T 0638/23 (DAW SE / ABTÖNSYSTEME / ANSTRICHSYSTEME / PUTZSYSTEME) 18-03-2025
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WÄSSRIGE ZUSAMMENSETZUNG FÜR EIN ABTÖNSYSTEM, Kit-OF-PARTS ABTÖNSYSTEM, ABGETÖNTE ANSTRICH- UND PUTZSYSTEME SOWIE ANSTRICHE UND PUTZE ERHÄLTLICH DURCH AUFTRAGEN DER ABGETÖNTEN ANSTRICH- BZW. PUTZSYSTEME
Schulz Farben- und Lackfabrik GmbH
Ewald Dörken AG
Wächtershäuser & Hartz Patentanwaltspartnerschaft mbB
Neuheit - Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 9 (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 10 bis 32 (nein)
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden 2 und 3 richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, nach der das europäische Patent Nr. 3 333 231 (das "Streitpatent") in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 10, dessen Ansprüche mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2021 eingereicht wurden, und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen.
II. Anspruch 1 des Streitpatents in erteilter Fassung lautet wie folgt:
"1. Wässrige Zusammensetzung, insbesondere Farbtonzusammensetzung oder Extenderzusammensetzung, für ein Abtönsystem, enthaltend oder bestehend aus
a) mindestens einem Pigment und/oder mindestens einem Füllstoff,
b) mindestens einem Netz- und/oder Dispergiermittel,
c) mindestens einem Feuchthaltemittel, insbesondere Polyalkylenglykole, und/oder mindestens einem Wachs, insbesondere zugegeben in Form einer wässrigen Wachsemulsion,
d) mindestens einem Alkylalkoxysilan, Alkylalkoxysiloxan, wasserlöslichen Alkylsilikonat, insbesondere Kaliummethylsilikonat, Monoalkylsilantriol, Dialkylsilandiol, Trialkylsilanol, Alkalisalz von Monoalkylsilantriol, insbesondere Kaliummethylsilantriolat und/oder Kaliumethylsilantriolat, Dialkylsilandiol, Trialkylsilanol oder beliebigen Mischungen hiervon und
e) gegebenenfalls mindestens einem ersten Additiv,
wobei die wässrige Zusammensetzung, insbesondere die Farbtonzusammensetzung, einen pH-Wert größer oder gleich 9,0, vorzugsweise im Bereich von 10,0 bis 12,0 und besonders bevorzugt im Bereich von 10,5 bis 11,5, aufweist oder auf einen pH-Wert größer oder gleich 9,0, vorzugsweise im Bereich von 10,0 bis 12,0 und besonders bevorzugt im Bereich von 10,5 bis 11,5 eingestellt ist."
III. Es wurden drei Einsprüche unter Berufung auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) bis c) EPÜ gegen das Streitpatent eingelegt. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem folgende Dokumente genannt (angefochtene Entscheidung, Seiten 2 bis 6):
D1: DE 10 2014 013 455 A1
D3: DE 10 2006 002 800 A1
D15: WO 2017/144694 A1
D39: Auszug aus dem "Glasurit-Handbuch Lacke und Farbe", 11. Auflage, Curt R. Vincentz Verlag, Hannover, 1984, Seite 114
D40: Auszug aus dem "BASF-Handbuch Lackiertechnik", Vincentz Verlag, Postfach 6247, D-30062, Hannover, Deutschland, 2002, Seite 180
D41: Wikipedia-Artikel "Polyethylenglykol" vom 20. November 2015 (http://de.wikipedia.Org/w/index.php?title=Polyethylenglycolo&oldid=1 48219344)
D42: Wikipedia-Artikel "Entschäumer" vom 15. August 2015 (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Entsch%C3%A4umer&oldid=145059228)
D43: Tabellarische Übersicht der experimentellen Versuche zu den Proben V01 bis V05
D44: Eidesstattliche Versicherung des Herrn Wischhusen
D45: Eidesstattliche Versicherung des Herrn Dr. Haider
IV. Mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2021 verfolgte die Patentinhaberin das Streitpatent in geänderter Fassung weiter und reichte hierfür Anspruchssätze gemäß einem neuen Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 30 ein. Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2022 reichte sie unter anderem einen Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 31 und die Beweismittel D43 bis D45 ein.
Die angefochtene Entscheidung beruht auf dem Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 10. Die Einspruchsabteilung kam unter anderem zu folgendem Schluss:
- Die Dokumente D43 bis D45 seien zum Verfahren nicht zugelassen.
- Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 9 sei gegenüber der Offenbarung in D15 nicht neu.
- Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 10 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit im Lichte der D3 als nächstliegendem Stand der Technik.
V. In ihren Beschwerdevorbringen vertraten die Einsprechenden 2 und 3 ("die Einsprechenden") unter anderem die Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrag nicht neu sei. Das gleiche gelte für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 9. Zusätzlich bestritten sie die Begründung der Einspruchsabteilung hinsichtlich der Gewährbarkeit des Hilfsantrags 10. Die Einsprechenden stützten ihre Argumente unter anderem auf folgende neu eingereichte Beweismittel (von den Einsprechenden als D47 (Einsprechende 3) und D46, D58 und D59 (Einsprechende 2) bezeichnet; neue Nummerierung durch die Kammer):
A47: Clariant, Datenblatt zu Genapol EP 0244, März 2007
A48: Wikipedia: "Konservierungsmittel", Auszug aus dem Internet, gefunden unter https://de.wikipedia.org/wiki/Konservierungsmittel
A58: RÖMPP Chemie Lexikon, Band 5, 9. erweiterte und neu überarbeitete Auflage, Stichwort "Polypropylenglykole", Seite 3567, 1992
A59: RÖMPP Chemie Lexikon, Band 5, 9. erweiterte und neu überarbeitete Auflage, Stichwort "Schaumverhütungsmittel", Seite 4017, 1992
Die Beweismittel A47 und A48 sind für die vorliegende Entscheidung unerheblich und werden daher im Folgenden nicht mehr berücksichtigt.
VI. In ihrem Beschwerdevorbringen vertrat die Patentinhaberin die Auffassung, dass keiner der von den Einsprechenden erhobenen Einwände der Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung gemäß Hauptantrag entgegenstehe. Diesbezüglich bestritt die Patentinhaberin die Begründung der Einspruchsabteilung hinsichtlich der mangelnden Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 9. Sie stützte ihre Argumente unter anderem auf folgende neu eingereichte Beweismittel (von der Patentinhaberin als D46 bis D54 bezeichnet; neue Nummerierung durch die Kammer):
A49: Wikipedia-Artikel "Entschäumer", Auszug aus dem Internet, gefunden am 12. Juni 2023 unter https://de.wikipedia.org/w7index.php?title=Entsch%C3%A4umer&oldid=145059228
A50: Wikipedia-Artikel "Tensid", Auszug aus dem Internet, gefunden am 12. Juni 2023 unter https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Tensid&oldid=i59O27579
A51: Heiko Schiffter-Weinle, Deutschen Apothekerzeitung: "PEG - das Multitalent - Polyethylenglykol in der Rezeptur", Auszug aus dem Internet, gefunden am 12. Juni 2023 unter https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2015/daz-26-2015/peg-das-multitalent
A52: Web-Dictionary "Die CHEMIE-SCHULE", "Polyethylenglykol", Auszug aus dem Internet, gefunden am 12. Juni 2023 unter https://www.chemie-schule.de/KnowHow/Polyethylenglycol
A53: EP 4 183 842 A1
A54: BYK-022, Merkblatt, "VOC-freier silikonhaltiger Entschäumer für wässrige Lacke sowie Druckfarben und Klebstoffe. Wirkt auch gegen Mikroschaum", 08/2022
A55: Cosmetic Ingredient Review, Final Report: "Safety Assessment of Polyoxyalkylene Siloxane Copolymers, Alkyl-Polyoxyalkylene Siloxane Copolymers, and Related Ingredients as Used in Cosmetics", 14. Januar 2015, gefunden unter https://www.cirsafety.org/sites/default/files/ROPSIL_122o14%20_FAR.pdf
A56: DE 10 2006 021 178 A1
A57: Clariant, Datenblatt zu "Antimussol 4846 N liquid"
Die Patentinhaberin bestritt ferner die Nichtzulassung der Beweismittel D43 bis D45 durch die Einspruchsabteilung. Sie reichte mit ihrer Beschwerdeerwiderung einen neuen Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag 11 ein. Die Patentinhaberin hielt die vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsanträge 10 bis 31 (siehe oben) aufrecht. Die vor der Einspruchsabteilung eingereichten Hilfsanträge 11 bis 31 wurden als Hilfsanträge 12 bis 32 umnummeriert.
