II. AUSREICHENDE OFFENBARUNG
DE – Deutschland
Bundesgerichtshof vom 11. September 2013 (X ZB 8/12) – Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren
Schlagwort: ausreichende Offenbarung – funktionelles Merkmal – zweite medizinische Indikation
Die Patentanmeldung betraf die Verwendung von Effektoren der Dipeptidyl-Peptidase zur Senkung des Blutzuckerspiegels bei Hyperglykämie. Im Stand der Technik war es bekannt, Insulin zu verabreichen. Neuere Verfahren wie die Installation subkutaner Depot-Implantate oder die Implantation intakter Langhansscher Zellen sind technisch aufwendig und risikobehaftet. Das Streitpatent betraf also das technische Problem, ein einfaches, kostengünstiges und den Patienten wenig belastendes Verfahren zur Senkung des Blutzuckerspiegels zur Verfügung zu stellen. Zur Lösung dieses Problems wurde im einzig verbliebenen Anspruch in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung vorgeschlagen: „Verwendung von Inhibitoren der Enzymaktivität der Dipeptidyl-Peptidase IV (DP IV) zur Senkung des Blutzuckerspiegels unter die für Hyperglykämie charakteristische Glukosekonzentration im Serum eines Säuger-Organismus bei Diabetes mellitus."
Der BGH hatte zu entscheiden, ob die Verwendung gemäß dem Hauptantrag so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Das Erfordernis einer ausführbaren Offenbarung der Erfindung steht einer Formulierung des Patentanspruchs, die eine gewisse Verallgemeinerung enthält, nicht generell entgegen. Der BGH stellte fest, dass das Gebot der deutlichen und vollständigen Offenbarung es nicht erfordert, dass die Beschreibung Hinweise darauf enthält, wie alle denkbaren Varianten der Komponenten, die unter die funktionelle Definition fallen, zu erzielen sind.
Es ist dem Patentanmelder grundsätzlich unbenommen, den beanspruchten Schutz nicht auf Ausführungsformen zu beschränken, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen ausdrücklich beschrieben werden, sondern gewisse Verallgemeinerungen vorzunehmen, sofern dies dem berechtigten Anliegen Rechnung trägt, die Erfindung in vollem Umfang zu erfassen.
Ob die Fassung eines Patentanspruchs, die eine Verallgemeinerung enthält, dem Erfordernis einer ausführbaren Offenbarung genügt, richtet sich danach, ob damit ein Schutz begehrt wird, der nicht über dasjenige hinausgeht, was dem Fachmann unter Berücksichtigung der Beschreibung und der darin enthaltenen Ausführungs-beispiele als allgemeinste Form der technischen Lehre erscheint, durch die das der Erfindung zugrundeliegende Problem gelöst wird (unter Verweis auf T 435/91 und T 694/92).
Einer Umschreibung einer Gruppe von Stoffen nach ihrer Funktion in einem Verwendungsanspruch steht weder entgegen, dass eine solche Fassung des Patentanspruchs neben bekannten oder in der Patentschrift offenbarten Stoffen auch die Verwendung von Stoffen umfasst, die erst zukünftig bereitgestellt werden, noch dass die Bereitstellung erfinderische Tätigkeit erfordern kann.
Anmerkung des Herausgebers: In der Entscheidung T 544/12 nahm die Kammer Bezug auf die obige Entscheidung des Bundesgerichtshofs, vertrat aber eine andere Ansicht zur ausreichenden Offenbarung.
FR – Frankreich
Berufungsgericht Paris vom 21. März 2012 (09/23852) – Arcelormittal v. Voestalpine
Schlagwort: ausreichende Offenbarung – Ergebnis einmal von dreien erzielt – regelrechtes Forschungsprogramm
Die Firma Voestalpine beantragte beim Berufungsgericht, das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Nichtigerklärung wegen unzureichender Beschreibung abgelehnt wurde, und das französische Patent 0 004 427 dementsprechend für nichtig zu erklären.
