T 1980/22 06-11-2024
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BREMSBELAG FÜR EINE FESTSATTELBREMSE
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
Hilfsanträge 4 bis 6 - zugelassen (ja)
I. Die Einspruchsabteilung kam zu dem Ergebnis, dass Anspruch 1 wie erteilt die Anforderungen bezüglich Neuheit (Artikel 54 (2) EPÜ) und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) erfüllt, und wies den Einspruch zurück.
II. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Zurückweisung des Einspruchs ein und beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
III. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und damit die Aufrechterhaltung des Patents in erteilter Fassung (Hauptantrag), oder hilfsweise die Aufrechterhaltung eines Patents auf der Grundlage von Hilfsantrag 1 bis 6.
IV. Am 6. November 2024 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
V. Für die vorliegende Entscheidung sind die folgenden Beweismittel relevant:
E1 WO 2009/049930 A1
E7 WO 03/091595 A1
VI. Die unabhängigen Ansprüche haben folgenden Wortlaut:
a) Hauptantrag (Anspruch 1 wie erteilt, Merkmalsgliederung hinzugefügt):
1.1
"Bremsbelag für eine Festsattelbremse (1), umfassend
1.2
eine Rückenplatte (11) und eine Reibmasse (10), die auf einem Zentralabschnitt (12) der Rückenplatte (11) appliziert ist,
1.3
der Zentralabschnitt (12) einen, nach radial außen weisenden, Abschnitt mit einer Öffnung (40) zur Aufnahme vom Federelement (21), oder zur Aufnahme von einem Federschenkel, aufweist,
1.4
wobei die Rückenplatte (11) im Wesentlichen gegenüberliegende, und jeweils seitlich in Umfangsrichtung weisende, Schenkel (15,16) zur Abstützung von Umfangskräften an einem Gegenkörper aufweist,
1.5
jeder einlaufseitige Schenkel (15, 16) mit einer, nach radial außen offenen, Hakenform ausgebildet ist,
1.6
und wenigstens teilweise zur formschlüssigen Anlage am Gegenkörper dient,
1.7
die Hakenform ausgehend von dem Zentralabschnitt (12) zwei im Wesentlichen rechtwinklig zueinander angeordnete, aneinander anschließende, Schenkelabschnitte (42,43) aufweist,
1.8
und zumindest einer der Schenkelabschnitte (42,43) eine Dicke (t1) aufweist, die größer als eine Dicke (t2) von dem Zentralabschnitt (12) der Rückenplatte (11) vorgesehen ist."
b) Hilfsantrag 1:
Merkmal 1.1 wurde geändert von
"Bremsbelag für eine Festsattelbremse (1)" zu
1.1'
"Bremsbelag einer Festsattelbremse (1)".
c) Hilfsantrag 2:
Ausgehend von Hilfsantrag 1 wurden die Merkmale 1.9 und 1.10 in den Anspruch 1 aufgenommen, wonach
1.9
"jeder auslaufseitige Schenkel (15, 16) mit einer, nach radial außen offenen, Hakenform ausgebildet ist," und
1.10
"die Dicke (t1) zur Spannungsreduktion im Wesentlichen vollständig über eine Höhe (H) von dem Schenkelabschnitt (42) vorgesehen ist."
d) Hilfsantrag 3:
Ausgehend von Hilfsantrag 2 wurde das Merkmal 1.11 eingefügt, wonach
1.11
"zusätzlich eine gedrückte Abstützung der Rückenplatte (11) vorliegt, indem jede Rückenplatte (11) quasi-elastisch ausgebildet ist, und am jeweils auslaufseitigen Schenkel eine zusätzliche Anlagefläche (24, 25) aufweist, um einen zusätzlichen Angriffspunkt X2 zur Einleitung von Umfangskräften aufzuweisen."
e) Hilfsanträge 4-6:
In den Hilfsanträgen 4-6 wurde das Merkmal 1.1 geändert zu
1.1''
"Festsattelbremse (1) mit einem Bremsbelag, der Bremsbelag umfassend"
Die übrigen Merkmale der Hilfsanträge 4-6 entsprechen den Hilfsanträgen 1-3.
