T 1553/23 22-01-2025
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Leuchte mit LEDs und Kollimator-Linsen
Peterreins Schley Patent- und Rechtsanwälte
PartG mbB
Zulässigkeit der Beschwerde - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 2650602 in geändertem Umfang, zur Post gegeben am 19. Juni 2023 und zwar im Umfang des Hilfsantrags 3.
II. Am 22. Januar 2025 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts statt.
Die Einsprechende/Beschwerdeführerin beantragt die Entscheidung aufzuheben und den Widerruf des Patents in vollem Umfang.
Die Patentinhaberin/Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen (und die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu bestätigen), hilfsweise die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
III. Der Anspruch 1 der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung lautet wie folgt (Merkmalskennzeichnung im Fettdruck der in der Entscheidung diskutierten Merkmale einfügt durch die Kammer):
Kollimatoroptik-System (10) für LED-Leuchten (12) zur Ausleuchtung von Gebäudeflächen oder Gebäudeteilflächen, umfassend
eine erste Kollimatoroptik (11a, 11b, 11c, 11d, 11e) und eine zweite Kollimatoroptik,
wobei beide Kollimatoroptiken jeweils eine, eine Höhlung (18) zur Aufnahme wenigstens einer LED (13) begrenzende Lichteintrittsfläche(19),
wenigstens eine Totalreflektionsfläche (24) und
eine Lichtaustrittsfläche (23) aufweisen, wobei die Höhlung eine Bodenfläche und eine umlaufende Seitenwandfläche bereitstellt, wobei
diejenigen Lichtanteile, die ausgehend von der LED auf die Bodenfläche der Höhlung treffen, unmittelbar zur Lichtaustrittsfläche der Kollimatoroptik gelangen und
diejenigen Lichtanteile, die auf die Seitenwandbereiche der Lichteintrittsfläche treffen, zu der Totalreflektionsfläche hin geleitet werden, und von dort auf die Lichtaustrittsfläche der Kollimatoroptik geworfen werden, wobei
(M1.6) beide Kollimatoroptiken (11b, 11c) gleiche Einbaurastermaße (AM,ADA, ADW, ADK, HB, IH1 MHB, MHH) aufweisen und wobei
die erste Kollimatoroptik (11b) eine erste Lichtverteilung und die zweite Kollimatoroptik (11c) eine zweite, von der ersten Lichtverteilung (LV1) unterschiedliche Lichtverteilung (LV2) bereitstellt, wobei
(M1.8) die Lichteintrittsfläche (19b) der ersten Kollimatoroptik (11b) und die Lichteintrittsfläche (19c) der zweiten Kollimatoroptik (11c) zur Erzielung unterschiedlicher Lichtverteilungen (LV1, LV2) unterschiedlich ausgebildet sind und wobei
(M1.9) die Totalreflektionsfläche (24b) der ersten Kollimatoroptik (11b) und die Totalreflektionsfläche (24c) der zweiten Kollimatoroptik (11c) zur Erzielung unterschiedlicher Lichtverteilungen (LV1, LV2) unterschiedlich ausgebildet sind, und wobei
(M1.10) i) die erste Lichtverteilung (LV1) einen ersten Abstrahlwinkel (alpha1)und die zweite Lichtverteilung (LV2) einen zweiten, von dem ersten Abstrahlwinkel (a2) unterschiedlichen Abstrahlwinkel umfasst, oder
(M1.11) ii) wobei die erste Lichtverteilung (LV1) bezogen auf eine optische Achse (OA) der ersten Kollimatoroptik (11b) rotationssymmetrisch und die zweite Lichtverteilung (LV4) bezogen auf eine optische Achse (OA)der zweiten Kollimatoroptik (11e) unsymmetrisch ausgebildet ist.
IV. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) brachte die folgenden Einwände vor:
Die Beschwerde sei ausreichend begründet. Insbesondere habe sich die Beschwerdeführerin im Detail mit der erfinderischen Tätigkeit auseinandergesetzt.