VII. Alle Beteiligten wurden antragsgemäß zu einer mündlichen Verhandlung geladen. Zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erging eine Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK. In dieser Mitteilung äußerte die Kammer unter anderem die vorläufige Meinung, dass es dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 9 an Neuheit gegenüber der Offenbarung in D15 mangele.
VIII. Die Patentinhaberin und die Einsprechenden erwiderten auf die Mitteilung der Kammer mit weiteren Schriftsätzen. Um ihre Argumente weiter zu stützen, reichte die Einsprechende 3 folgende neue Beweismittel (von der Einsprechenden 3 als D60 und D61 bezeichnet; neue Nummerierung durch die Kammer):
A60: Römpp, Polyelektrolyte, Caseri W, Polyelektrolyte, RD-16-03194 (2009) in Böckler F., Dill B., Eisenbrand G., Faupel F., Fugmann B., Gamse T., Heretsch P., Matissek R., Pohnert G., Rühling A., Schmidt S., Sprenger G., RÖMPP [Online], Stuttgart, Georg Thieme Verlag, [Februar 2025]
A61: Römpp, Silikonate, Hajas J, Siliconate, RD-19-02468 (2006) in Böckler F., Dill B., Eisenbrand G., Faupel F., Fugmann B., Gamse T., Heretsch P., Matissek R., Pohnert G., Rühling A., Schmidt S., Sprenger G., RÖMPP [Online], Stuttgart, Georg Thieme Verlag, [Februar 2025]
Die Beweismittel A60 und A61 sind für die vorliegende Entscheidung unerheblich und werden daher im Folgenden nicht mehr berücksichtigt.
IX. Die Einsprechende 1, Verfahrensbeteiligte gemäß Artikel 107, Satz 2, EPÜ, hat weder ein schriftliches Vorbringen eingereicht noch Anträge gestellt.
X. Am 18. März 2025 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer in Anwesenheit der Patentinhaberin und der Einsprechenden 2 und 3 als Videokonferenz statt. Das Verfahren wurde gemäß Regel 115 (2) EPÜ in Abwesenheit der Einsprechenden 1 fortgesetzt. Während der mündlichen Verhandlung änderte die Patentinhaberin die Reihenfolge einiger Hilfsanträge (siehe unten).
XI. Anträge
Die abschließenden Anträge der Beteiligten, die für die vorliegende Entscheidung relevant sind, lauten wie folgt:
Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatents in der Fassung des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrags, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geänderter Fassung auf Basis der Ansprüche der Hilfsanträge 1 bis 32, eingereicht als
- Hilfsanträge 1 bis 10 vor der Einspruchsabteilung,
- Hilfsantrag 11, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung,
- Hilfsantrag 12, eingereicht als Hilfsantrag 18 vor der Einspruchsabteilung,
- Hilfsantrag 13, eingereicht als Hilfsantrag 17 vor der Einspruchsabteilung,
- Hilfsantrag 14, eingereicht als Hilfsantrag 28 vor der Einspruchsabteilung,
- Hilfsanträge 15 bis 32, eingereicht als Hilfsanträge 11 bis 16, 19 bis 27 und 29 bis 31 vor der Einspruchsabteilung.
Hilfsweise beantragte die Patentinhaberin die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 12 bis 14.
Die Patentinhaberin beantragte ferner die Nichtzulassung der Beweismittel A58 und A59 sowie die Zulassung der Beweismittel D43 bis D45 und A53 bis A57.
Die Einsprechenden beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents im vollen Umfang. Sie beantragten zudem die Nichtzulassung der Beweismittel D43 bis D45 und A49 bis A57 und die Zulassung der Beweismittel A58 und A59.
XII. Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Ausführungen der Beteiligten wird auf die nachstehende Begründung der Entscheidung verwiesen.
Beweismittel A49 bis A59 - Zulassung zum Verfahren - Artikel 12 VOBK
1. Beweismittel A49 bis A57
1.1 Die Beweismittel A49 bis A57 wurden von der Patentinhaberin mit der Beschwerdebegründung eingereicht, um die Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber D15 zu begründen. Die Einsprechenden beantragten die Nichtzulassung dieser Beweismittel.
1.2 Die Kammer ist in der mündlichen Verhandlung zum Schluss gekommen, dass es selbst bei Berücksichtigung der Beweismittel A49 bis A57 dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag an Neuheit gegenüber der Offenbarung in D15 mangelt (siehe unten).
1.3 Die Kammer hat entschieden, die Beweismittel A49 bis A57 zum Verfahren zuzulassen. Da die Endentscheidung zugunsten der Einsprechenden ergeht (siehe unten), erübrigt sich eine Begründung dieser Zulassungsentscheidung der Kammer.
2. Beweismittel A58 und A59
2.1 Die Einsprechende 2 hat die Beweismittel A58 und A59 mit ihrer Beschwerdeerwiderung eingereicht. Am Anfang der mündlichen Verhandlung beantragte die Patentinhaberin die Nichtzulassung dieser Beweismittel.
2.2 Die Kammer merkte allerdings an, dass A58 und A59 von der Einsprechenden 2 in Reaktion auf die Einreichung von A49 bis A57 eingereicht wurden. Da A49 bis A57 zugelassen wurden, sah die Kammer keinen Grund A58 und A59 nicht zuzulassen. Diese Sicht der Kammer wurde von der Patentinhaberin während der mündlichen Verhandlung nicht bestritten.
2.3 Daher hat die Kammer entschieden, auch die Beweismittel A58 und A59 zum Verfahren zuzulassen.
Hauptantrag - Anspruch 1 - Neuheit gemäß Artikel 54 EPÜ
3. Anspruch 1 gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrag ist mit dem erteilten Anspruch 1 (Punkt II oben) identisch.
3.1 Im Einklang mit der angefochtenen Entscheidung (Seiten 10 bis 11, Ziffer 4.3) haben die Einsprechenden das Dokument D15, insbesondere die in der Tabelle 1 auf Seite 11 offenbarten Zusammensetzungen A und B, als neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag angesehen.
3.2 Es ist unbestritten, dass D15 Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) EPÜ darstellt.
3.3 D15 offenbart in der Tabelle 1 auf Seite 11 zwei beispielhafte wässrige Formulierungen A und B. Beide Formulierungen umfassen unter anderem:
a) Titandioxid (Pigment, entsprechend der Komponenten a) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags),
b) ein Netzmittel (entsprechend der Komponenten b) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags),
c) einen Entschäumer, und
d) Kaliummethylsilikonat (entsprechend der Komponenten d) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags)
Zudem weisen Formulierungen A und B einen pH-Wert von 11.3 bzw. 11.4 auf, wie vom Anspruch 1 des Hauptantrags gefordert wird.
Diese Formulierungen A und B sind die einzigen konkreten Dispersionsfarben gemäß der Lehre der D15, die in der D15 offenbart sind.
Laut Seite 9, Zeilen 20 und 21 der D15 sind Beispiele für Entschäumer unter anderem Polyglykole. Es ist unbestritten, dass Polyglykole den in Anspruch 1 des Hauptantrags als Komponente c) genannten Polyalkylenglykolen entsprechen.
