T 0241/21 27-10-2023
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WÄRMETAUSCHERANORDNUNG
I. Die Europäische Patentanmeldung mit der Nummer 18 20 13 79 betrifft eine Wärmetauscheranordnung mit einem Sensor in einer Sensoraufnahmeöffnung, wobei der Sensor mit einem zwischen dem Sensor und einem am Außengehäuse vorgesehenen Vorspannorgan-Widerlagerbereich angeordneten Vorspannorgan an einer Innenwandung abgestützt ist.
1.1 Die Anmeldung wurde von der Prüfungsabteilung unter Artikel 97 (2) EPÜ zurückgewiesen.
Die Prüfungsabteilung kommt in ihrer Entscheidung zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
1.2 Gegen diese Entscheidung wendet sich die Anmelderin ("Beschwerdeführerin") mit der Beschwerde.
Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent in der Fassung des mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Hauptantrags zu erteilen, und hilfsweise, ein Patent in der Fassung des erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags zu erteilen.
Der Hauptantrag des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Hauptantrag, auf dem die Entscheidung der Prüfungsabteilung beruht (Punkt I.8 der Entscheidung).
II. Die folgenden Beweismittel sind relevant für die Entscheidung:
D1: DE 39 42 732 A1;
D2: US 2002/0046831 A1.
III. Der für die Entscheidung relevante unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet:
"Wärmetauscheranordnung, insbesondere für ein brennstoffbetriebenes Fahrzeugheizgerät, umfassend ein Wärmetauschergehäuse (16) mit einer Außenwandung (24) und einer Innenwandung (30),
wobei die Außenwandung (24) und die Innenwandung (30) einen von Wärmeträgermedium (M) durchströmbaren Wärmeträgermedium-Strömungsraum (36) umgrenzen,
wobei in der Außenwandung (24) wenigstens eine Sensor-Aufnahmeöffnung (42) ausgebildet ist und ein Sensor (40) in der wenigstens einen Sensor-Aufnahmeöffnung (42) fluiddicht und verschiebbar und mit einem Strömungsraum-Eingriffsbereich (50) in den Wärmeträgermedium-Strömungsraum (36) eingreifend und an der Innenwandung (30) sich abstützend aufgenommen ist,
wobei ein dem Sensor (40) zugeordnetes, diesen zum Abstützen an der Innenwandung (30) beaufschlagendes Vorspannorgan (52) vorgesehen ist,
wobei das Vorspannorgan (52) in einem Beaufschlagungsbereich (56) den Sensor (40) zur Abstützung an der Innenwandung (30) beaufschlagt,
wobei das Vorspannorgan (52) in seinem Beaufschlagungsbereich (56) bezüglich des Sensors (40) abgestützt ist, und
wobei ein das Wärmetauschergehäuse (16) wenigstens bereichsweise umgebendes Außengehäuse (58) vorgesehen ist, wobei an dem Außengehäuse (58) der Sensor-Aufnahmeöffnung (42) gegenüberliegend ein Vorspannorgan-Widerlagerbereich (74) vorgesehen ist, wobei das Vorspannorgan (52) in einem Fixierbereich (54) bezüglich des Außengehäuses (58) festgelegt ist,
dadurch gekennzeichnet,
- dass das Vorspannorgan (52) blattfederartig ausgebildet ist, wobei in einem Endbereich des Vorspannorgans (52) der Fixierbereich (54) und in einem anderen Endbereich des Vorspannorgans (52) der Beaufschlagungsbereich (56) vorgesehen sind,
- dass das Vorspannorgan (52) in seinem Beaufschlagungsbereich (56) U-förmig ausgebildet ist und mit einem ersten U-Schenkel (72) bezüglich des Vorspannorgan-Widerlagerbereichs (74) abgestützt ist und mit einem zweiten U-Schenkel (78) bezüglich des Sensors (40) abgestützt ist."