Die Erfindung bestand vereinfacht gesagt in der Herstellung von Werkstücken mit sehr hohen mechanischen Eigenschaften aus einem gewalzten Stahlblechband, wobei die Oberfläche der Werkstücke durch eine Metallbeschichtung geschützt ist, die auf das Blech aufgebracht wird, bevor dieses geformt wird (und nicht danach).
Voestalpine wies auf zahlreiche Ungenauigkeiten und Ungereimtheiten im Wortlaut der von ihr als konfus charakterisierten Beschreibung hin. Zum Beleg für ihre Auffassung, dass die Mängel in der Beschreibung es dem Fachmann unmöglich machen, die Erfindung auszuführen, legt sie ein Gutachten des Max-Planck-Instituts vor. Die Versuchsergebnisse wurden darin in einer Tabelle zusammengefasst, aus der hervorgeht, dass das Ergebnis bei 8 der insgesamt 24 durchgeführten Versuche negativ ausfiel, da das Blech verbrannte. Das Berufungsgericht gelangte entgegen den Feststellungen der Vorinstanz zu der Auffassung, dass sämtliche Versuche unter patentgemäßen Bedingungen durchgeführt wurden. Entgegen den Behauptungen der Patentinhaberin Arcelormittal seien die Laborbedingungen viel genauer und besser kontrollierbar als die Bedingungen der industriellen Produktion und schmälerten die Aussagekraft der Versuche somit nicht.
Das Berufungsgericht stellte abschließend fest, dass eine Beschreibung, die es nur jedes dritte Mal erlaubt, aufgrund der bevorzugten Ausführungsform zu dem behaupteten Ergebnis zu gelangen, das Erfordernis der ausreichenden Beschreibung nicht erfüllt. Und schließlich gab das Berufungsgericht zu bedenken, dass das europäische Patent 1 143 029, das unter Inanspruchnahme der Priorität des hier angegriffenen französischen Patents 0 004 427 angemeldet worden war, durch Entscheidung einer Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 18. August 2011 (T 345/09) widerrufen wurde. Die Beschwerdekammer hatte festgestellt, dass der Fachmann, der die Erfindung ausführen wollte, mit einem regelrechten Forschungsprogramm konfrontiert wurde, das mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden war und die Unzulänglichkeit der Beschreibung widerspiegelte.
FR – Frankreich
Berufungsgericht Paris vom 23. März 2012 (10/22368) – VSL International v. Freyssinet International
Schlagwort: ausreichende Offenbarung – vertrauliche Norm – Neuheit
Die Erfindung, die Gegenstand des angefochtenen Patents war, betraf einzeln geschützte Litzen, die in der Bautechnik insbesondere zum Vorspannen oder Aufhängen von Bauteilen Verwendung finden.
Die Berufungsklägerin beantragte insbesondere die Nichtigerklärung der Patentansprüche 1 bis 8 des französischen Teils des europäischen Patents 1 211 350 wegen fehlender Neuheit und/oder erfinderischer Tätigkeit, jedenfalls aber wegen unzureichender Beschreibung.
Das Berufungsgericht wies das Argument der unzureichenden Beschreibung zurück. Die Tatsache, dass die internen Spezifikationen der Firma F (Patentinhaberin) vertraulich waren bzw. dass es die einschlägige Norm am Tag der Patentanmeldung noch nicht gab, hat keinen Einfluss darauf, dass der Fachmann, der sein allgemeines Fachwissen zu Hilfe nimmt, die Beschreibung verstehen muss, die klar und vollständig zu sein hat und es ihm erlauben muss, die Erfindung ohne unzumutbaren Aufwand auszuführen. Wie die Firma F hervorhob, gehörten die in der Beschreibung offenbarten Merkmale zu denjenigen, die noch nicht Gegenstand einer Norm waren, da diese erst nach dem Prioritätstag ausgearbeitet wurde. Dass die Norm nicht vorlag, hinderte den Fachmann aber in diesem Fall nicht daran, die beschriebene Erfindung zu verstehen.