4. Die Patentinhaberin führte aus, dass Tabelle 1 der D15 eine Dispersionsfarbe offenbare, also ein bereits abgetöntes System, und somit keine wässrige Zusammensetzung für ein Abtönsystem wie von Anspruch 1 des Hauptantrags gefordert.
4.1 Außerdem nenne Tabelle 1 der D15 weder Feuchthaltemittel noch Wachs. Insbesondere seien Feuchthaltemittel in der gesamten Offenbarung der D15 nicht erwähnt. Als Entschäumer offenbare D15 auf Seite 9 Polyglykole, Triglyceride, Polysiloxan-Polyether-Copolymere und Silikonöle. Es sei der Fachperson bekannt, dass Entschäumer an Oberflächen befindliche Schaumblasen beseitigen oder die Entstehung von Schaum unterbinden. Dies werde von D42 und A49 bestätigt. Die Fachperson weise Entschäumern demgemäß tensidähnliche Eigenschaften zu, wie auch durch die Dokumente D39 und D40 belegt werde.
4.2 Die Patentinhaberin brachte ferner vor, dass gemäß A50 Tenside Substanzen seien, die die Oberflächenspannung einer Flüssigkeit oder die Grenzflächenspannung zwischen zwei Phasen herabsetzen und die Bildung von Dispersionen ermöglichen oder unterstützen bzw. als Lösungsvermittler wirken würden. Polyglykole seien hingegen wasserlöslich, siehe D41, A51 und A52.
4.3 Nach Ansicht der Patentinhaberin würde die Fachperson daher aus der in D15 offenbarten Liste von als Entschäumer genannten Substanzen unmittelbar und eindeutig nur die amphiphilen Substanzen Triglyceride, Polysiloxan-Polyethercopolymere und Silikonöle für die Dispersionsfarben der Tabelle 1 auswählen und nicht Polyglykole. Diese amphiphilen Substanzen zeichneten sich gerade nicht durch ihre Wasserlöslichkeit aus. Die Fachperson würde unmittelbar und eindeutig erkennen, dass die Erwähnung von Polyglykolen in der Liste der Entschäumer gemäß D15 fehlerhaft sei.
4.4 Die Patentinhaberin führte zudem aus, dass, sollte die Fachperson überhaupt Polyglykole als Entschäumer für die Dispersionsfarben der Tabelle 1 in Erwägung ziehen, jegliche Offenbarung in der D15 fehle, die der Fachperson erlauben würde, Polyglykole zu identifizieren, die gleichzeitig sowohl als Entschäumer als auch als Feuchthaltemittel wirken würden. D15 sei in diesem Fall nicht ausführbar.
Damit solche Polyglykole identifiziert werden könnten, seien vielfältige Überlegungen vorzuschalten, die gegen eine unmittelbare und eindeutige Vorwegnahme sprächen, und die in den Bereich der Überlegungen zum Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit hineinführen würden. Zum Beispiel könnten in D15 mit dem Begriff Polyglykole modifizierte Polyglykole oder höhermolekulare Polyglykole gemeint sein. Die Fachperson würde somit nicht auf Polyglykole als Entschäumer zurückgreifen, geschweige denn in dem Wissen, hiermit sogleich auch ein Feuchthaltemittel in die Zusammensetzung einzutragen.
4.5 Die Patentinhaberin brachte ferner vor, dass das Beweismittel A53, das auf die Einsprechende 2 zurückgeht, bestätige, dass auch die Einsprechende 2 der Meinung sei, dass die Fachperson Polyglykole zwar unter Feuchthaltemitteln, nicht aber unter Entschäumern subsumiere. Dieses Argument werde auch von A54 bis A57 unterstützt.
4.6 Außerdem sei D15 schon aus dem Grund für einen Neuheitseinwand ungeeignet, dass die Fachperson eine Mehrfachauswahl ausgehend von dem Ausführungsbeispiel einer Dispersionsfarbe gemäß Tabelle 1 zu treffen habe, weil diese vier generische Substanzen nenne, die eine Konkretisierung benötigten. Die Neuheit sei somit gegeben.
5. Die Kammer erachtet diese Argumente aus den folgenden Gründen als nicht überzeugend.
5.1 Es ist unbestritten, dass die Dispersionsfarben gemäß Tabelle 1 der D15 wässrig sind, mindestens die Komponenten a), b) und d) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags umfassen und einen pH-Wert größer 9.0 aufweisen, wie von Anspruch 1 des Hauptantrags gefordert wird.
5.2 Die Dispersionsfarben gemäß Tabelle 1 der D15 enthalten ferner einen Entschäumer. Dieser ist zwar in Tabelle 1 nicht näher spezifiziert, auf Seite 9, Zeilen 20 und 21 offenbart D15 jedoch vier Substanzklassen, die Beispiele für Entschäumer im Sinne der Lehre der D15 darstellen, unter anderem Polyglykole.
5.3 Dieser Offenbarung entnimmt die Fachperson unmittelbar und eindeutig, dass die Dispersionsfarben gemäß Tabelle 1 der D15 jede zu diesen Substanzklassen gehörende Substanz als Entschäumer enthalten können, unter anderem Polyglykole.
5.4 Wie oben ausgeführt sind Polyglykole als Synonym zu Polyalkylenglykolen anzusehen. Polyalkylenglykole sind die einzigen konkreten Substanzen, die in Anspruch 1 des Hauptantrags als Beispiel für Komponente c) (Feuchthaltemittel) genannt sind.
5.5 Im Lichte der oben genannten Offenbarung in D15 genügt es somit, wie von den Einsprechenden ausgeführt, eine einzige Auswahl aus der Liste der in D15 offenbarten Entschäumer zu treffen, um zu einer anspruchsgemäßen Komponente c) und damit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag zu gelangen. Eine Auswahl aus einer einzigen Liste von Verbindungen kann keine Neuheit begründen.
5.6 Diesbezüglich fordert Anspruch 1 des Hauptantrags, wie von den Einsprechenden ausgeführt, keine spezifischen Polyalkylenglykole in der beanspruchten Zusammensetzung einzusetzen, sondern Polyalkylenglykole im Allgemeinen so wie auch in D15 offenbart. Das gleiche gilt für die gesamte Offenbarung des Streitpatents (siehe Absätze [0010] und [0030]). Somit steht das Streitpatent der Aussage der Patentinhaberin entgegen, dass nur bestimmte Polyalkylenglykole als Feuchthaltemittel fungieren. Das darauf basierende Argument der Patentinhaberin, dass die in D15 bestimmte Polyglykole als Entschäumer auswählende Fachperson nicht unbedingt zu einem Feuchthaltemittel gelangt wäre, kann daher nicht durchgreifen.
5.7 Da die Dispersionsfarben gemäß Tabelle 1 der D15 i.V.m. der oben genannten Einfachauswahl aus der Offenbarung von Polyglykolen als Entschäumer auf Seite 9, Zeilen 20 und 21 somit sämtliche Komponenten der in Anspruch 1 des Hauptantrags definierten Zusammensetzung umfassen, ist kein Grund ersichtlich, warum die Dispersionsfarben der D15 nicht für ein Abtönsystem geeignet sein sollten.
5.8 Die Tatsache, dass die von der Patentinhaberin zitierten Dokumente A53 bis A57 Polyalkylenglykole nicht unter Entschäumern subsumieren, ist im Lichte der oben genannten unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung in D15 von Polyglykolen als Entschäumern unerheblich. Zudem stimmt die Kammer den Einsprechenden zu, dass, selbst wenn eine gewisse Substanz (hier Polyalkylenglykole) in der Aufzählung der Entschäumer gemäß A53 bis A57 nicht genannt ist, dies nicht bedeutet, dass diese Substanz für eine bestimmte Verwendung nicht geeignet ist, oder für einen bestimmten Verwendungszweck nicht eingesetzt wird.