IV. Der Hilfsantrag spielt für die vorliegende Entscheidung keine Rolle.
V. Das für die Entscheidung relevante Vorbringen der Beschwerdeführerin ist wie folgt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf D2 als nächstliegendem Stand der Technik. Die Prüfungsabteilung habe bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht alle Unterscheidungsmerkmale berücksichtigt. Die in D1 offenbarten Blattfederlösungen der Figuren 2 und 7 seien gerade nicht anspruchsgemäß und könnten in der Zusammenschau mit D2 auch nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 führen. Eine entsprechende Ausführung sei der Fachperson auch nicht aus ihrem allgemeinen Fachwissen nahegelegt.
1. Hauptantrag - erfinderische Tätigkeit
In der angefochtenen Entscheidung kam die Prüfungsabteilung zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Hauptantrags ausgehend von D2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Unterscheidungsmerkmale beruhten nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf die Kombination mit
- allgemeinem Fachwissen oder
- der Offenbarung von D1.
Dieser Schlussfolgerung stimmt die Kammer nicht zu.
1.1 Unstreitig ist D2 (vgl. insbesondere Figur 1) ein geeigneter Ausgangspunkt zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, denn auch hier wird eine Wärmetauscheranordnung offenbart, bei der ein Temperatursensor (3) mit einem Vorspannorgan in einer Sensor-Aufnahmeöffnung ("opening") einer Innenwandung ("housing jacket 1") fluiddicht verschiebbar gegen diese Innenwandung abgestützt wird. Dabei ist an dem Außengehäuse (8) gegenüberliegend der Sensor-Aufnahmeöffnung ein Vorspannorgan-Widerlagerbereich ("projection 13") zur Abstützung des Vorspannorgans vorgesehen. Die Abstützung der Spiralfeder zwischen dem Widerlagerbereich und dem Sensor bildet einen Beaufschlagungsbereich.
Im Gegensatz zum Anspruch 1 des Hauptantrags wird in D2 als Vorspannorgan eine Spiralfeder verwendet, die an ihrem einen Ende innerhalb des Vorspannorgan-Widerlagerbereichs (13) am Außengehäuse (8) festgelegt ist (siehe Absatz [0038]: "fitting recess ... for the positive-locking mounting of the upper axial end of the compression spring"). Fixier- und Beaufschlagungsbereich fallen somit an einem Ende der Spiralfeder von D2 zusammen.
1.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags unterscheidet sich daher von der Offenbarung der D2 durch die folgenden Merkmale:
a) Das Vorspannorgan ist blattfederartig ausgebildet.
b) Dieses blattfederartige Vorspannorgan weist in jeweils anderen Endbereichen einen Fixierbereich und einen Beaufschlagungsbereich auf.
c) Der im ersten Endbereich vorgesehene Beaufschlagungsbereich ist U-förmig ausgebildet, dabei ist die U-förmige Ausbildung dergestalt, dass ein erster U-Schenkel bezüglich des Vorspannorgan-Widerlagerbereichs abgestützt ist und ein zweiter U-Schenkel bezüglich des gegenüberliegenden Sensors abgestützt ist (vgl. Anspruch 1: "... der Sensor-Aufnahmeöffnung gegenüberliegend ein Vorspannorgan-Widerlagerbereich vorgesehen ist...")
d) Der im anderen Endbereich vorgesehene Fixierbereich dient der Festlegung des Vorspannorgans am Außengehäuse.
Die Merkmale b) bis d) definieren dabei zwei distinkte Endbereiche des blattfederartigen Vorspannorgans mit unterschiedlichen Aufgaben:
Der an dem Sensor und dem gegenüberliegenden Vorspannorgan-Widerlagerbereich des Außengehäuses abgestützte Beaufschlagungsbereich ist U-förmig ausgeführt und dient (analog den Enden der Spiralfeder von D2) der Übertragung der Vorspannkraft zwischen diesen gegenüberliegenden Punkten durch die Kompression des U-Bereichs.