VII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags sowie der Hilfsanträge 1 bis 3 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Zulassung der Hilfsanträge 4-6
Die Hilfsanträge 4-6 seien zuzulassen. Es habe im Einspruchsverfahren noch keine Notwendigkeit gegeben sie einzureichen. Die Anträge stellten eine weitere Einschränkung des Anspruchsgegenstands dar.
VIII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags, sowie der Hilfsanträge 1 bis 3, beruhe ausgehend von E7 in Kombination mit E1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Zulassung der Hilfsanträge 4-6
Die Hilfsanträge 4-6 hätten bereits im Einspruchsverfahren vorgebracht werden sollen, da damals bereits alle Einwände vorlagen. Sie seien daher nicht zuzulassen.
1. Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
1.1 Die Beschwerdeführerin erhob den Einwand, der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, ausgehend von E7 in Kombination mit E1.
1.2 Dokument E7 offenbart folgende Merkmale
1.2.1 Merkmale 1.1' und 1.2
Die E7 (Figuren 8-10) zeigt einen Bremsbelag (9), umfassend eine Rückenplatte (Trägerplatte 5) und eine Reibmasse (Reibbelag 10), die auf einem Zentralabschnitt der Rückenplatte appliziert ist.
Die Formulierung "Bremsbelag einer Festsattelbremse" in Merkmal 1.1' bedeutet nicht mehr als eine Eignung des Bremsbelags für eine Festsattelbremse, so wie es auch im erteilten Anspruch 1 formuliert war.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte, diese Formulierung präzisiere die Eignung und Bestimmung des Bremsbelags im Sinne der Zuordnung zu einer Festsattelbremse. Insbesondere hätten Bremsbeläge von Festsattelbremsen eine weitgehend rechteckige Kontur wie sie in den Figuren der E5 gezeigt sei. Festsattelbremsen hätten einen grundsätzlich anderen Aufbau und eine anderes Anwendungsgebiet als Schwimmsattelbremsen. Der Fachmann würde am Bremsbelag erkennen, für welche Art von Bremse er geeignet sei. Insbesondere würde der Fachmann auch einen Bremsbelag gemäß dem Streitpatent nicht als einen für eine Festsattelbremse geeigneten Bremsbelag erkennen, da er nicht die übliche Kontur aufweise.
Selbst wenn man annimmt, dass die Konturen von Bremsbelägen für die verschiedenen Bremsentypen traditionell unterschiedlich geformt sind, hat die Beschwerdegegnerin jedoch nicht dargelegt, warum es nicht möglich sein sollte, den Bremsbelag der E7 in einer (entsprechend konstruierten) Festsattelbremse zu verwenden. Im Gegenteil sieht ja gerade das Streitpatent vor, einen Bremsbelag in einer Festsattelbremse zu verwenden, der nach Ansicht der Beschwerdegegnerin eine nur für eine Schwimmsattelbremse vorgesehene Kontur besitzt. Daraus ist zu schließen, dass auch der in der E7 gezeigte Bremsbelag für die Verwendung in einer Festsattelbremse geeignet sein muss.
Daher sind die Merkmale 1.1' und 1.2 in der E7 offenbart.
1.2.2 Merkmal 1.3
Gemäß Merkmal 1.3 weist der Zentralabschnitt einen, nach radial außen weisenden, Abschnitt mit einer Öffnung zur Aufnahme vom Federelement, oder zur Aufnahme von einem Federschenkel, auf.
Der Zentralabschnitt des in Figur 10 der E7 gezeigten Bremsbelags besitzt zwei gegenüberliegende, in die gleiche Richtung gekrümmte Kanten (oben und unten in der Zeichnung). Durch diese Krümmung ist der Begriff "radial außen" für diesen Bremsbelag eindeutig festgelegt, nämlich so, dass der obere Rand des gezeigten Bremsbelags "radial außen" liegt.