Des weiteren erfülle der Gegenstand des im beschränkten Umfang aufrechterhaltenen Anspruchs 1 nicht die Anforderungen an die erfinderische Tätigkeit. So offenbare D5 schon den Einfluss der Linse (des Lichteintrittskörpers) und der Totalreflektionsfläche auf die Gestaltung des Lichtprofils. Lediglich die gleichzeitige Veränderung von Linse (Lichteintrittskörper) und der Totalreflektionsfläche zur Beeinflussung des Lichtprofils sei nicht offenbart. Des weiteren zeige D5 auch ein Einbauraster für die Leuchten, so dass klar sei, dass die Beeinflussung beider Elemente - Lichteintrittskörper und Totalreflektionsfläche - nicht zwingend nötig sei, um ein einheitliches Einbauraster zu erhalten.
V. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) erwiderte im Wesentlichen:
Die Beschwerde sei als unzulässig zurückzuweisen, da sie sich nicht mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetze und nicht deutlich mache, inwieweit die angefochtene Entscheidung rechtsfehlerhaft sei. So enthalte die Beschwerdebegründung zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D5 keine Gründe, warum der Fachmann entgegen der angefochtenen Entscheidung Anlass gehabt haben soll, die Merkmale 1.8 und 1.9 miteinander zu kombinieren.
Was die Frage der erfinderischen Tätigkeit betreffe, so zeige D5 in den Figuren deutliche Unterschiede in den geometrischen Abmessungen der Optiken, die unterschiedlich viel Raum im Gehäuse einnähmen. Die Modularität werde in D5 durch das Gehäuse erzielt. Daher sei es auch gar nicht nötig, unterschiedliche Parameter gleichzeitig in Betracht zu ziehen, nämlich unterschiedliche Lichteintrittsflächen einerseits und unterschiedliche Totalreflektionsflächen andererseits. Erst durch die erfinderische Kombination der Merkmale 1.8 und 1.9 sei eine größere Gestaltungsfreiheit gegeben, um unterschiedliche Lichtverteilungen bei vorgegebenen Einbaurastermassen zu ermöglichen. Daraus ergebe sich die Aufgabe der vorliegenden Erfindung, nämlich die Bereitstellung von 2 Kollimatoroptiken, die gemeinsam eine Lichtverteilung gemäß den Merkmalen M1.10 oder M1.11 zur Verfügung stellen und die jeweils gleiche Rastermaße aufweisen.
Insbesondere könne die genannte Passage in D5, Absatz [0007] nicht nahelegen, beide Merkmale zu kombinieren.
Des weiteren sei auszuführen, dass Absatz [0007] überhaupt keine Lichteintrittsfläche oder Linse beschreibe. Die dort im letzten Satz genannte Linse könne sich aufgrund des dort verwendeten bestimmten Artikels nur auf eine Linse beziehen, die bis dahin in der Beschreibung definiert worden sei. Und daher müsse es sich hierbei zwingend um die Umfangsrippen handeln. Dies sei ein optisch wirksames Element und der Fachmann würde an dieser Stelle der Beschreibung nur diese dem Begriff "Linse" zuweisen.
Auch werde bestritten, dass es sich bei den Flanken des Entblendungskörpers um eine Totalreflektionsfläche im Sinne der Erfindung handele. Die Umfangsrippen würden dies in Frage stellen, da sich die Winkel der auftreffenden Lichtstrahlen im Bereich der Rippen verändere und damit nicht mehr sichergestellt sei, dass hier eine vollkommene Reflektion stattfinde.
1. Die Beschwerde ist zulässig, Regel 99 (2) EPÜ.
Die Kammer kann entgegen der Beanstandung der Beschwerdegegnerin nicht erkennen, dass die Beschwerdebegründung der Einsprechenden/Beschwerdeführerin sich nicht ausreichend mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung auseinander gesetzt hätte.