Der Fixierbereich liegt nicht im Bereich des Vorspannorgan-Widerlagerbereichs oder Sensors, sondern an einem "anderen Ende", das von diesem Beaufschlagungsbereich abgrenzbar sein muss und in dem das Vorspannorgan am Außengehäuse fixiert ist (siehe Figuren 1 und 3 der Anmeldung).
1.3 Objektive technische Aufgabe
1.3.1 In der angefochtenen Entscheidung kommt die Prüfungsabteilung zu dem Schluss, die objektive technische Aufgabe liege darin, "eine alternative Form [der] Kraftaufbringung auf den Sensor [vorzusehen]". Diese Aufgabe scheint auf der Überlegung zu basieren, dass eine U-förmige Blattfeder eine Alternative zur der in D2 verwendeten Spiralfeder darstellt.
Diese technische Aufgabe ist nicht überzeugend, da sie höchstens die Unterscheidungsmerkmale a) (blattfederartig) und c) (U-förmig), nicht jedoch die Unterscheidung der Enden des Vorspannorgans in einen jeweils distinkten Beaufschlagungsbereich und Fixierbereich gemäß den Unterscheidungsmerkmalen b) und d) berücksichtigt.
Bei der Ermittlung des Effektes und bei der Formulierung der technischen Aufgabe sind jedoch sämtliche Unterscheidungsmerkmale zu berücksichtigen. Hiervon kann lediglich abgewichen werden, wenn bestimmte Unterscheidungsmerkmale oder Merkmalsgruppen nicht zur Erzielung eines gemeinsamen Effektes in einer funktionellen Wechselwirkung stehen, also nur eine Aggregation von Merkmalen darstellen. In dem Fall wären entsprechende Teilaufgaben zu formulieren (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10.Auflage, 2022, I.D.4.2 und I.D.9.3.2).
1.3.2 Im vorliegenden Fall stehen die Unterscheidungsmerkmale a) bis d) - wie im Folgenden dargelegt - in einer funktionellen Wechselwirkung und sind somit bei der Ermittlung einer einzigen gemeinsamen technischen Aufgabe zu berücksichtigen.
Das Zusammenwirken ist dergestalt, dass die Vorspannkraft direkt durch den U-Bereich des blattfederartigen Vorspannorgans auf den gegenüberliegenden Abstützbereiche einwirkt, sodass wesentliche den Fixierbereich aufgrund der Beaufschlagung des Sensors belastende Reaktionskräfte vermieden werden (siehe Seite 3, Zeilen 1 bis 7 der angepassten Beschreibung, wie mit der Beschwerdebegründung eingereicht). Insbesondere wird durch die räumliche Trennung von Fixier- und Beaufschlagungsbereich verhindert, dass Kippmomente aus dem Beaufschlagungsbereich eine Festlegung des Vorspannorgans außerhalb des Beaufschlagungsbereichs ermöglicht, ohne dass hierbei die im Beaufschlagungsbereich wirksame Vorspannkraft ein wesentliches Drehmoment (im Patent als "Kippmoment" bezeichnet) auf den Fixierbereich überträgt (vgl. auch Seite 8, Zeilen 11 bis 17). Diese Lösung ist unabhängig von der Art der Festlegung im Fixierbereich; bezüglich der Fixierung sind in der Anmeldung verschiedene Alternativen offenbart.
In D2 wirken zwar keine Kippmomente auf den Fixierbereich der Spiralfeder (siehe Absätze [0008] und [0013]: "jamming and tilting is minimized" / "stress-free manner"), jedoch wirken trotzdem Reaktionskräfte auf den Fixierbereich aufgrund der Kompression der Feder bei Beaufschlagung des Sensors.
1.3.3 Im Hinblick auf den Wirkzusammenhang der Unterscheidungsmerkmale liegt also die objektive technische Aufgabe darin, dass wesentliche den Fixierbereich aufgrund der Beaufschlagung des Sensors belastende Reaktionskräfte vermieden werden (vgl. Beschreibung, Seite 3, Zeilen 1 bis 7).