Die Beschwerdegegnerin ist der Auffassung, dass die dort gezeigte Ausnehmung keine Öffnung in einem nach radial außen weisenden Abschnitt gemäß Merkmal 1.3 darstellt. Sie trug vor, dass dieser Abschnitt, so wie im Streitpatent gezeigt, von dem Zentralabschnitt abstehen müsse, bzw. sich von diesem weg erstrecken müsse.
Der Begriff "nach außen weisend" stützt diese Auslegung allerdings nicht. Er bedeutet lediglich, dass sich der nach außen weisende Abschnitt an der radial außen liegenden Seite des Zentralabschnitts befinden muss. Gemäß dem Merkmalswortlaut stellt der nach außen weisende Abschnitt auch einen Teil des Zentralabschnitts dar, denn der Zentralabschnitt "weist" den nach außen weisenden Abschnitt "auf". Daher lässt der Wortlaut des Anspruchs nicht darauf schließen, dass der nach außen weisende Abschnitt von dem Zentralabschnitt zwingend abstehen muss, bzw. sich von diesem weg erstrecken muss. Der obere Bereich mit der Öffnung des in Figur 10 gezeigten Bremsbelags stellt einen solchen Abschnitt dar.
Die in Figur 10 gezeigte Öffnung erfüllt die Eignung zur Aufnahme von einem Federelement und erfüllt die Definition des Merkmals 1.3.
Daher ist das Merkmal 1.3 in der E7 gezeigt.
1.2.3 Merkmal 1.4
Gemäß Merkmal 1.4 weist die Rückenplatte im Wesentlichen gegenüberliegende, und jeweils seitlich in Umfangsrichtung weisende, Schenkel zur Abstützung von Umfangskräften an einem Gegenkörper auf.
Der in Figur 10 der E7 gezeigte Bremsbelag besitzt auf beiden Seiten jeweils einen sich in Umfangsrichtung von dem Zentralabschnitt weg erstreckenden Schenkel. Dieser ist mit seiner Kontur deutlich vom Zentralabschnitt abgesetzt.
Daher ist das Merkmal 1.4 in der E7 gezeigt.
1.2.4 Merkmale 1.5, 1.6 und 1.9
Gemäß den Merkmalen 1.5 und 1.6 ist jeder einlaufseitige Schenkel (also einer der beiden Schenkel) mit einer, nach radial außen offenen, Hakenform ausgebildet, und dient wenigstens teilweise zur formschlüssigen Anlage am Gegenkörper.
Der in der Figur 10 gezeigte Bremsbelag besitzt zwei nach oben (also radial außen) weisende Haken an den in Umfangsrichtung abstehenden Schenkeln. Die Schenkel sind also hakenförmig ausgebildet. Die Tatsache, dass die Schenkel zur Anlage an einem Gegenkörper vorgesehen sind, erschließt sich für den Fachmann unmittelbar aus der Zeichnung und dem Gesamtzusammenhang der E7.
Da in der Figur 10 beide Schenkel die gleiche Ausgestaltung aufweisen, ist auch das Merkmal 1.9 offenbart, wonach jeder auslaufseitige Schenkel mit einer, nach radial außen offenen, Hakenform ausgebildet ist.
Daher sind die Merkmale 1.5, 1.6 und 1.9 in der E7 gezeigt.
1.2.5 Merkmal 1.7
Die beiden in Figur 10 gezeigten Schenkel bestehen aus einem Schenkelabschnitt, der die Form eines Hammerkopfes aufweist, und aus einem Schenkelabschnitt, der sich von dem Zentralabschnitt des Bremsbelags hin zu dem Hammerkopf erstreckt. Diese beiden Schenkelabschnitte stehen im Wesentlichen senkrecht aufeinander.