5.9 In der Tat bestätigen beide Beweismittel A58 (Seite 3567, rechte Spalte) und A59 (Seite 4017, linke Spalte), dass Polyalkylenglykole, insbesondere Polypropylenglykole, auch als Entschäumer verwendet werden. Somit ist kein Grund ersichtlich, warum die Fachperson die Erwähnung von Polyalkylenglykolen in der Liste der Entschäumer auf Seite 9 der D15 als fehlerhaft bewerten würde.
5.10 Auch die Tatsache, dass einige Komponenten der Dispersionsfarben gemäß Tabelle 1 der D15 generisch definiert sind, ist unerheblich, da wie oben ausgeführt sämtliche Komponenten a) bis d) der in Anspruch 1 des Hauptantrags definierten Zusammensetzung in Tabelle 1 der D15 offenbart sind.
5.11 Aus den oben genannten Gründen ist die Kammer zum Schluss gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gegenüber der Offenbarung in D15 nicht neu ist (Artikel 54 (3) EPÜ). Der Hauptantrag ist somit nicht gewährbar.
Hilfsanträge 1 bis 9 - Anspruch 1 - Neuheit gemäß Artikel 54 EPÜ
6. Die Kammer stimmt den Einsprechenden zu, dass, wie auch von der Einspruchsabteilung festgestellt (angefochtene Entscheidung, Seite 11, Ziffer 5.1), sämtliche in den Anspruch 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 9 eingeführten Merkmale aus D15 bekannt sind.
6.1 So offenbart D15 (siehe oben), dass die in Tabelle 1 angegebenen Formulierungen A und B
- frei von Konservierungsmitteln sind (in Anspruch gemäß den Hilfsanträgen 1, 3, 5, 7 und 9 hinzugefügtes Merkmal),
- Polyalkylenglykole enthalten (Hilfsanträge 1 bis 9, analog zum Hauptantrag),
- einen pH-Wert im Bereich von 10,0 bis 12,0 aufweisen (in Hilfsanträgen 4 bis 9 wurde der pH Wert auf 10,0 bis 12,0 beschränkt),
- ein Alkylsilikonat (Kaliummethylsilikonat) umfassen (in den Hilfsanträge 8 und 9 wurde Komponente d) auf wasserlösliche Alkylsilikonate eingeschränkt).
6.2 Die Kammer ist daher zum Schluss gekommen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 9 gegenüber der Offenbarung in D15 nicht neu ist (Artikel 54 (3) EPÜ). Hilfsanträge 1 bis 9 sind daher nicht gewährbar.
Hilfsanträge 10 bis 32 - Einteilung
7. Hilfsanträge 10 bis 32 können hinsichtlich des Gegenstandes des jeweiligen Anspruchs 1 in drei Hauptgruppen eingeteilt werden:
a) Hilfsanträge 10, 11, 13, 15 bis 20 und 30 bis 32, deren Anspruch 1 auf eine "Farbtonzusammensetzung" gerichtet ist;
b) Hilfsanträge 12 und 21 bis 25, deren Anspruch 1 auf ein "Kit-of-parts-Abtönsystem" gerichtet ist, und
c) Hilfsanträge 14 und 26 bis 29, deren Anspruch 1 auf ein "Abgetöntes Anstrich- oder Putzsystem" gerichtet ist.
7.1 Zudem kann die obige Gruppe a) im Lichte der im jeweiligen Anspruch 1 durchgeführten Änderungen in drei unterschiedliche in sich konvergierende Untergruppen a1) bis a3) unterteilt werden:
a1) Hilfsanträge 10, 11, 15 bis 17 und 30 bis 32, wobei Anspruch 1 des Hilfsantrags 32 den eingeschränktesten Gegenstand definiert,
a2) Hilfsanträge 18 und 19, wobei Anspruch 1 des Hilfsantrags 19 den eingeschränktesten Gegenstand definiert, und
a3) Hilfsanträge 13 und 20, wobei Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 den eingeschränktesten Gegenstand definiert
7.2 Innerhalb der Gruppe b) definiert Anspruch 1 des Hilfsantrags 25 den eingeschränktesten Gegenstand.
7.3 Innerhalb der Gruppe c) definiert Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 den eingeschränktesten Gegenstand.
Antrag der Patentinhaberin auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung - Artikel 111 (1) EPÜ und Artikel 11 VOBK
8. Im Laufe der mündlichen Verhandlung beantragte die Patentinhaberin die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 12 bis 14. Die Einsprechenden sprachen sich gegen eine Zurückverweisung aus.
8.1 In Bezug auf den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 12 und 14 führte die Patentinhaberin aus, dass aus den von den Einsprechenden gegen die erfinderische Tätigkeit zitierten Dokumenten D3 und D1 weder ein Kit-of-parts-Abtönsystem noch ein abgetöntes Anstrich- oder Putzsystem bekannt sei. Der beanspruchte Gegenstand sei somit viel komplexer geworden, so dass die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung gerechtfertigt sei, damit ein solcher Gegenstand von zwei Instanzen geprüft werden könne. Das gleiche gelte für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 13, der im Vergleich zu dem von der Einspruchsabteilung geprüften Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 10 stark eingeschränkt worden sei.
8.2 Gemäß Artikel 111 (1) EPÜ wird die Kammer entweder im Rahmen der Zuständigkeit der Einspruchsabteilung tätig oder verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurück. Gemäß Artikel 11 VOBK verweist die Kammer die Angelegenheit nur dann zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurück, wenn besondere Gründe dafür sprechen.
8.3 Im vorliegenden Fall haben alle Beteiligten im Beschwerdeverfahren vollständige Ausführungen hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit gemacht, insbesondere hinsichtlich des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 10, dessen Gegenstand von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung ebenfalls bezüglich der erfinderischen Tätigkeit abgehandelt wurde.
8.4 Im Rahmen der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 der jeweiligen Hilfsanträge 12 bis 14 (siehe unten) hat sich in der mündlichen Verhandlung ergeben, dass keine wesentliche Änderung der Sachlage, insbesondere hinsichtlich der Bestimmung des nächstliegenden Standes der Technik, im Vergleich zum Anspruch 1 des von der Einspruchsabteilung abgehandelten Hilfsantrags 10 erforderlich war.
8.5 Die Kammer hat daher zu keinem Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung besondere Gründe erkannt, die für die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung gesprochen hätten.
8.6 Daher hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens unter Artikel 111 (1) EPÜ den Antrag der Patentinhaberin auf Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 12 bis 14 zurückgewiesen.
Hilfsanträge 10 bis 32 - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ
Hilfsanträge der Untergruppe a1)
9. Wie oben ausgeführt, definiert Anspruch 1 des Hilfsantrags 32 den eingeschränktesten Gegenstand innerhalb der der Untergruppe a1) angehörenden Hilfsanträge 10, 11, 15 bis 17, 30 bis 32.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 32 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (identisch mit dem erteilten Anspruch 1, siehe Punkt II oben) dadurch, dass
- er auf eine "wässrige Farbtonzusammensetzung oder Extenderzusammensetzung, für ein Abtönsystem" gerichtet ist,
- die Zusammensetzung "frei von organischen bioziden Konservierungsmitteln" ist,
- die Komponente b) dahingehend eingeschränkt wurde, dass sie lautet: "ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Polyetherphosphaten",
- die Komponente c) auf mindestens ein Feuchthaltemittel, insbesondere Polyalkylenglykole eingeschränkt wurde (das Merkmal "und/oder mindestens einem Wachs, insbesondere zugegeben in Form einer wässrigen Wachsemulsion" wurde gestrichen),
- die Komponente d) dahingehend eingeschränkt wurde, dass sie lautet: "mindestens einem wasserlöslichen Alkylsilikonat, insbesondere Kaliummethylsilikonat",
- der aufzuweisende oder einzustellende pH Wert auf einen Wert "im Bereich von 10,0 bis 12,0" eingeschränkt wurde.
