsabteilung die mit diesen unterscheidenden Merkmalen zu lösende technische Aufgabe darin, den Wasserverbrauch der Reinigungsvorrichtung zu reduzieren.
2.4 Nach Auffassung der Prüfungsabteilung nenne die Lehre von D1 ebenso das Reduzieren des Wasserverbrauchs als zu erreichendes Ziel (Absätze [0023] und [0024]). Dieses Ziel werde nach D1 durch Abschalten der seitlichen Düseneinheiten 24 erreicht, wenn keine zu reinigenden Güter in einem der beiden Abteile 38 vorhanden seien (Absatz [0023]). Dabei seien die seitlichen Düseneinheiten 24 mittels eines Ventils 48 abschaltbar (Absatz [0024]; Figur 4).
Die Fachperson würde im Rahmen ihrer gewöhnlichen Tätigkeit stets das Ziel des weiteren Reduzierens des Wasserverbrauchs vor Augen behalten, so dass ihr unmittelbar auffalle, dass die in D1 beschriebene Lösung weiteres Verbesserungspotential aufweise. Die Fachperson zöge daher nach D1 in Erwägung, mindestens eine von oberen und unteren Düseneinheiten mit dem Ventil 48 in Wirkverbindung zu bringen, sodass nicht unnötig Wasser eingebracht werde. Zu solch einem Vorgehen wäre die Fachperson auch durch den letzten Satz des Absatzes [0024] motiviert, der der Fachperson nahelege, dass das Ventil 48 auch an weitere Versorgungsleitungen angeschlossen werden könne.
Sollte die Fachperson beim Realisieren der Reinigungsvorrichtung nach D1 nicht bereits zu der Auffassung gelangen, dass weitere Düseneinheiten mit Ventil verwendet werden könnten, um Wasser zu sparen, so würde die Fachperson spätestens beim Betreiben der Reinigungsvorrichtung bemerken, dass jeweils seitlich zusätzlich Wasser eingebracht wird, welches in keiner Weise sachdienlich wäre, da an besagter Stelle keine zu reinigenden Güter vorhanden wären. In einem späteren Optimierungsschritt würde die Fachperson ohne erfinderisches Zutun zu einer Lösung gemäß dem Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
2.5 Diese Auffassung hält einer Überprüfung nicht stand.
Nach gefestigter Rechtsprechung ist bei der Beurteilung der Frage, ob die beanspruchte Erfindung angesichts des nächstliegenden Stands der Technik und der objektiven technischen Aufgabe naheliegend gewesen wäre, der sogenannte "could would approach" anzuwenden. Danach ist es nicht ausschlaggebend, ob eine Fachperson den Gegenstand des Streitpatents hätte ausführen können, sondern vielmehr, ob sie es in der Erwartung auf eine Lösung der zugrunde liegenden technischen Aufgabe bzw. in der Erwartung einer Verbesserung oder eines Vorteils auch getan hätte (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, I.D.5).
2.6 Dokument D1 lehrt zur Verringerung des Wasserverbrauchs ein Abschalten lediglich der seitlichen Düsen 24, z.B. in den Absätzen [0023] und [0024], nicht jedoch, dass die quer zur Transportrichtung angeordneten Klarspül-Düseneinheiten 20, 22 unabhängig voneinander schaltbar sind, um unabhängig voneinander an den unterschiedlichen Positionen das Reinigungsgut mit dem Klarspülfluid zu beaufschlagen, wie von Anspruch 1 gefordert.
In dem letzten Satz des Absatzes [0024] wird zwar beschrieben, dass die Flüssigkeitszuleitung 46 zu den seitlichen Düsen 24 ein steuerbares Ventil 48 enthält. Allerdings ist dadurch nicht angeregt, dass das Ventil 48 auch an weiteren Versorgungsleitungen angeschlossen werden kann. Denn dem letzten Satz des Absatzes [0024] ist lediglich entnehmbar, dass die Zuleitung 46 beispielsweise an eine weitere Flüssigkeitszuleitung oder eine Flüssigkeitszufuhr angeschlossen werden kann, aber nicht, dass weitere Ventile vor andere Düsen, bzw. Düseneinheiten, geschaltet werden könnten. Die Fachperson erhält daher durch die Lehre von D1 keinen Hinweis, die aus D1 bekannte Reinigungsvorrichtung erfindungsgemäß zu modifizieren.
Dokument D1 beschreibt einen grundsätzlichen Unterschied in der Funktion der oberen/unteren Düsen einerseits und den seitlichen Düsen andererseits. So wird in Absatz [0020] ausgeführt, dass die seitlichen Düsen das Unvermögen der oberen und unteren Düsen kompensieren, sogenannte "shadow zones" des Reinigungsguts vollständig abzuspülen, die bei voller Belegung des Transportbands entstehen. Der Einsatz der oberen/unteren Düsen ist auch bei unvollständiger Belegung des Transportbandes stets beabsichtigt, um ein ausreichendes Reinigungsergebnis zu erzielen. Die Abschaltung der oberen/unteren Düsen ist also selbst bei unvollständiger Belegung des Transportbandes nicht vorgesehen. Auch insofern läge der Fachperson die Erwägung fern, die oberen und/oder unteren Düsen mit dem Ventil 48 in Wirkverbindung zu bringen.
2.7 Die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist somit anzuerkennen.
2.8 Der Gegenstand von Anspruch 13 gemäß Hauptantrag umfasst die zum Vorrichtungsanspruch 1 korrespondierenden Verfahrensmerkmale und beruht entsprechend den obigen Gründen ebenso auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2.9 Die Feststellungen der Prüfungsabteilung zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 13 gemäß Hauptantrag sind daher aufzuheben.
2.10 Die angefochtene Entscheidung enthält weiter keine Feststellungen zu Hindernissen, die der Patentfähigkeit der Gegenstände der Ansprüche 1 und 13 gemäß Hauptantrag entgegenstehen könnten. Die Kammer vermag solche Hindernisse nicht zu erkennen.
Anspruch 1 basiert auf dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 und Merkmalen aus der Beschreibung auf Seite 7, Zeilen 30 bis 32; Seite 8, Zeilen 1 bis 4 und 17 bis 19; Seite 9, letzter Absatz; Seite 10 Zeilen 22 bis 23; Seite 31, Zeilen 27 bis 30. Anspruch 13 beruht auf dem ursprünglichen Verfahrensanspruch 13 und enthält die korrespondierenden Merkmale zu Anspruch 1. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 12, 14 und 15 basieren auf den entsprechenden ursprünglich eingereichten Ansprüchen. Die Erfordernisse von Artikel 123 (2) EPÜ sind daher erfüllt.
2.11 Dem Antrag der Beschwerdeführerin, ein europäisches Patent basierend auf dem der angegriffenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrag zu erteilen, ist daher stattzugeben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung:
Seiten 2, 3, 6, 7, 10 bis 20, 29 bis 34, wie ursprünglich eingereicht,
Seiten 1, 4, 4a, 5, 8, 9, 21, 27, 28, eingereicht mit der Beschwerdebegründung.
Ansprüche:
Nr.: 1 bis 15 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit der Beschwerdebegründung.
Zeichnungen:
Blätter: 1/3 bis 3/3, wie ursprünglich eingereicht.