INTERNATIONALE VERTRÄGE
Europäische Union
Gemeinschaftspatent - Gemeinsame politische Ausrichtung vom 3. März 2003
Der Rat der Europäischen Union (EU-Rat) hat Einvernehmen über eine gemeinsame politische Ausrichtung zum Gemeinschaftspatent erzielt.1 Der Europäische Rat brachte auf seiner Frühjahrstagung in Brüssel (20. und 21. März 2003) seine Zufriedenheit mit dieser Ausrichtung zum Ausdruck und forderte den EU-Rat auf, die Arbeit in diesem Bereich rasch abzuschließen.
Die gemeinsame politische Ausrichtung enthält die wichtigsten Merkmale des Rechtsprechungssystems, der Sprachen- und der Kostenregelung, der Rolle der nationalen Patentämter und der Gebührenaufteilung. Der Text der Ausrichtung, wie er im Anschluß an die Tagungen des EU-Rates (Wettbewerbsfähigkeit) vom 3. März 2003 sowie des EU-Rates (Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz) vom 6. März 2003 festgelegt wurde, ist nachstehend im vollen Wortlaut wiedergegeben.2
Gemeinschaftspatent
1. Rechtsprechungssystem
1.1. Das Rechtsprechungssystem für das Gemeinschaftspatent wird auf folgenden Grundsätzen beruhen: Zuständigkeit eines einzigen Gerichts für das Gemeinschaftspatent und somit Gewährleistung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung, hohe Qualität der Arbeit, Nähe zu den Nutzern und den potenziellen Nutzern sowie niedrige Betriebskosten.
1.2. Der Gerichtshof verfügt über die ausschließliche Zuständigkeit für Klagen und Anträge wegen Nichtigkeit oder für Streitsachen wegen Patentverletzungen, für Klagen, die die Feststellung der Nichtverletzung betreffen, für Streitsachen, die die Verwendung des Patents oder das Vorbenutzungsrecht betreffen, für Anträge auf Beschränkung, für Widerklagen auf Nichtigkeit oder für Anträge auf Feststellung des Erlöschens, einschließlich von Anträgen auf einstweilige Anordnungen. Das Gemeinschaftspatent kann ferner Gegenstand von Klagen und Anträgen auf Schadenersatz sein.
1.3. Streitsachen, die das Gemeinschaftspatent betreffen, werden im ersten Rechtszug vor einer gerichtlichen Kammer verhandelt, die durch einen Beschluss des Rates nach Artikel 225a EGV eingesetzt wird. Rechtsmittelinstanz ist das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (GEI). Diese gerichtliche Kammer, Gemeinschaftspatentgericht (GPG) genannt, wird beim GEI gebildet. Das GPG hat seinen Sitz beim GEI. Die Richter werden aufgrund ihres Sachverstands und unter Berücksichtigung ihrer Sprachkenntnisse ernannt. Das GPG kann in anderen Mitgliedstaaten als dem Mitgliedstaat, in dem es seinen Sitz hat, Verhandlungen durchführen.
1.4. Die Kammern des GPG tagen in Abteilungen mit drei Richtern.
1.5. Die Richter werden durch einstimmigen Ratsbeschluss für einen befristeten Zeitraum ernannt. Die Bewerber müssen nachweislich über ein hohes Maß an juristischem Sachverstand auf dem Gebiet des Patentrechts verfügen.
1.6. Technische Experten unterstützen die Richter im Laufe des gesamten Verfahrens.
1.7. Das GPG führt seine Verhandlungen in der Amtssprache des Mitgliedstaats, in dem der Beklagte ansässig ist, oder in Fällen, in denen ein Mitgliedstaat zwei oder mehr Amtssprachen hat, in einer dieser Sprachen nach Wahl des Beklagten. Auf Antrag der Prozessparteien kann mit Zustimmung des GPG jede Amtssprache der EU als Verfahrenssprache festgelegt werden. Nach Maßgabe der Verfahrensordnung kann das GPG Parteien und Zeugen in einer anderen EU-Amtssprache als der Verfahrenssprache anhören. In diesem Fall sollten Übersetzungen und Verdolmetschung aus einer anderen EU-Amtssprache in die Verfahrenssprache bereitgestellt werden.