10. Der nächstliegende Stand der Technik
10.1 Im Einklang mit der angefochtenen Entscheidung (Seite 16, Ziffer 6.5) waren alle Beteiligten darüber einig, dass D3 als der nächstliegende Stand der Technik angesehen werden kann.
10.2 D3 (Seite 13, Beispiele 1 bis 3) offenbart wässrige Pigmentpräparationen, die unter anderem
- ein Pigment,
- ein Dispergiermittel,
- Polyethylenglykol,
- einen Entschäumer, und
- ein Konservierungsmittel
enthalten.
11. Die Unterscheidungsmerkmale
11.1 Die Patentinhaberin identifizierte folgende Unterscheidungsmerkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 32 gegenüber der obigen Offenbarung in D3:
- die Zusammensetzung ist frei von organischen bioziden Konservierungsmitteln
- das Dispergiermittel ist aus der Gruppe bestehend aus Polyetherphosphaten ausgewählt
- die Zusammensetzung enthält mindestens ein wasserlösliches Alkylsilikonat, insbesondere Kaliummethylsilikonat
- der pH-Wert liegt im Bereich von 10 bis 12.
11.2 Die Einsprechenden bestritten, dass das in Anspruch 1 definierte Dispergiermittel ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber der obigen Offenbarung in D3 darstellt.
11.3 Die Kammer merkt allerdings an, dass die in den Beispielen 1 bis 3 der D3 eingesetzten Dispergiermittel keine Polyetherphosphate sind. Komponente b) des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 32 stellt somit ein Unterscheidungsmerkmal dar. Es liegen folglich die oben angegebenen von der Patentinhaberin vorgebrachten vier Unterscheidungsmerkmale vor.
12. Die objektive technische Aufgabe
12.1 Hinsichtlich der Definition der objektiven technischen Aufgabe verwies die Patentinhaberin auf Absätze [0009] und [0061] des Streitpatents (2. Absatz auf Seite 2 und 2. Absatz auf Seite 18 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung) sowie auf D43 bis D45. In der in D43 gezeigten Tabelle entspreche die Probe V01 einer anspruchsgemäßen Zusammensetzung und Probe V02 einer Zusammensetzung gemäß der Lehre der D3. Die in D44 und D45 wiedergegebenen Ergebnisse zeigten, dass nach fünf Infektionen mit Schimmelkeimen und einer anschließenden zweiwöchigen Lagerung die Probe V02 vollständig infiziert, die Probe V01 hingegen annähernd keimfrei gewesen sei. Die Patentinhaberin führte ferner aus, dass D3 keine Schimmelresistenz der offenbarten Zusammensetzungen erwähne. Sie war somit der Ansicht, dass die aus den oben erwähnten Unterscheidungsmerkmalen abzuleitende objektive technische Aufgabe sei, im Wesentlichen konservierungsmittelfreie Abtönmassen verfügbar zu machen, die trotz Konservierungsmittelfreiheit keine Gefahr der Schimmelbildung über einen längeren Zeitraum mit sich bringen.
12.2 Die Kammer merkt allerdings an, dass, wie von den Einsprechenden ausgeführt, Probe V02 gemäß D43 bis D45 keine Konservierungsmittel enthält und somit entgegen der Argumentation der Patentinhaberin nicht der Lehre der Beispiele 1 bis 3 der D3 (siehe oben) entspricht. Diesbezüglich stimmt die Kammer den Einsprechenden darin zu, dass es zum allgemeinen Fachwissen gehört, dass Konservierungsmittel eingesetzt werden, um Schimmelbildung zu vermeiden. Diese Ansicht der Einsprechenden wurde in der mündlichen Verhandlung von der Patentinhaberin auch nicht bestritten. Somit ist davon auszugehen, dass auch die Konservierungsmittel aufweisenden Beispiele 1 bis 3 der D3 eine gewisse Schimmelresistenz aufweisen. Entgegen der Auffassung der Patentinhaberin ist daher aus dem Vergleich zwischen den Proben V01 und V02 keine technische Wirkung der oben genannten Unterscheidungsmerkmale gegenüber der Offenbarung in der D3 ableitbar.
12.3 Dies bedeutet jedoch zugunsten der Patentinhaberin nicht, dass die objektive technische Aufgabe lediglich in der Bereitstellung einer alternativen Zusammensetzung zu sehen ist. Im Gegenteil wurde die Tatsache, dass die anspruchsgemäße Zusammensetzung eine gewisse Schimmelresistenz und Lagerstabilität aufweist, von den Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten. Daher sieht die Kammer die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung einer alternativen Zusammensetzung mit einer gewissen Schimmelresistenz und Lagerstabilität.
13. Naheliegen der beanspruchten Lösung
13.1 Die Patentinhaberin vertrat die Auffassung, dass die Fachperson D3 nicht mit dem von den Einsprechenden als Sekundärdokument angeführten D1 kombiniert hätte. Die Aufgabestellungen dieser Offenbarungen würden völlig auseinander fallen, so dass die Lehren dieser Dokumente inkompatibel seien. Während Dokument D1 konkret auf Dispersionsfarben auf der Basis von Silikonaten für den Innen- und Außenbereich abstelle, gehe es in D3 ganz allgemein um die Auffindung eines Dispergiermittels für wässrige Pigmentpräparationen und ihre Verwendung zum Färben von makromolekularen Materialien aller Art.
13.2 Nach Auffassung der Patentinhaberin wäre, selbst wenn die Fachperson D3 mit D1 kombiniert hätte, sie nicht zum beanspruchten Gegenstand gelangt. Der Umstand, dass D1 erwähne, dass die darin genannten Dispersionsfarben sich durch eine gute Lagerstabilität auszeichneten, hätte der Fachperson keinerlei Hilfestellung zur Lösung der genannten technischen Aufgabe geliefert. Lagerstabilität bei Dispersionsfarben bedeute regelmäßig die Beibehaltung der eingestellten Viskosität, das Unterbleiben von Ausflockungen sowie das Verhindern von Phasentrennungen, nicht jedoch eine Schimmelresistenz. Dies werde von D3 selbst bestätigt, siehe Absatz [0006]. Die Resistenz gegenüber Befall mit Schimmel werde in D1 an keiner Stelle adressiert. D1 schlage vor, für Anwendungen im Außenbereich biozide Stoffe wie Algizide und Fungizide vorzusehen. Die beanspruchte Lösung der genannten technischen Aufgabe sei somit durch D1 nicht nahegelegt.
13.3 Diese Argumente überzeugen die Kammer aus den folgenden Gründen nicht.
13.3.1 D3 lehrt im von den Einsprechenden herangezogenen Absatz [0033], dass sich die offenbarten Pigmentpräparationen zur Pigmentierung bzw. Herstellung von Anstrich- und Dispersionsfarben eignen. Wie oben ausgeführt, betrifft auch die Lehre der D1 die Herstellung von Dispersionsfarben. Selbst wenn D3 und D1 andere Aufgabestellungen haben, wie von der Patentinhaberin ausgeführt, kann daher kein Grund gesehen werden, warum die Fachperson D1 nicht herangezogen hätte, um die oben genannte auf der Grundlage der D3 als nächstliegendem Stand der Technik definierte objektive technische Aufgabe zu lösen.
13.3.2 Wie von den Einsprechenden ausgeführt, offenbart das Dokument D1 (Absätze [0001] und [0004] bis [0006]) Dispersionsfarben auf der Basis von Silikonaten, wobei der Einsatz von Kaliummethylsilikonat (Komponente d) gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 32) besonders bevorzugt ist. Nach der Lehre der D1 benötigen die offenbarten Dispersionsfarben keinerlei Konservierungsmittel, d.h. auch keine organischen bioziden Konservierungsmittel, wie vom Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 32 gefordert. Trotz dieser Konservierungsmittelfreiheit lehrt D1 (loc. cit.), dass die offenbarten Dispersionsfarben "eine ausgezeichnete Lagerstabilität von deutlich über 6 Monaten" zeigen, "selbst wenn der Siliconatzusatz im unteren Bereich liegt".