Daher ist das Merkmal 1.7, wonach die Hakenform ausgehend von dem Zentralabschnitt zwei im Wesentlichen rechtwinklig zueinander angeordnete, aneinander anschließende, Schenkelabschnitte aufweist, in der E7 gezeigt.
1.2.6 Merkmal 1.11
Gemäß Merkmal 1.11 liegt zusätzlich eine gedrückte Abstützung der Rückenplatte (11) vor, indem jede Rückenplatte (11) quasi-elastisch ausgebildet ist, und am jeweils auslaufseitigen Schenkel eine zusätzliche Anlagefläche aufweist, um einen zusätzlichen Angriffspunkt zur Einleitung von Umfangskräften aufzuweisen.
Der in Figur 10 gezeigte Bremsbelag weist an den äußeren Enden beider Schenkel jeweils eine gerade Kante auf. Diese Kante ist per se als Anlagefläche geeignet und erlaubt die Einleitung von Umfangskräften. Der Bremsbelag kann sich drückend darauf abstützen.
Die Bedeutung des Wortlauts, wonach die Rückenplatte quasi-elastisch ausgebildet ist, ist nicht selbsterklärend. Sie wurde auch durch die Beschwerdegegnerin nicht näher erläutert. Dies stellt kein Unterscheidungsmerkmal gegenüber der E7 dar. Im vorliegenden Zusammenhang ist die einzige Bedeutung von "quasi-elastisch", dass die Rückenplatte zumindest elastisch und damit nicht "nicht elastisch" ausgebildet ist. Dies trifft aber auch notwendigerweise auf die Rückenplatte der E7 zu.
Der Wortlaut, wonach "gleichzeitig eine gedrückte Abstützung der Rückenplatte vorliegt", scheint darauf hinzuweisen, dass die gleichzeitige Einleitung von Zug- und Druckkräften in eine Halterung vorgesehen ist. Die Kammer weist darauf hin, dass die Erfüllung dieses Merkmals vom Gesamtaufbau der Bremseinrichtung abhängt, die aber nicht Teil des Anspruchsgegenstands ist. Daher ist dieses Merkmal unklar. Jedenfalls sind durch die Hakenform die in Figur 10 gezeigten Schenkel in jedem Fall für die Aufnahme von Zug- und Druckkräften in Umfangsrichtung geeignet.
Daher ist das Merkmal 1.11, soweit es klar ist, in E7 offenbart.
1.3 Unterscheidende Merkmale 1.8 und 1.10
Die Merkmale 1.8 und 1.10, wonach
1.8
zumindest einer der Schenkelabschnitte eine Dicke aufweist, die größer als eine Dicke von dem Zentralabschnitt der Rückenplatte ist, und
1.10
die Dicke zur Spannungsreduktion im Wesentlichen vollständig über eine Höhe von dem Schenkelabschnitt vorgesehen ist,
sind nicht in E7 offenbart.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 von Hilfsantrag 3 unterscheidet sich daher von dem Bremsbelag der E7 durch die Merkmale 1.8 und 1.10.
1.4 Aufgabe
Die Merkmale 1.8 und 1.10 bewirken gemäß Absatz [0024] des Streitpatents eine verbesserte, kerbwirkungsreduzierte Zugspannungseinleitung in die Schenkelabschnitte.
Die zu lösende Aufgabe besteht daher darin, die Schenkel des Bremsbelags so auszuführen, dass sie den auftretenden Kräften besser standhalten.
1.5 Lösung
Das Dokument E1 offenbart einen Bremsbelag mit einer Rückenplatte 2, deren Rumpfbereich 20 beidseitig hakenförmige Führungsenden 4 aufweist. Die hakenförmigen Führungsenden weisen jeweils zwei Anlageflächen 5, 6 zur Aufnahme von Zug- und Druckkräften auf (Figuren 1 und 2).