1.8. Gegen eine endgültige Entscheidung des GPG kann ein Rechtsmittel beim Gericht erster Instanz eingelegt werden.
1.9. Das GPG wird bis spätestens 2010 errichtet. Jeder Mitgliedstaat benennt bis dahin eine begrenzte Zahl nationaler Gerichte, die für die Klagen und Anträge gemäß Nummer 1.2 zuständig sind.
2. Sprachenregelung und Kosten
2.1. Die Sprachenregelung muss den Zielen der Erschwinglichkeit, Kosteneffizienz, Rechtssicherheit und Nichtdiskriminierung gerecht werden.
2.2. Die Sprachenregelung für das Gemeinschaftspatent wird sich bis zur Patenterteilung mit der Regelung decken, die im Europäischen Patentübereinkommen vorgesehen ist. Dies bedeutet, daß der Anmelder eine vollständige Anmeldung in einer der drei Amtssprachen des EPA sowie zum Zeitpunkt der Patenterteilung eine Übersetzung der Patentansprüche in die anderen beiden EPA-Sprachen vorlegen muss. Legt der Anmelder seine Anmeldung jedoch in einer anderen Sprache und dazu eine Übersetzung in eine der EPA-Sprachen vor, so werden die Kosten für die Übersetzung vom System getragen ("Umlage der Kosten").
2.3. Aus Gründen der Rechtssicherheit - insbesondere im Zusammenhang mit Schadenersatzklagen oder -ansprüchen -, der Nichtdiskriminierung und der Verbreitung patentierter Technologien muss der Anmelder unmittelbar nach der Patenterteilung eine Übersetzung aller Patentansprüche in alle Amtssprachen der Gemeinschaft vorlegen, es sei denn, ein Mitgliedstaat verzichtet auf die Übersetzung in seine Sprache. Die Übersetzungen werden beim EPA hinterlegt, und die Kosten trägt der Anmelder, der die Anzahl und Länge der in die Patentanmeldung aufzunehmenden Ansprüche selbst festlegen und damit Einfluss auf die Übersetzungskosten nehmen kann.
2.4. Die Jahresgebühr für ein Gemeinschaftspatent darf die entsprechenden Jahresgebühren für ein durchschnittliches europäisches Patent nicht überschreiten und ist während der Laufzeit des Patents progressiv. Die Verfahrensgebühren für die Bearbeitung einer Anmeldung eines Gemeinschaftspatents sind unabhängig davon, wo die Anmeldung eingereicht und wo die Recherche durchgeführt wird (beim EPA oder beim nationalen Patentamt) überall die gleichen. Die Höhe der Gebühren hängt von den Kosten der Bearbeitung des Gemeinschaftspatents ab und darf nicht zu einer indirekten Subventionierung der nationalen Patentämter führen.
2.5. Die Kommission wird aufgefordert, zu untersuchen, ob noch weitere Kosteneinsparungen möglich sind, beispielsweise bei Leistungen der Patentanwälte.
3. Rolle der nationalen Patentämter
3.1. Das Europäische Patentamt (EPA) wird eine Schlüsselrolle bei der Verwaltung des Gemeinschaftspatentsystems übernehmen und für die Prüfung der Anträge und die Erteilung von Gemeinschaftspatenten allein zuständig sein.
3.2. Wie in der gemeinsamen Ausrichtung vom 31. Mai 2001 dargelegt ist, werden allen nationalen Patentämtern wichtige Aufgaben zugewiesen, so z.B. die Beratung potenzieller Anmelder von Gemeinschaftspatenten, die Entgegennahme von Anmeldungen von Gemeinschaftspatenten und deren Weiterleitung an das EPA, die Verbreitung von Patentinformationen und die Beratung von KMU.
3.3. Anmeldungen von Gemeinschaftspatenten können bei dem nationalen Patentamt eines Mitgliedstaats in dessen Arbeitssprache(n) eingereicht werden. Den Anmeldern steht es frei, ihre Patentanmeldungen unmittelbar beim EPA einzureichen. Sie können auch beantragen, daß ihre Anmeldungen in vollem Umfang vom EPA bearbeitet werden.
3.4. Im Auftrag des EPA und auf Ersuchen des Anmelders können die nationalen Patentämter der Mitgliedstaaten, die eine andere Amtssprache als die drei Amtssprachen des EPA verwenden, alle Aufgaben bis hin zu den Neuheitsrecherchen in ihrer/ihren jeweiligen Sprache(n) wahrnehmen.