13.3.3 Die Lagerstabilität wird somit in D1 auf den Zusatz der Alkylsilikonate zurückgeführt. Die Kammer folgt dem Argument der Einsprechenden, dass eine ausgezeichnete Lagerstabilität in Abwesenheit jeglicher Konservierungsmittel, wie von D1 offenbart, nur bedeuten kann, dass die Dispersionsfarbe eine Schimmelresistenz aufweist. Insbesondere wäre eine nach einer gewissen Lagerung mit Schimmel befallene Dispersionsfarbe nicht mehr anwendbar und somit nicht lagerstabil.
13.3.4 Zusätzlich offenbart D1 (loc. cit.), dass durch das Alkylsilikonat der pH-Wert der Dispersionsfarben im Bereich von 8 bis 12, bevorzugt von 9 bis 11 liegt, d.h. in einem Bereich, der mit dem beanspruchten Bereich (10 bis 12) weit überlappt.
13.3.5 Somit bekommt die Fachperson durch D1 den Hinweis, dass die in D3 vorzugsweise verwendeten Konservierungsmittel durch Alkylsilikonate ersetzt werden können, und dass der pH-Wert der Zusammensetzung auf einen Bereich von 9 bis 11 eingestellt werden kann, um zu alternativen, nämlich konservierungsmittelfreien, lagerstabilen und damit schimmelresistenten Zusammensetzungen zu gelangen.
13.3.6 Die von der Patentinhaberin erwähnte Tatsache, dass D1 für spezielle Anwendungen (zum Beispiel Verwendung der Dispersionsfarbe im Außenbereich) den Zusatz von bioziden Stoffen in Betracht zieht (Absatz [0005]), hat im Lichte der oben genannten eindeutigen Lehre der D1 hinsichtlich konservierungsmittelfreier Dispersionsfarben keinen Einfluss auf diese Schlussfolgerung der Kammer.
13.3.7 Was den Einsatz von Polyetherphosphaten (Komponente b) gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 32) als Dispergiermittel anbelangt, folgt die Kammer dem Argument der Einsprechenden, gemäß dem D3 unter anderem in den Absätzen [0008] und [0025] offenbart, dass die in den Pigmentpräparationen einzusetzenden Dispergiermittel Polyether sind (siehe Formel I in Absatz [0008] der D3), die dahingehend modifiziert werden können, dass sie Phosphorgruppen enthalten. Der Einsatz von Polyetherphosphaten als Dispergiermitteln ist somit durch D3 selber nahegelegt.
13.3.8 Aus diesen Gründen ist die Kammer zum Schluss gelangt, dass ausgehend von D3 der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 32 durch D1 nahegelegt ist, und somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Der Hilfsantrag 32 ist daher nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
14. Wie oben ausgeführt, enthält Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 32 alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß sämtlicher Hilfsanträge 10, 11, 15 bis 17, 30 und 31.
14.1 Hieraus folgt, dass die obigen Erwägungen der Kammer hinsichtlich des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 32 mutatis mutandis auch für den Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß sämtlicher Hilfsanträge 10, 11, 15 bis 17, 30 und 31 zutreffen.
14.2 Daher ist keiner der Hilfsanträge 10, 11, 15 bis 17, 30 und 31 gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
Hilfsanträge der Untergruppe a2)
15. Wie oben ausgeführt, definiert Anspruch 1 des Hilfsantrags 19 den eingeschränktesten Gegenstand innerhalb der der Untergruppe a2) angehörenden Hilfsanträge 18 und 19.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 19 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (identisch mit dem erteilten Anspruch 1, siehe Punkt II oben) dadurch, dass
- er auf eine "wässrige Farbtonzusammensetzung oder Extenderzusammensetzung, für ein Abtönsystem" gerichtet ist,
- die Zusammensetzung "im Wesentlichen frei von Konservierungsmitteln" ist,
- die Komponente c) auf mindestens ein Feuchthaltemittel, insbesondere Polyalkylenglykole eingeschränkt wurde (das Merkmal "und/oder mindestens einem Wachs, insbesondere zugegeben in Form einer wässrigen Wachsemulsion" wurde gestrichen),
- die Komponente d) dahingehend eingeschränkt wurde, dass sie lautet: "mindestens einem wasserlöslichen Alkylsilikonat, insbesondere Kaliummethylsilikonat",
- die Komponente e) nicht mehr fakultativ ist, und lautet: "mindestens einem Verdicker und mindestens einem Entschäumer als erste Additive",
- der aufzuweisende oder einzustellende pH Wert auf einen Wert "im Bereich von 10,0 bis 12,0" eingeschränkt wurde.
15.1 Das Dokument D3 wurde nach wie vor von allen Beteiligten als der nächstliegende Stand der Technik angesehen.
15.2 Im Lichte der Offenbarung in den Beispielen 1 bis 3 der D3 (siehe oben) unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 19 von D3 dadurch, dass
- die Zusammensetzung im Wesentlichen frei von Konservierungsmitteln ist
- die Zusammensetzung mindestens ein wasserlösliches Alkylsilikonat, insbesondere Kaliummethylsilikonat enthält
- die Zusammensetzung mindestens einen Verdicker enthält
- der pH-Wert im Bereich von 10 bis 12 liegt.
15.3 Die Patentinhaberin führte aus, dass der Einsatz von Verdickern und Entschäumern (Komponente e) gemäß Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 19) den Anwendungsbereich der beanspruchten Farbtonzusammensetzungen erweitere. Diese Ausführung wurde von den Einsprechenden nicht bestritten. Ansonsten machte die Patentinhaberin basierend auf den in D43 bis D45 gezeigten Ergebnissen die gleiche Formulierung der objektiven technischen Aufgabe wie für Anspruch 1 des Hilfsantrags 32 (siehe oben) geltend.
15.4 Wie oben in Bezug auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags 32 ausgeführt, ist jedoch von D43 bis D45 keine technische Wirkung der beanspruchten Zusammensetzung über die Offenbarung in D3 hinaus ableitbar. Außerdem offenbart D3 (siehe zum Beispiel Absätze [0033] und [0034]), dass die offenbarten Pigmentpräparationen in einer Vielzahl von Anwendungen einsetzbar sind.
15.5 Hieraus folgt, dass die objektive technische Aufgabe darin liegt, eine alternative Zusammensetzung mit einer gewissen Schimmelresistenz und Lagerstabilität für eine Vielzahl von Anwendungen bereitzustellen.
15.6 Was die Unterscheidungsmerkmale der Konservierungsmittelfreiheit, des Einsatzes von Alkylsilikonaten, insbesondere Kaliummethylsilikonat, und des beanspruchten pH-Werts anbelangt, gelten die obigen Erwägungen der Kammer hinsichtlich des Hilfsantrags 32 mutatis mutandis. Diese Unterscheidungsmerkmale begründen daher keine erfinderische Tätigkeit.
15.7 In Bezug auf den Einsatz eines Verdickers (Komponente e) gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 19) folgt die Kammer dem Argument der Einsprechenden, gemäß dem D3 in Absatz [0027] offenbart, dass die beschriebenen Pigmentpräparationen unter anderem Cellulosederivate als Zusatzstoffe aufweisen können. Die Tatsache, dass Cellulosederivate Verdicker im Sinne des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 19 sind, wurde von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten. Der Einsatz von mindestens einem Verdicker ist somit durch D3 selber nahegelegt.
15.8 Im Lichte der oben diskutierten Absätze [0033] und [0034] würde die Fachperson davon ausgehen, dass auch die so erhaltenen alternativen Zusammensetzungen für eine Vielzahl von Anwendungen geeignet sind.
