VERWALTUNGSRAT
Berichte über Tagungen des Verwaltungsrats
Bericht über die 52. Tagung des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation - (7. und 8. Juni 1994)
Der Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation hielt seine 52. Tagung am 7. und 8. Juni 1994 unter dem Vorsitz von Herrn Per Lund Thoft (DK) in München ab.
Der Rat wählte Herrn Otmar Rafeiner (AT), Präsident des Österreichischen Patentamts und Leiter der österreichischen Delegation im Verwaltungsrat, zum Vorsitzenden des Haushalts- und Finanzausschusses; er tritt seine dreijährige Amtszeit am 15. September 1994 an.
Der Präsident des Amts, Herr Paul Braendli, legte den Jahresbericht für 1993 vor und erstattete dem Rat Bericht über die Tätigkeit des Amts im ersten Halbjahr 1994.
In bezug auf die Anmeldezahlen stellte der Präsident des Amts fest, daß sich das Anmeldungsaufkommen bis Ende Mai nach Plan entwickelt habe. Wenn dieser Trend anhalte, seien für das ganze Jahr rund 70 000 Anmeldungen zu erwarten, was in etwa dem Volumen von 1993 entspreche. Die Zahl der in die regionale Phase eintretenden Euro-PCT-Anmeldungen sei bisher hinter der Haushaltsschätzung zurückgeblieben. Der damit verbundene Rückgang des Arbeitsanfalls werde teilweise durch eine Zunahme der vom Amt durchzuführenden vorläufigen Prüfungsverfahren nach dem PCT ausgeglichen, deren Zahl sich gegenüber 1993 um 50 % erhöht habe. In seiner Bilanz zum BEST-Projekt erwähnte der Präsident, daß inzwischen 209 Prüfer aus der GD 1 und 34 ihrer Kollegen aus der GD 2 am Projekt beteiligt seien.
Der Präsident berichtete ferner über das dritte europäische Round-table-Gespräch zur Patentpraxis, das auf Einladung des schwedischen Patentamts am 26. und 27. April unter dem Vorsitz von Herrn Björklund in Stockholm stattgefunden und Vertreter von 11 Vertragsstaaten, darunter erstmals Teilnehmer aus dem irischen und dem portugiesischen Patentamt, sowie Vertreter des EPI und des EPA zusammengeführt hatte. Neben Fragen zur Fassung der Patentansprüche seien die Bedeutung von Disclaimern sowie der Schutz synergistischer Verbindungen erörtert worden. Die ausgezeichnete Vorbereitung der Sitzung und die aktive Beteiligung der nationalen Ämter hätten die Sachdebatte bereichert und wirksam zur Herausarbeitung von Übereinstimmungen und Unterschieden in der Praxis der einzelnen Ämter beigetragen. Zum vierten Round-table-Gespräch habe das britische Patentamt für das Frühjahr 1995 in das Vereinigte Königreich eingeladen. Dort solle insbesondere der Schutz von softwarebezogenen Erfindungen und neuronalen Netzen auf der Tagesordnung stehen.
Der Präsident des Amts ging auch auf den Personalaustausch zwischen dem Amt einerseits und Industriepatentabteilungen sowie Patentvertretern andererseits ein. Im laufenden Jahr sollten jeweils 35 bis 40 Prüfer aus der GD 1 und der GD 2 für maximal drei Monate außerhalb des Amts tätig werden; 11 Prüfer der GD 2 hätten eine solche Außentätigkeit bereits absolviert oder zumindest begonnen. Umgekehrt erwarte das Amt im laufenden Jahr 17 externe Trainees, von denen 9 ihr Praktikum von maximal zwei Monaten - je ein Monat in GD 2 und GD 3 - bereits angetreten oder sogar schon abgeschlossen hätten.
Im Zusammenhang mit der Patentinformationspolitik hob der Präsident hervor, daß die Dienststelle Wien forciert am Ausbau der Rechtsstandsdatenbank arbeite: Die Ergänzung mit Daten aus Portugal habe in den letzten Monaten begonnen, und in naher Zukunft sollten auch die Daten aus Schweden hinzukommen. Das jährliche PATLIB-Seminar habe in diesem Jahr im Mai in Florenz stattgefunden. An dem dreitägigen Programm mit Vorträgen und Workshops hätten über 90 Personen aus mehr als 20 Ländern teilgenommen.