1.4 Kein Naheliegen der Unterscheidungsmerkmale aus allgemeinem Fachwissen
In der angefochtenen Entscheidung wird nicht überzeugend dargestellt, warum die Fachperson mittels routinemäßiger Konstruktionsarbeit zu einem blattfederartigen Vorspannorgan kommen würde, welches im Sinne der Merkmale b) bis d) ausgestaltet und eingebaut ist.
Es ist bereits fraglich, ob die Vorsehung einer U-förmigen Blattfeder zwischen den Abstützungsbereichen an Stelle der Spiralfeder aus dem allgemeinen Fachwissen nahegelegt wird. Belege hierfür werden in der angefochtenen Entscheidung nicht angeführt; D1 als spezifische Lösung in einer einzelnen Patentschrift kann kein allgemeines Fachwissen belegen. Selbst wenn man jedoch der Argumentation in der angefochtenen Entscheidung folgt, wonach eine U-förmige Blattfeder eine von mehreren naheliegenden Federbauformen darstelle, so folgen aus der Auswahl einer U-förmigen Blattfeder als Alternative zur Spiralfeder in D2 nicht unmittelbar die Merkmale b) und d).
1.5 Kein Naheliegen der Unterscheidungsmerkmale aus D1
Auch die Offenbarung von D1 kann die Unterscheidungsmerkmale nicht nahelegen.
D1 offenbart neben weiteren alternativen Vorspannorganen (Spiralfedern, Tellerfedern) in den Figuren 2 und 7 auch Blattfedern. Die Fachperson würde D1 berücksichtigen, da auch hier Sensoren mit einer Vorspannkraft festgelegt werden.
Jedoch weisen, selbst wenn man unterstellt, dass die Fachperson die Ausführungsformen der Figuren 2 und 7 als eine von gleichwertigen in D1 offenbarten Alternativen berücksichtigen würde, die Ausführungsformen der Figuren 2 und 7 nicht alle Unterscheidungsmerkmale a) bis d) auf. In beiden Ausführungsformen ist die jeweilige Blattfeder (unabhängig von der Frage, ob diese jeweils überhaupt einen anspruchsgemäßen U-Bereich aufweist) gerade nicht zwischen zwei gegenüberliegenden Bereichen abgestützt, wie von Merkmal c) gefordert. Zudem fällt jeweils entgegen den Merkmalen b) und d) in einem der Enden der Blattfeder ein Beaufschlagungsbereich mit dessen Fixierbereich zusammen.
Im Ergebnis erfolgt in beiden Ausführungsformen von D1 die Vorspannung gerade über ein Kippmoment, das durch die Verformung der Blattfeder an den Festlegungspunkt übertragen wird. Somit wirken hier im Sinne des Patents durch ein "Kippmoment" Kräfte am Festlegungspunkt, die auf das Gehäuse übertragen werden.
Selbst wenn die Fachperson also ein Vorspanorgan gemäß D1 in der Anordnung von D2 vorsähe, so würden weder alle Merkmale von Anspruch 1 von dieser Kombination umfasst, noch die technische Aufgabe gelöst.
1.6 Daher beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags beruht ausschließlich auf einer Kombination der Merkmale der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 2, 4 und 11 und ist daher auch gewährbar unter Artikel 123 (2) EPÜ.
Auch die mit der Beschwerdebegründung vorgebrachte angepasste Beschreibung genügt den Erfordernissen des EPÜ.
3. Der Hauptantrag ist somit gewährbar.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung:
- Seiten: 1 bis 4 und 4a, eingereicht mit der Beschwerdebegründung
- Seiten: 5 bis 9 wie ursprünglich eingereicht
Ansprüche:
- Nr.: 1 bis 10 eingereicht als "Hauptantrag" mit der Beschwerdebegründung
Zeichnungen:
- Blatt: 1/2 bis 2/2 wie ursprünglich eingereicht