15.9 Aus diesen Gründen ist die Kammer zum Schluss gelangt, dass es dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 19 an einer erfinderischen Tätigkeit mangelt. Der Hilfsantrag 19 ist daher nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
15.10 Wie oben ausgeführt, enthält Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 19 alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 18. Daher mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 18 auch an einer erfinderischen Tätigkeit. Der Hilfsantrag 18 ist daher nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
Hilfsanträge der Untergruppe a3)
16. Wie oben ausgeführt, definiert Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 den eingeschränktesten Gegenstand innerhalb der der Untergruppe a3) angehörenden Hilfsanträge 13 und 20.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 unterscheidet sich vom Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (identisch mit dem erteilten Anspruch 1, siehe Punkt II oben) dadurch, dass
- er auf eine "wässrige Farbtonzusammensetzung oder Extenderzusammensetzung, für ein Abtönsystem" gerichtet ist,
- die Zusammensetzung "im Wesentlichen frei von Konservierungsmitteln" ist,
- die Menge der Komponenten a) "2 bis 80 Gew.-%" beträgt,
- die Menge der Komponenten b) "0,2 bis 20 Gew.-%" beträgt,
- die Komponente c) auf mindestens ein Feuchthaltemittel, insbesondere Polyalkylenglykole eingeschränkt wurde (das Merkmal "und/oder mindestens einem Wachs, insbesondere zugegeben in Form einer wässrigen Wachsemulsion" wurde gestrichen),
- die Menge der Komponenten c) "0,1 bis 20 Gew.-%" beträgt,
- die Menge der Komponenten d) "0,01 bis 5,0 Gew.-%" beträgt,
- die Komponente e) nicht mehr fakultativ ist,
- die Menge der Komponenten e) "0,001 bis 5 Gew.-%" beträgt,
- der aufzuweisende oder einzustellende pH Wert auf einen Wert "im Bereich von 10,0 bis 12,0" eingeschränkt wurde.
Anspruch 1 spezifiziert zudem, dass "die Anteile der die Zusammensetzung bildenden Komponenten Feststoffanteile oder, sofern bei 20°C nicht als Feststoff vorliegend, die nicht-wässrigen Wirkstoffanteile darstellen und wobei die Menge an die Zusammensetzung bildenden Komponenten [sic] stets so gewählt ist, dass sich in der Summe 100,0 Gew.-% ergeben".
16.1 Das Dokument D3 wurde nach wie vor von allen Beteiligten als der nächstliegende Stand der Technik angesehen.
16.2 Die in den Beispielen 1 bis 3 der D3 (Seite 13) eingesetzten Mengen der Pigmente (Komponente a) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 13), Dispergiermittel (Komponente b) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 13), Polyethylenglykol (Komponente c) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 13) und Entschäumer (Komponente e) des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 13) fallen in die von Anspruch 1 des Hilfsantrags 13 geforderten Bereiche. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 13 unterscheidet sich daher von diesen Beispielen der D3 dadurch, dass
- die Zusammensetzung im Wesentlichen frei von Konservierungsmitteln ist
- die Zusammensetzung 0,01 bis 5.0 Gew.-% der Komponente d) (unter anderem ein wasserlösliches Alkylsilikonat, insbesondere Kaliummethylsilikonat) enthält
- der pH-Wert im Bereich von 10 bis 12 liegt.
16.3 Basierend auf den in D43 bis D45 gezeigten Ergebnissen, machte die Patentinhaberin die gleiche Formulierung der objektiven technischen Aufgabe wie für Anspruch 1 des Hilfsantrags 32 (siehe oben) geltend.
16.4 Wie oben in Bezug auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags 32 ausgeführt, ist jedoch aus D43 bis D45 keine technische Wirkung der beanspruchten Zusammensetzung über die Offenbarung in D3 hinaus ableitbar.
16.5 Hieraus folgt, dass, wie schon für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 32 ausgeführt, die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung einer alternativen Zusammensetzung mit einer gewissen Schimmelresistenz und Lagerstabilität liegt.
16.6 Wie von den Einsprechenden vorgebracht, offenbart das Dokument D1 (Absatz [0004]), dass der Anteil des eingesetzten Alkylsilikonats, insbesondere Kaliummethylsilikonats, zwischen 0,5 und 5% liegt, d.h. in einem Bereich, der in demjenigen des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 13 liegt. Was die Konservierungsmittelfreiheit und den beanspruchten pH-Wert anbelangt, gelten die obigen Erwägungen der Kammer hinsichtlich des Hilfsantrags 32 mutatis mutandis. Die oben genannten Unterscheidungsmerkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 13 begründen daher keine erfinderische Tätigkeit.
16.7 Aus diesen Gründen ist die Kammer zum Schluss gelangt, dass es dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 13 an einer erfinderischen Tätigkeit mangelt. Der Hilfsantrag 13 ist daher nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
16.8 Wie oben ausgeführt, enthält Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 13 alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 20. Daher mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 20 auch an einer erfinderischen Tätigkeit. Der Hilfsantrag 20 ist daher nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
Hilfsanträge der Gruppe b)
17. Wie oben ausgeführt, definiert Anspruch 1 des Hilfsantrags 25 den eingeschränktesten Gegenstand innerhalb der der Gruppe b) angehörenden Hilfsanträge 12 und 21 bis 25.
17.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 25 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (siehe oben) darin, dass er auf ein "Kit-of-parts-Abtönsystem für die Farbeinstellung von Anstrich- und Putzsystemen (auch erstes Abtönsystem genannt)" gerichtet ist. Gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 25 umfasst das beanspruchte Kit-of-parts-Abtönsystem anders als Anspruch 1 gemäß Hauptantrag
- "mindestens zwei wässrige Farbtonzusammensetzungen und/oder Extenderzusammensetzungen" und
- "mindestens eine, insbesondere genau eine, Abtönbasiszusammensetzung (auch erste Abtönbasiszusammensetzung genannt), bestehend aus oder enthaltend mindestens ein Bindemittel sowie gegebenenfalls mindestens ein Lösemittel und gegebenenfalls mindestens ein zweites Additiv, wobei die die [sic] Abtönbasiszusammensetzung eine wässrige Lasur, einen Wasserlack, eine lösemittelhaltige Lasur, einen Lösemittellack, eine Dispersionsfarbe, eine Kalkfarbe, eine Silikatfarbe, eine Silikonharzfarbe, eine Dispersionssilikatfarbe, einen Leichtputz, eine Bodenbeschichtung, einen Putz, insbesondere einen Silikonputz oder einen Silikatputz, darstellt oder die Grundrezeptur hierfür ist".
17.2 Die mindestens zwei wässrigen Farbtonzusammensetzungen gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 25 unterscheiden sich von der in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definierten Zusammensetzung (siehe oben) dadurch, dass
- die Zusammensetzungen "im Wesentlichen frei von Konservierungsmitteln" sind,
- die Komponente c) auf mindestens ein Feuchthaltemittel, insbesondere Polyalkylenglykole eingeschränkt wurde (das Merkmal "und/oder mindestens einem Wachs, insbesondere zugegeben in Form einer wässrigen Wachsemulsion" wurde gestrichen),
- der aufzuweisende oder einzustellende pH Wert auf einen Wert "im Bereich von 10,0 bis 12,0" eingeschränkt wurde.
Anders als Anspruch 1 gemäß Hauptantrag spezifiziert Anspruch 1 des Hilfsantrags 25 zudem, dass die mindestens zwei wässrigen Farbtonzusammensetzungen "Abtön- und/oder Aufhellpasten darstellen oder umfassen".