Insbesondere hat die Beschwerdeführerin dargelegt, warum ihrer Auffassung nach die Entscheidung der Einspruchsabteilung in der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D5 fehlerhaft sein soll.
So erklärt sie auf Seite 19 der Beschwerdebegründung zunächst die Offenbarung von D5, um sich dann auf Seite 20, vorletzter Absatz, mit der angegriffenen Entscheidung auseinanderzusetzen. Dabei stellt sie im vorletzten Absatz dieser Seite dar, warum die Entscheidung fehlerhaft sein soll.
In der Folge wird - formal korrekt - der Aufgabe/Lösungsansatz verfolgt, wobei die Beschwerdeführerin zuerst die Aufgabe definiert (2. Absatz, Seite 21), bevor sie die Unterschiedsmerkmale bewertet.
Damit ist der Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit vollständig in allen Details und nachvollziehbar dargetan.
Im übrigen ist es für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde im Grunde unerheblich, ob die Darlegungen sachlich richtig oder logisch überzeugend sind, solange der Kammer und den anderen Beteiligten erläutert wird, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung falsch sein soll.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit ausgehend von Dokument D5, Artikel 56 EPÜ.
2.1 Das Dokument D5 offenbart unstrittig nicht die Verknüpfung der Merkmale 1.8 und 1.9, nämlich dass
- (M1.8) die Lichteintrittsfläche (19b) der ersten Kollimatoroptik (11b) und Lichteintrittsfläche (19c) der zweiten Kollimatoroptik (11c) zur Erzielung unterschiedlicher Lichtverteilungen (LV1, LV2) unterschiedlich ausgebildet sind
und
- (M1.9) die Totalreflektionsfläche (24b) der ersten Kollimatoroptik (11b) und die Totalreflektionsfläche (24c) der zweiten Kollimatoroptik (11c) zur Erzielung unterschiedlicher Lichtverteilungen (LV1, LV2) unterschiedlich ausgebildet sind.
2.2 Des weiteren stellt die Beschwerdegegnerin das Vorhandensein des Merkmals 1.6 in Frage, wonach beide Kollimatoroptiken gleiche Einbaumaße aufweisen.
Die Kammer stimmt hier der Beschwerdegegnerin insofern zu, dass die Modularität in D5 im wesentlichen durch das Gehäuse erzielt wird. Allerdings wird in D5 die erfindungsgemäße Lichtaustrittsfläche durch den transparenten Teil des quaderförmigen Gehäuses gebildet und dieser ist für alle Module gleich. Insofern ist das Gehäuse (bzw. Teile davon) Teil des optischen Systems der Kollimatoroptik und bestimmend für das Einbaurastermaß.
Weiterhin ist der Begriff "Einbaurastermaß" im Merkmal 1.6 des strittigen Anspruchs unbestimmt, so dass er nicht auf bestimmte Maße der Kollimatoroptik beschränkt werden kann. So offenbart das in Figur 2 der D5 gezeigte Modul in Zusammenschau mit den Figuren 4 und 8 ein Rastermaß, das für alle Module einheitlich ist, vgl. [0037] und [0040].
Insofern ist das Merkmal 1.6 in D5 offenbart.
2.3 Die mit der Erfindung zu lösende Aufgabe sieht die Kammer - der Argumentation der Beschwerdeführerin folgend - in einer alternativen Form der Gestaltung eines Lichtprofils.
Die von der Beschwerdegegnerin genannte Aufgabe, nämlich die Bereitstellung von 2 Kollimatoroptiken, die gemeinsam eine Lichtverteilung gemäß den Merkmalen M1.10 oder M1.11 zur Verfügung stellen und die jeweils gleiche Rastermaße aufweisen, kann schon deshalb nicht korrekt sein, da sie die Unterscheidungsmerkmale (siehe oben, 2.1) nicht richtig fasst. Diese Aufgabe ist bereits in D5 als gelöst anzusehen, und darüber hinaus löst D5 diese Aufgabe auch ohne dass sich die Lichteintrittsflächen (M1.8) und die Totalreflektionsflächen (M1.9) beider Kollimatoroptiken unterscheiden.