1.5.1 E1, Seite 8, zweiter Absatz erläutert, dass das Führungsende 4 einen angeformte Erhebung 23 zur Verstärkung aufweist. Dies führt gemäß E1 zu einer erhöhten Bauteilstärke D im Vergleich zur Bauteilstärke d des Rumpfbereichs der Rückenplatte, was eine "Stärkung des festigkeitskritischen Querschnitts" ergibt.
Dies veranlasst den Fachmann im Hinblick auf die gestellte Aufgabe dazu, auch an den Schenkeln des Bremsbelags der E7 eine Erhebung anzuformen, sodass
zumindest einer der Schenkelabschnitte eine Dicke aufweist, die größer als eine Dicke von dem Zentralabschnitt der Rückenplatte ist (Merkmal 1.8).
Zusätzlich verdickt die Erhebung der E1 den betroffenen Schenkelabschnitt im Wesentlichen über seine gesamte Höhe (Siehe Draufsicht in Figur 2). Bei der Übertragung der beschriebenen Erhebung auf die Schenkel der Rückenplatte der E7 würde der Fachmann nicht darauf verzichten, die Erhebung weiterhin im Wesentlichen über die gesamte Höhe vorzusehen (Merkmal 1.10).
1.5.2 Die Beschwerdegegnerin war der Auffassung, dass sich das Merkmal 1.10 durch die Verwendung des Bezugszeichens 42 nur auf den horizontalen Schenkelabschnitt 42 beziehe. Das Bezugszeichen alleine schränkt das Merkmal jedoch nicht ein, so dass sich das Merkmal 1.10 auch auf den die Hakenform bildenden, vertikalen Schenkelabschnitt beziehen kann.
Die Beschwerdegegnerin argumentierte, die Erhebung 23 der E1 könne möglicherweise auch nur von hinten in eine Rückenplatte von konstanter Dicke eingeprägt sein. Dies trifft jedoch nicht zu, weil es der Aussage auf Seite 8 der E1 widerspricht, wonach die Bauteilstärke D erhöht wird.
Des Weiteren argumentierte die Beschwerdegegnerin, nachdem in der Rückenplatte der E7 Ausnehmungen vorhanden seien, müsse die Rückenplatte notwendigerweise bereits eine erhöhte Dicke aufweisen, so dass eine weitere Erhöhung der Dicke an den Schenkeln abwegig erscheine. Dies ist jedoch reine Spekulation, da Öffnungen in einer Fläche die Festigkeit anders beeinflussen als zum Beispiel die Querschnitte an den frei tragenden Schenkeln. Die Beschwerdegegnerin führte weiter aus, es sei abwegig wenn der Fachmann zunächst die Rückenplatte der E7 durch Ausnehmungen schwäche, und anschließend wieder eine Verstärkung anstrebe. Die für Dämpfungsmittel vorgesehen Ausnehmungen im Zentralabschnitt der Rückenplatte sind jedoch technisch völlig unabhängig von der Belastbarkeit der in Umfangsrichtung abstehenden Schenkel. Die Ausgestaltung des Zentralabschnitts beeinflusst daher nicht die Entscheidungen des Fachmanns in Bezug auf die Schenkel.
Auch der Einwand, dass die Erhebung zusätzliches Material benötige, was Kosten und zusätzliches Gewicht zur Folge habe, überzeugt nicht. Die E1 lehrt eindeutig, die Erhebung vorzusehen. Dass dies Materialeinsatz erfordert, wird dabei in Kauf genommen.
Die Beschwerdegegnerin war der Meinung, die im Vergleich von E1 und E7 unterschiedliche Öffnungsrichtung der Haken der Schenkel führe zu unterschiedlich einwirkenden Kräften, so dass die Erhebung der E1 nicht direkt auf die E7 übertragen werden könne. Für den Fachmann ist aber klar, dass eine Verstärkung an denjenigen Stellen anzubringen ist, wo die jeweiligen Kräfte auftreten. Die genaue Anordnung der Erhebung liegt daher im Rahmen des üblichen Gestaltungsspielraums des Fachmanns.