3.5. Die nationalen Patentämter der Mitgliedstaaten, deren Amtssprache eine der drei EPA-Sprachen ist, und die auf eine Kooperationserfahrung mit dem EPA zurückblicken können und eine kritische Masse beibehalten müssen, können - wenn sie dies wünschen - im Auftrag des EPA Recherchen durchführen.
3.6. Die Beziehungen zwischen dem EPA und den nationalen Patentämtern, die die unter den Nummern 3.4 und 3.5 genannten Aufgaben wahrnehmen, stützen sich auf Partnerschaftsvereinbarungen, in denen unter anderem gemeinsame Kriterien für die Qualitätssicherung festgelegt werden. Diese Kriterien (die sich auf Dokumentation, Ausbildung und Qualifikation der Mitarbeiter sowie Arbeitsmittel beziehen) sollen vergleichbare Qualität und Einheitlichkeit des Gemeinschaftspatents gewährleisten. Die Umsetzung dieser Partnerschaftsvereinbarungen, d.h. die Einhaltung dieser objektiven Qualitätsstandards, wird von unabhängiger Seite regelmäßig überprüft.
3.7. Das Gemeinschaftspatentsystem wird eine Schutzklausel umfassen, die es ermöglicht, daß der Rat auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des EPA eine stärkere Einbeziehung der nationalen Patentämter in die Recherchearbeit beschließt, um schwerwiegenden Kapazitätsproblemen bei der Erteilung von Gemeinschaftspatenten abzuhelfen. Diese Regelungen dürfen nicht zu einer Qualitätsminderung bei der Erteilung des Gemeinschaftspatents
führen.
4. Aufteilung der Gebühren
4.1. Den nationalen Patentämter werden die unter den Nummern 3.2, 3.4 und 3.5 genannten Tätigkeiten im Zusammenhang mit Gemeinschaftspatenten vergütet.
4.2. Die Jahresgebühren für Gemeinschaftspatente sind an das EPA zu entrichten, das 50 % davon zur Deckung seiner Kosten einbehält, einschließlich der Kosten für Recherchen, die von den nationalen Patentämter durchgeführt werden. Die verbleibenden 50 % werden nach einem vom Rat festzulegenden Aufteilungsschlüssel auf die nationalen Patentämter der Mitgliedstaaten der Gemeinschaft verteilt.
4.3. Der Aufteilungsschlüssel beruht auf fairen, ausgewogenen und stichhaltigen Kriterien. Diese Kriterien sollten Tätigkeiten im Patentbereich sowie die Größe des Marktes widerspiegeln. Zusätzlich sollte angesichts der unter Nummer 3 beschriebenen Rolle, die den nationalen Patentämtern zukommt, auf Mitgliedstaaten mit einem unverhältnismäßig geringen Umfang an Patenttätigkeiten noch ein Ausgleichsfaktor angewandt werden. Anhand dieser Kriterien wird der Anteil der Mitgliedstaaten regelmäßig an die aktuellen Zahlen angepasst.
5. Revisionsklausel
Fünf Jahre nach der Erteilung des ersten Gemeinschaftspatents wird die Kommission dem Rat einen Bericht über das Funktionieren sämtlicher Aspekte des Gemeinschaftspatents vorlegen und gegebenenfalls geeignete Vorschläge unterbreiten. Die Überprüfung wird Fragen wie Qualität, Kohärenz, für Entscheidungen erforderliche Zeit und Kosten für die Erfinder umfassen. Die Kommission kann Empfehlungen für weitere Änderungen des Rechtsprechungssystems vorschlagen. Weitere Überprüfungen erfolgen in regelmäßigen Abständen.
Erklärung des Rates
Der Rat stellt fest, daß die Formulierung "unmittelbar nach der Patenterteilung" in Nummer 2.3 als "angemessene Frist" nach der Patenterteilung auszulegen ist. Während dieser Zeit ist das erteilte Patent unabhängig davon gültig, ob
Übersetzungen aller Patentansprüche in alle Amtssprachen der Gemeinschaft vorliegen.
Der Rat nimmt zur Kenntnis, daß die deutsche Delegation unter einer angemessenen Frist einen Zeitraum von zwei Jahren nach der Patenterteilung versteht.