EUROPÄISCHES PATENTAMT
Mitteilungen des EPA
Mitteilung des Europäischen Patentamts vom 10 Februar 2020 über die Aussetzung von Verfahren aufgrund der Vorlage G 4/19
1. Die Vorlage G 4/19 ("Doppelpatentierung") ist bei der Großen Beschwerdekammer anhängig. Die vorlegende Kammer möchte zunächst klären lassen, auf welcher rechtlichen Grundlage eine europäische Patentanmeldung zurückgewiesen werden kann, wenn der Anmelder bereits ein europäisches Patent für denselben Gegenstand erhalten hat. Die zweite Frage betrifft die Bedingungen, die in den verschiedenen Szenarien kollidierender Anmeldungen anzuwenden sind, d. h. bei am selben Tag eingereichten europäischen Anmeldungen, bei Teilanmeldungen oder in Fällen "innerer Priorität". Außerdem fragt sie, ob insbesondere im letztgenannten der Szenarien der Anmelder ein legitimes Interesse an der Erteilung eines Patents auf die (spätere) europäische Patentanmeldung hat, weil nach Artikel 63 (1) EPÜ der Anmeldetag und nicht der Prioritätstag maßgeblich für die Berechnung der Laufzeit des europäischen Patents ist. Die drei der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen sind in der Entscheidung T 318/14 enthalten.
2. Der Präsident des EPA hat in Anbetracht der potenziellen Auswirkungen der Vorlage beschlossen, dass alle Verfahren vor den Prüfungsabteilungen (einschließlich Beschränkungsverfahren) und den Einspruchsabteilungen des EPA, deren Ausgang völlig von der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer abhängt, von Amts wegen ausgesetzt werden, bis diese Entscheidung ergangen ist.
3. Betroffen sind insbesondere Fälle, in denen
− die Ansprüche der zu prüfenden Anmeldung denselben Gegenstand definieren wie ein europäisches Patent, das zuvor demselben Anmelder erteilt wurde;
− die zu prüfende Anmeldung und das frühere europäische Patent sich in ihrem territorialen Schutzumfang zumindest überschneiden;
− die zu prüfende Anmeldung und die Anmeldung, auf deren Grundlage demselben Anmelder das frühere europäische Patent erteilt wurde, dasselbe wirksame Datum haben, d. h. in einer der folgenden Situationen:
− die beiden Anmeldungen wurden am selben Tag eingereicht;
− eine Anmeldung wurde als Teilanmeldung der anderen eingereicht (Artikel 76 (1) EPÜ);
− eine Anmeldung beansprucht wirksam die Priorität der anderen (Artikel 87 und 88 EPÜ).
Diese Kriterien gelten analog in Einspruchs- und Beschränkungsverfahren.
4. Wird ein Verfahren ausgesetzt, so unterrichtet die zuständige Prüfungs- bzw. Einspruchsabteilung die Beteiligten davon (s. Richtlinien für die Prüfung im EPA, E-VII, 3). Gleichzeitig nimmt sie Mitteilungen zurück, in denen Erwiderungsfristen festgesetzt wurden, und erlässt keine weiteren Mitteilungen zur Festsetzung von Fristen. Sobald die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer ergangen ist, wird ein Bescheid über die Wiederaufnahme des Verfahrens versandt.
5. Diese Mitteilung ist ab sofort auf die von der Vorlage G 4/19 betroffenen Fälle anwendbar.