Der Präsident des Amts wandte sich dann den Rechtsfragen und internationalen Angelegenheiten zu. Er wies darauf hin, daß die neuen Vorschriften über die europäische Eignungsprüfung für zugelassene Vertreter mittlerweile in Kraft getreten seien. Aufgrund dessen hätten sich die 1993 erfolglosen Bewerber beispielsweise auf die Wiederholung der zuvor ungenügenden Prüfungsarbeiten beschränken können. Von dem Kompendium, das die Prüfungsaufgaben von 1993 mit Prüferberichten, Musterlösungen und Beispielen richtiger Antworten enthält, seien schon etwa 10 000 Exemplare verschickt worden. Als wichtiges Ereignis der Öffentlichkeitsarbeit sei zu melden, daß das Amt im April auf der größten Industriemesse der Welt in Hannover vertreten gewesen sei. Sehr erfolgreich sei auch der dritte PATINNOVA-Kongreß vom 2. bis 4. Juni in Kopenhagen verlaufen. In die Organisation dieser bisher größten Veranstaltung dieser Art, die der Sensibilisierung der kleinen und mittleren Unternehmen in Europa für den Patentschutz dient, sei das EPA diesmal stärker als in der Vergangenheit eingebunden gewesen.
In seinen weiteren Ausführungen würdigte der Präsident den Stand der Erstreckungsabkommen. Das Abkommen mit Slowenien sei seit 1. März 1994 in Kraft. Die rund 100 Erstreckungsanträge, die bis Ende April durch Zahlung der Erstreckungsgebühr validiert worden seien, ließen auf eine gute Akzeptanz des Systems schließen. Gleichlautende Kooperations- und Erstreckungsabkommen seien am 25. Januar 1994 mit den beiden Baltenrepubliken Lettland und Litauen geschlossen worden. Für Litauen werde das Erstreckungsabkommen am 5. Juli (sh. ABl. EPA 1994, 527), für Lettland erst zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft treten, da dort die notwendigen gesetzgeberischen Arbeiten noch nicht abgeschlossen seien. Verhandlungen zum Abschluß entsprechender Abkommen seien inzwischen auch mit Rumänien aufgenommen worden. Weitere Staaten hätten den Wunsch nach Abschluß eines Erstreckungsabkommens geäußert oder entsprechende Anfragen an das EPA gerichtet.
Der Präsident gab ferner Auskunft über den Stand des RIPP-Programms (Regional Industrial Property Programme) für die mittel- und osteuropäischen Staaten. In Rom sei mit finanzieller Unterstützung der europäischen Pharmaindustrie ein Seminar zur Patentierbarkeit pharmazeutischer und agrochemischer Erzeugnisse abgehalten worden und auf große Resonanz gestoßen. In Slowenien habe unter Mitwirkung von vier EPO-Mitgliedstaaten ein Symposium zum Thema "Dienstleistungen der Patentämter für Unternehmen" stattgefunden. Parallel dazu habe das EPA auch seine Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern fortgesetzt.
Der Verwaltungsrat beschloß im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Amts, auf die etwa 3%ige Gebührenanhebung zu verzichten, um die Innovationstätigkeit in Europa zu fördern und insbesondere den kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum europäischen Patent zu erleichtern. Der Rat genehmigte auch die Änderung der Verfahrensordnung der Großen Beschwerdekammer betreffend "Stellungnahmen Dritter" und "Begründung von Entscheidungen" (s. nachstehend ABl. EPA 1994, Seite 443). Er gab ferner seine Zustimmung zum Erwerb des Shell-Gebäudes ("Kantorencentrum Patentlaan") in Rijswijk (NL) und ermächtigte den Präsidenten des Amts zur Unterzeichnung des Vorvertrags zum Ankauf dieses Gebäudes. Auf Vorschlag des Präsidenten des Amts bestätigte der Rat verschiedene Mitglieder der Beschwerdekammern in ihrem Amt und ernannte zwei neue Vorsitzende der Technischen Beschwerdekammern sowie nach Artikel 160 (2) EPÜ ein weiteres externes Mitglied der Beschwerdekammern.