Zur Neuheitsfrage führt das Berufungsgericht insbesondere aus, dass nur dann auf fehlende Neuheit einer Erfindung erkannt werden kann, wenn nachgewiesen wird, dass der Erfindungsgegenstand sich klar, präzise, eindeutig und unmittelbar aus dem Stand der Technik ergibt und dass alle offenbarten Merkmale im Stand der Technik bekannt sind. Die Tatsache, dass es wie hier zum Nachweis fehlender Neuheit eines Sachverständigengutachtens bedurfte – dessen Ergebnisse im Übrigen allseits umstritten waren -, um festzustellen, ob der Gegenstand eines Anspruchs neu ist, sei ein klares Indiz dafür, dass der Gegenstand dieser Erfindung sich nicht klar, präzise, eindeutig und unmittelbar aus dem Stand der Technik ergibt. Dass die Versuche, mit denen Neuheit nachgewiesen werden sollte, anhand von Spezifikationen durchgeführt wurden, die am Anmeldetag des Patents nicht bekannt waren, ist für sich genommen kein Grund, diese Spezifikationen zurückzuweisen, da über die Versuche in einem kontradiktorischen Verfahren verhandelt wurde und die notwendige Objektivität bei ihrer Durchführung nicht bestritten wurde.
Zur erfinderischen Tätigkeit stellte das Berufungsgericht fest, dass der Fachmann, um sie zu beurteilen, sein Wissen über den Stand der Technik mit dem allgemeinen Fachwissen auf dem betreffenden Gebiet verknüpfen musste. Angesichts all der von der Berufungsklägerin vorgeschlagenen mathematischen Berechnungen, die sich nicht einfach ausführen liessen, sondern eine ausgefeilte Abfolge von Gleichungen darstellten, hätte der Fachmann nicht erwartet, zu der in Anspruch 1 gewählten Lösung zu gelangen; Gleiches gilt für die Versuche, mit denen ein externes Labor auf Antrag der Berufungsklägerin beauftragt werden musste. Bei diesen in Kenntnis des zu erreichenden Ergebnisses durchgeführten Versuchen wurde die erfinderische Tätigkeit außerdem in der Rückschau beurteilt; sie sind das Ergebnis einer Ex-post-facto-Analyse, die bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit eines Anspruchs unzulässig ist. Die Firma V blieb somit den Nachweis schuldig, dass der betreffende Anspruch nicht erfinderisch ist.
GB – Vereinigtes Königreich
Patents Court vom 15. Dezember 2011 – Sandvik Intellectual Property AB v. (1) Kennametal UK Ltd, (2) Kennametal European GmbH [2011] EWHC 3311 (Pat)
Schlagwort: ausreichende Offenbarung
Justice Arnold befand unter anderem, dass Sandviks Patent (EP (UK) 0 603 144) wegen unzureichender Offenbarung nichtig sei, und fasste das Recht zur unzureichenden Offenbarung wie folgt zusammen: Ein Patent ist nichtig, "wenn die Patentschrift die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann" (s. 72 (1) c) Patents Act 1977). Das Patent ist unzureichend offenbart, wenn der Fachmann die beanspruchte Erfindung nicht anhand der Beschreibung in der Patentschrift und des allgemeinen Fachwissens ausführen kann (was manchmal als unzureichende Offenbarung im klassischen Sinn ("classical insufficiency") bezeichnet wird). Es hat wiederholt Versuche gegeben, den Widerruf eines Patents mit dem Argument zu betreiben, dass ein Patent auch dann wegen unzureichender Offenbarung nichtig sein kann, wenn die Ansprüche entweder mehrdeutig oder zu breit sind.