So teilt die Kammer auch nicht die Ansicht der Beschwerdegegnerin, dass sich nur durch gleichzeitige Veränderung beider Parameter, Lichteintrittsfläche und Totalreflektionsfläche, ein einheitliches Einbaurastermaß erzielen lasse. Dies mag von den weiteren - im Anspruch nicht definierten - geometrischen Gegebenheiten abhängen und schließlich zeigt D5, dass dem nicht so ist.
2.4 In D5 offenbart der Absatz [0007] (siehe dort insbesondere den ersten Satz) eindeutig, dass sowohl die Lichteintrittsfläche (in D5: Linse, zylindrische Aussparung) als auch die Totalreflektionsfläche (Rippen des Entblendungskörpers) verändert werden können, um die Lichtverteilung zu beeinflussen.
Aber auch der letzte Satz von Absatz [0007] lehrt den Fachmann, dass die Form der Umfangsrippen und die Krümmung der Linse derart gewählt werden können, dass ein gewünschtes Strahlprofil erreicht wird.
Die Umfangsrippen liegen in dem Element, welches der erfindungsgemäßen Totalreflektionsfläche entspricht. Somit lernt der Fachmann durch D5, dass beide Parameter, nämlich Linse und Totalreflektionsfläche, zur Gestaltung einer Lichtverteilung herangezogen werden können.
Nicht eindeutig und unmittelbar offenbart ist nach Ansicht der Kammer, dass beide Parameter gleichzeitig verändert werden können oder sollten (siehe oben, 2.1).
Dies aber liegt im Bereich des üblichen fachmännischen Handelns. So ist es dem Fachmann nahegelegt, auszuprobieren, ob auch bei einer Veränderung beider Parameter gleichzeitig, unterschiedliche Lichtverteilungen vorteilhaft gestaltet werden können.
2.5 Der Einwand der Beschwerdegegnerin, dass mit der im letzten Satz des Absatzes [0007] genannte Linse nicht die Linse der Lichteintrittsfläche gemeint sein könne, überzeugt nicht.
Die Beschwerdegegnerin stellt dar, dass bis Absatz [0007] der Beschreibung nie von einer Linse die Rede gewesen sei; erst im letzten Satz heiße es "die Krümmung der Linse". Der bestimmte Artikel könne hier nur eine Linse benennen, die bereits in der Beschreibung bis dahin erwähnt worden sei, und hier könnten - nach allgemeinen fachmännischen Verständnis - nur die Umfangsrippen gemeint sein, die schließlich durch ihre Eigenschaft, den Lichtstrahl zu verändern vom Fachmann als eine Linse im weiteren Sinne gesehen würden.
2.6 Die Kammer folgt dem nicht. Der Fachmann würde, wenn er die oben beschriebene Lehre aus dem Absatz [0007] zieht, das gesamte Dokument D5 betrachten und nicht nur das, was er bis zum Absatz [0007] bereits gelesen hat. Im gesamten Dokument D5 gibt es keinen Anhaltspunkt, dass unter dem Begriff "Linse" etwas anderes zu verstehen ist, als der kegelstumpf- oder trapezförmige Teil des Entblendungskörpers, der mit einer Aussparung für die Leuchtdiode versehen ist, vgl. Absatz [0036].
Auch sieht die Kammer keine Veranlassung, die Flanken des Entblendungskörpers (bzw. die Seitenwand des Kegelstumpfes 16) in D5 nicht als eine Totalreflektionsfläche gemäß der strittigen Erfindung anzusehen. Insbesondere stehen hier die Umfangsrippen einer Totalreflektion nicht im Wege. Diese sind nur leicht gekrümmt (vgl. Absatz [0035]) und dienen in erster Linie der Entblendung und Mischung des Lichtes, welches direkt durch die Bodenplatte der Linse abgestrahlt wird ([0007]).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
- Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
- Das Patent wird widerrufen.