Auch die Anmerkung der Beschwerdegegnerin, dass die E7 kein Problem mit der Festigkeit der Schenkel beschreibe oder auf deren Verdickung hinweise, ist irrelevant. Allein die Tatsache, dass ein technisches Problem im nächstliegenden Stand der Technik nicht erwähnt ist, bedeutet nicht, dass es nicht existiert. Im Gegenteil wird die zu lösende Aufgabe des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes im Allgemeinen nicht durch den nächstliegenden Stand der Technik beschrieben, sondern ergibt sich aus den unterscheidenden Merkmalen des Anspruchsgegenstands.
1.6 Daher beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
2. Hauptantrag und Hilfsanträge 1 und 2
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 umfasst alle Merkmale des Anspruchs 1 des Hauptantrags, sowie der Hilfsanträge 1 und 2. Folglich gelten die oben für den Hilfsantrag 3 diskutierten Argumente, soweit zutreffend, auch für den Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 und 2.
Daher beruhen die unabhängigen Ansprüche dieser Anträge ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
3. Zulassung der Hilfsanträge 4-6
3.1 Die Entscheidung über die Zulassung der Hilfsanträge 4 bis 6 steht im Ermessen der Kammer gemäß Artikel 12 (4) Satz 2 VOBK.
3.2 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin betont der Gegenstand der Hilfsanträge den Systemgedanken zwischen dem Bremsbelag und der spezifischen Bremse, nämlich einer Festsattelbremse. Dies sei eine sinnvolle Verteidigung gegenüber dem, was bisher diskutiert wurde, und gegenüber dem Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung. Im Übrigen habe es keine Veranlassung gegeben, im Einspruchsverfahren überhaupt Hilfsanträge zu stellen, da die Einspruchsabteilung im Sinne der Patentinhaberin entschieden habe. Die Beschwerdegegnerin habe sich aber dennoch mit Hilfsanträgen bereits im Einspruchsverfahren verteidigt und weitere Hilfsanträge im Beschwerdeverfahren ergänzt.
3.3 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass die Eignung der Bremse bereits in der Einspruchsschrift thematisiert worden war und dass die Beschwerdegegnerin daher diese Hilfsanträge bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorbringen sollen. In der Beschwerdebegründung seien diesbezüglich auch keine neuen Argumente vorgebracht worden, sodass die Hilfsanträge 4 bis 6 nicht als Reaktion darauf angesehen werden könnten.
3.4 Die Kammer hat entschieden die Hilfsanträge 4 bis 6 in das Verfahren zuzulassen. Sie hat dabei insbesondere berücksichtigt, dass es für die Beschwerdegegnerin im Einspruchsverfahren keinen konkreten Anlass gegeben hatte, diese einzureichen, zumal die Einspruchsabteilung der Argumentation der Beschwerdegegnerin gefolgt ist. Diese Anträge sind also nicht als solche anzusehen, die im Einspruchsverfahren "vorzubringen gewesen wären" (vgl. Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK). Die in den Hilfsanträgen 4 bis 6 gegenüber den Hilfsanträgen 1 bis 3 gemachte Änderung stellt auch eine angemessene Verteidigungslinie dar, die im Übrigen auch nicht die technische Komplexität des Falles erhöht.
4. Gemäß Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ kann die Beschwerdekammer entweder selbst entscheiden oder die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückverweisen. Im vorliegenden Fall ist eine Zurückverweisung angebracht, da der Gegenstand des Anspruchs von einem "Bremsbelag für eine Festsattelbremse" zu einer "Festsattelbremse mit einem Bremsbelag" verschoben wurde und dieser geänderte Gegenstand weder Teil der von der Beschwerdekammer zu überprüfenden Entscheidung war noch ein detailliertes Vorbringen der Beteiligten zu diesem Gegenstand vorliegt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.