Zur Frage der unzureichenden Offenbarung im klassischen Sinn zitierte Justice Arnold die Feststellung von Justice Aldous in Mentor Corp v. Hollister Inc [1991] FSR 557, wonach das Gesetz verlangt, dass der Fachmann in der Lage sein muss, die Erfindung auszuführen, aber offen lässt, bis zu welchem Höchstmaß er Zeit und Energie für den Versuch einer Ausführung aufwenden muss, bevor die Erfindung als unzureichend offenbart gilt. Fest steht, dass es eine Begrenzung geben muss. Justice Aldous hatte zudem billigend die Entscheidung T 226/85 zittiert. In Evans Medical Ltd's Patent [1998] RPC 517 hatte Justice Laddie Folgendes festgestellt: "Es reicht nicht aus, wenn die Anweisungen dergestalt sind, dass mehrere gleichermaßen qualifizierte fiktive Adressaten zu völlig unterschiedlichen Endpunkten gelangen können, von denen manche innerhalb des Umfangs der beanspruchten Erfindung liegen und manche nicht. Wenn geeignete Adressaten zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen können, dann ist es rätselhaft, welches das richtige ist. Das ist nicht unter Ausführbarkeit zu verstehen. Diese Meinung scheint in Einklang zu stehen mit dem Ansatz von ... T 226/85 ...". Justice Arnold sah die Entscheidung T 226/85 als repräsentativ für die etablierte Linie der Beschwerdekammern des EPA an, auch wenn diese in der Folge weiterentwickelt wurde. Somit hatte Lord Justice Jacob in Novartis AG v. Johnson & Johnson Medical Ltd [2010] EWCA Civ 1039 drei spätere Entscheidungen, T 435/91, T 694/92 und T 1743/06, zitiert und deren Kern wie folgt zusammengefasst: "Die Schlüsselfrage bei der Prüfung lautet: 'Kann der Fachmann die Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ohne unzumutbaren Aufwand und ohne erfinderisches Zutun problemlos ausführen?'".
Im angefochtenen Urteil in Kirin-Amgen Inc v. Hoechst Marion Roussel Ltd [2004] UKHL 46 hatte der Court of Appeal es in Bezug auf die Mehrdeutigkeit für ausreichend erachtet, dass irgendein uEPO für eine Analyse von eEPO mittels SDS-PAGE als Referenz dienen könne. Die Tatsache, dass nicht angegeben sei, welches, und dass man mit dem einen uEPO ein Erzeugnis innerhalb des Anspruchs erhalten würde und mit einem anderen nicht, stelle "als unzureichende Offenbarung getarnte mangelnde Klarheit" dar. Das House of Lords war anderer Meinung: "Die mangelnde Klarheit bewirkte nicht nur eine unscharfe Trennungslinie zwischen dem, was funktioniert, und dem, was nicht funktioniert. Sie machte es vielmehr unmöglich, die Erfindung überhaupt auszuführen, bis man herausgefunden hat, welcher Bestandteil erforderlich ist."
In MedImmune Ltd v. Novartis Pharmaceuticals UK Ltd [2011] EWHC 1669 (Pat) hatte Justice Arnold die Rechtsprechung zum Thema der zu groβen Anspruchsbreite überprüft, insbesondere die Entscheidungen des House of Lords Biogen Inc v. Medeva plc [1997] RPC 49, Kirin-Amgen (s. oben) und Generics (UK) Ltd v. H. Lundbeck A/S [2009] UKHL 12. Die wichtigsten Punkte lauteten:
- Aus Biogen
a) Ein Anspruch ist wegen unzureichender Offenbarung ungültig, wenn die Breite des Anspruchs über den technischen Beitrag hinausgeht, den die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik leistet. Daher kann die Offenbarung eines einzigen Wegs zur Ausführung der Erfindung in der Patentschrift unzureichend sein.
b) Die Breite des Anspruchs geht über den technischen Beitrag hinaus, wenn der Anspruch Wege zur Erzielung des gewünschten Ergebnisses umfasst, die nicht auf das Patent oder einen darin offenbarten Grundsatz zurückgehen.
- Aus Kirin-Amgen die Erklärung, was unter einem "Prinzip zur allgemeinen Anwendung" in Biogen zu verstehen ist: "Es bezeichnet einfach einen Bestandteil des Anspruchs, der in allgemeinen Begriffen ausgedrückt ist. Ein solcher Anspruch ist ausführbar, wenn mit Grund angenommen werden kann, dass die Erfindung mit allem funktioniert, was unter den allgemeinen Begriff fällt."