17.3 Das Dokument D3 wurde nach wie vor von allen Beteiligten als der nächstliegende Stand der Technik angesehen. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 25 unterscheidet sich von Beispielen 1 bis 3 der D3 (siehe oben) dadurch, dass
- ein Kit-of-parts-Abtönsystem vorhanden ist, welches
- zwei Farbtonzusammensetzungen und eine mindestens ein Bindemittel enthaltene Abtönbasiszusammensetzung umfasst, wobei jede Farbtonzusammensetzung
- "im Wesentlichen frei von Konservierungsmitteln" ist,
- als Komponente d) unter anderem ein wasserlösliches Alkylsilikonat, insbesondere Kaliummethylsilikonat, enthält,
- einen pH-Wert im Bereich von 10 bis 12 hat, und
- eine Abtön- und/oder Aufhellpaste darstellt oder umfasst.
17.4 Die Einsprechenden brachten unter anderem vor, dass die oben genannte Spezifizierung der beanspruchten Farbtonzusammensetzungen als "Abtön- und/oder Aufhellpasten" keine Einschränkung gegenüber der Offenbarung in D3 darstelle. Dies wurde von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten. Dieses Merkmal kann daher die erfinderische Tätigkeit nicht stützen.
17.5 Die Patentinhaberin führte aus, dass durch das Vorsehen der anspruchsgemäßen Farbtonzusammensetzungen als Teil eines Kit-of-parts-Abtönsystems die objektive technische Aufgabe gelöst werde, ein System zur Verfügung zu stellen, das in herkömmlichen point-of-sale Abtönanlagen eingesetzt wird, die Farben liefern, die ein geringeres Risiko aufweisen, mit Schimmel befallen zu werden. Die Patentinhaberin vertrat die Auffassung, dass weder D3 noch D1 point-of-sale Abtönanlagen offenbaren. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 25 sei somit nicht durch diese Dokumente nahegelegt.
17.6 Diese Argumente sind nicht überzeugend.
17.6.1 Hinsichtlich des geringeren Risikos für Schimmelbefall gelten die für den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 32 gemachten Ausführungen anlog. Daher sind die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 25 definierten wässrigen Farbtonzusammensetzungen selbst nicht erfinderisch gegenüber der Kombination des Dokuments D3 mit D1.
17.6.2 Hinsichtlich der Bereitstellung eines Kit-of-parts Systems, das in herkömmlichen point-of-sale Abtönanlagen eingesetzt werden kann, ist, wie von den Einsprechenden ausgeführt und von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung nicht bestritten wurde, zu berücksichtigen, dass solche Kit-of-parts Systeme für point-of-sale Abtönanlagen für die Herstellung von Farben der Fachperson vor dem maßgeblichen Zeitpunkt des Streitpatents bekannt waren. Somit kann auch das Vorsehen der in Anspruch 1 des Hilfsantrags 25 definierten Farbtonzusammensetzungen als Teil eines Kit-of-parts Systems nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen.
17.6.3 Ebenfalls wurde von der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung das Argument der Einsprechenden nicht bestritten, dass es zum maßgeblichen Zeitpunkt des Streitpatents allgemeines Fachwissen darstellte, zwei unterschiedliche Pigmentpräparationen zu vermischen, um spezifische Farbtöne zu erhalten. Als Beispiel wurde das Vermischen von rot und gelb erwähnt, um einen orangene Farbton herzustellen. Daher kann auch das Merkmal in Anspruch 1 des Hilfsantrags 25, dass mindestens zwei Farbtonzusammensetzungen vorliegen, die erfinderische Tätigkeit nicht stützen.
17.6.4 Wie ferner von den Einsprechenden vorgebracht und von der Patentinhaberin auch nicht bestritten wurde, gehörte es zudem zum allgemeinen Fachwissen, dass Bindemittel hinzuzufügen sind, damit Farben hergestellt werden können. Die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 25 geforderte Anwesenheit von mindestens einem Bindemittel ist daher trivial und leistet somit keinerlei erfinderischen Beitrag.
17.6.5 Aus diesen Gründen ist die Kammer zum Schluss gelangt, dass das in Anspruch 1 des Hilfsantrags 25 definierte Kit-of-parts-Abtönsystem im Lichte der D3 in Kombination mit der D1 und dem allgemeinen Fachwissen nicht erfinderisch ist.
17.7 Hieraus folgt, dass der Hilfsantrag 25 nicht gewährbar ist (Artikel 56 EPÜ).
17.8 Wie oben ausgeführt, enthält Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 25 alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 12 und 21 bis 24. Daher mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 12 und 21 bis 24 auch an einer erfinderischen Tätigkeit. Hilfsanträge 12 und 21 bis 24 sind daher nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
Hilfsanträge der Gruppe c)
18. Wie oben ausgeführt, definiert Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 den eingeschränktesten Gegenstand innerhalb der der Gruppe c) gehörenden Hilfsanträge 14 und 26 bis 29.
18.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 ist auf ein "Konservierungsmittelfreies abgetöntes Anstrich- oder Putzsystem" gerichtet. Gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 ist das beanspruchte Anstrich- oder Putzsystem aus einem Kit-of-parts-Abtönsystem erhalten oder erhältlich, wobei das Kit-of-parts-Abtönsystem wie in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 25 (siehe oben) definiert ist, und wobei die im Kit-of-parts-Abtönsystem enthaltenen mindestens zwei wässrigen Farbtonzusammensetzungen und die das Bindemittel enthaltene Abtönbasiszusammensetzung vermischt werden. Das beanspruchte Anstrich- oder Putzsystem weist zudem "einen VOC-Gehalt kleiner 10 g/Liter". Hier steht "VOC" für Volatile Organic Compounds, d.h. flüchtige organische Verbindungen.
18.2 Das Dokument D3 wurde nach wie vor von allen Beteiligten als den nächstliegenden Stand der Technik angesehen.
18.3 Die Argumente der Patentinhaberin waren die gleichen, die zur Unterstützung der erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags 25 vorgebracht wurden. Als einziges zusätzliches Argument führte die Patentinhaberin aus, dass ein VOC-Gehalt kleiner 10 g/Liter weder in D3 noch in D1 offenbart sei.
18.4 Die zur Stützung der erfinderischen Tätigkeit des Hilfsantrags 25 von der Patentinhaberin vorgebrachten Argumente sind aus den oben genannten Gründen nicht überzeugend. Das identisch in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 14 definierte Kit-of-parts-Abtönsystem, wobei die mindestens zwei wässrigen Farbtonzusammensetzungen mit der das Bindemittel enthaltenen Abtönbasiszusammensetzung vermischt wird, begründet daher keine erfinderische Tätigkeit.
18.5 Was den beanspruchten VOC-Gehalt anbelangt, stimmt die Kammer den Einsprechenden darin zu, dass die Fachperson zum maßgeblichen Zeitpunkt des Streitpatents aus gesundheitlichen und umweltbedingten Gründen immer bestrebt war, den VOC-Gehalt so klein wie möglich zu halten. Wie von den Einsprechenden ausgeführt, offenbart D3 selber in Absatz [0006], dass die beschriebenen Pigmentpräparationen wenig flüchtige Bestandteile enthalten sollen. Hierbei ist, wie von den Einsprechenden vorgebracht, die in Anspruch 1 des Hilfsantrags 14 genannte Grenze von 10 g/Liter mit keiner besonderen technischen Wirkung verbunden und somit als willkürlich anzusehen.
18.6 Die Kammer ist daher zum Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 14 im Lichte der D3 in Kombination mit der D1 und dem allgemeinen Fachwissen nicht erfinderisch ist. Hieraus folgt, dass der Hilfsantrag 14 nicht gewährbar ist (Artikel 56 EPÜ).
18.7 Wie oben ausgeführt, enthält Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 14 alle Merkmale des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 26 bis 29. Daher mangelt es dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß den Hilfsanträgen 26 bis 29 auch an einer erfinderischen Tätigkeit. Hilfsanträge 26 bis 29 sind daher nicht gewährbar (Artikel 56 EPÜ).
Schlussfolgerung
19. Keiner der von der Patentinhaberin vorgelegten Anträge ist gewährbar.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.