- Aus Generics:
a) Es war wichtig, dass das britische Patentrecht weitestmöglich an die Rechtsprechung des EPA angeglichen wurde (s. Biogen). Ferner stellte die aus T 409/91 zitierte grundsätzliche Feststellung das Recht korrekt dar.
b) Der vorliegende Fall war anders gelagert als die Sache Biogen, da eine einzige chemische Verbindung beansprucht wurde, während Biogen einen breit gefassten Product-by-Process-Anspruch betraf.
c) Es war falsch, den technischen Beitrag des Anspruchs mit seiner erfinderischen Idee gleichzusetzen.
GB – Vereinigtes Königreich
Court of Appeal, 5. September 2012 – Eli Lilly & Co v. Human Genome Sciences (HGS) Inc [2012], EWCA Civ 1185
Schlagwort: ausreichende Offenbarung
Der Court of Appeal hatte über Rechtsgültigkeitsfragen in Bezug auf das europäische Patent (UK) 0 939 804 von HGS zu entscheiden, die der Supreme Court in Human Genome Sciences Inc v. Eli Lilly & Co [2011] UKSC 51 (s. Kapitel I. E. "Gewerbliche Anwendbarkeit") an die Vorinstanz zur Entscheidung zurückverwies. HGS hatte die erstinstanzliche Feststellung angefochten, dass die Ansprüche 18 und 19 nicht ausreichend offenbart seien, und Eli Lilly u. a. die Feststellung, dass Anspruch 13 ausreichend offenbart sei (die Anspruchsnummerierung basiert auf der Beschwerdekammerentscheidung T 18/09 zum selben Patent). Die Ansprüche 18 und 19 betrafen pharmazeutische und diagnostische Zusammensetzungen. Aus kommerzieller Sicht bedeutsam war Anspruch 13, der sich in seiner geänderten Fassung eigentlich auf die Isolierung jedes spezifisch an Neutrokin-α bindenden Antikörpers bezog. Der Berufung von HGS wurde stattgegeben (wie auch in T 18/09, wo diese Ansprüche ebenfalls für ausreichend offenbart befunden wurden und der Widerruf des Patents aufgehoben wurde), der Berufung von Eli Lilly dagegen nicht.
Als Hauptargument zur mangelnden Offenbarung brachte Eli Lilly vor, dass sich zwar einzelne der in Anspruch 13 beanspruchten Antikörper herstellen und isolieren ließen, das Patent aber keinen Aufschluss darüber gebe, welche davon gegebenenfalls von praktischem Nutzen wären, und dass sich nur mit unzumutbarem Aufwand herausfinden ließe, welche der Millionen Antikörper überhaupt irgendeinen Nutzen hätten. Das Patent ziele auf Erzeugnisse von nutzbarem Wert ab, nämlich insbesondere auf als Pharmazeutikum oder Diagnostikum nutzbare Erzeugnisse, weswegen Anspruch 13 als auf solche beschränkt verstanden werden müsse. Das Gericht wies die Einlassungen von Eli Lilly zurück. So allgemein wie das Patent gehalten sei, hätten nach Auffassung von Lord Justice Jacob alle Antikörper einen "Nutzen". Der Supreme Court habe entschieden, dass alle gewerblich anwendbar seien, und das reiche aus. Alles was dem Anspruch zufolge erforderlich sei, sei ein Antikörper, der spezifisch an Neutrokin-α binde, und darin allein bestehe der potenzielle Nutzen. Seine zweite Antwort betraf die Anspruchsauslegung. Nichts in dem Anspruch beschränke ihn auf den "Nutzen". In Patentansprüche dürfe nichts hineingelesen werden, was der Kontext nicht zwingend vorgebe. Im vorliegenden Fall gebe der Kontext nichts vor. Der Fachmann wüsste, dass die Patentinhaberin sich nicht selbst auf einen bestimmten Nutzen beschränkt habe. Überdies habe "nützlich" keine klar umrissene Bedeutung. Der Durchschnittsfachmann würde beim Lesen des Anspruchs keinen unklaren Bedeutungsumfang hineininterpretieren.
Lord Justice Jacob wies auch das hilfsweise Vorbingen von Eli Lilly zurück, dass die Ansprüche 18 und 19 unzureichend offenbart seien. Eli Lilly hatte argumentiert, die Ansprüche 18 und 19 beträfen pharmazeutische bzw. diagnostische Zusammensetzungen und beschränkten sich folglich auf Zusammensetzungen mit (aus dem Patent) erkennbarem pharmazeutischen bzw. diagnostischen Nutzen. Da ein solcher Nutzen aus dem Patent nicht hervorgehe und sich nur durch mit unzumutbarem Aufwand verbundenen Forschungen bestimmen lasse, seien die Ansprüche unzureichend offenbart. Lord Justice Jacob schloss sich jedoch der Argumentation von HGS an, wonach es für den Fachmann – im Lichte der Patentschrift als Ganzes gesehen – keinen Grund gebe anzunehmen, dass der Patentinhaber auf eine bestimmte Nutzung der beanspruchten Zusammensetzungen abhebe. Dies stehe im Einklang mit den Grundprinzipien der Anspruchsauslegung, wie sie in Kirin-Amgen Inc v. Hoechst Marion Roussel Ltd [2004] UKHL 46 niedergelegt seien. Die gegenteilige Auffassung sei nicht damit vereinbar, denn sie setze voraus, dass der Fachmann den sehr allgemein gehaltenen Charakter der vorliegenden Erfindung außer Acht lasse.
Nach der Auffassung von Lord Justice Jacob laufe dieses Vorbringen selbst dann ins Leere, wenn die Ansprüche 18 und 19 unzureichend offenbart wären, denn die Antikörper aus Anspruch 13 ließen sich alle herstellen. Selbst wenn die für die Erzeugnisse der Ansprüche 18 und 19 zu verwendenden Antikörper eine engere Klasse bildeten, was sich – wie Eli Lilly argumentiert habe – nicht ohne unzumutbaren Aufwand feststellen lasse, so bedeute dies nicht, dass die gesamte in Anspruch 13 beanspruchte Klasse nicht nacharbeitbar sei. Dasselbe habe auch in Chiron v. Murex [1996] RPC 535 zugetroffen.
Was das auf Pharmacia v. Merck [2001], EWCA Civ 1610 gestützte Vorbringen angehe, so handle es sich bei dem dortigen Anspruch 1 um einen Markush-Anspruch mit einer sehr großen Zahl von Verbindungen, die weder in ihrem Zweck noch ihrer Zahl beschränkt waren. Aus der Beschreibung gehe jedoch klar hervor, dass die Patentinhaber eine Klasse von herstellbaren Verbindungen gefunden hatten, die zumindest eine entzündungshemmende Wirkung aufwiesen. Der breite Klassenanspruch war für unzureichend offenbart befunden worden, da er auch Verbindungen ohne die beanspruchte Wirkung einschloss und somit nicht im gesamten Bereich nacharbeitbar war, auch wenn sich alle Verbindungen herstellen ließen. Eli Lillys Argument, dass dies auch hier der Fall sei, weil die eigentliche Erfindung nur in denjenigen Antikörpern bestehe, die einen Nutzen hätten, und der Anspruch daher ebenso unzureichend offenbart sei wie der in Pharmacia, wurde vom Gericht zurückgewiesen. Anders als dort, sei das vorliegende Patent aufgrund seines hohen Verallgemeinerungsgrads nicht auf eine bestimmte Wirkung beschränkt. Es lehre den Fachmann nicht, dass eine bestimmte Wirkung vorliege, sondern dass es lediglich eine Fülle von Möglichkeiten gebe, die vielleicht realisierbar seien, vielleicht aber auch nicht. Alles was in Anspruch 13 beansprucht werde, sei eine Bindung an Neutrokin-α. Der in Pharmacia erhobene Einwand lautete ähnlich wie im Fall AgrEvo (s. T 939/02), dass der Anspruch zahlreiche Verbindungen umfasse, die keinen technischen Beitrag leisteten. Im vorliegenden Fall gebe es einen technischen Beitrag: Anspruch 13 betreffe gewerblich anwendbare Erzeugnisse. Der – begrenzte – technische Beitrag sei in einem Erzeugnis zu sehen, das an Neutrokin-α bindet.