Leisere, kostengünstige und kraftstoffeffiziente Flugzeuge: Brasilianische Wissenschaftler als Finalisten für den Europäischen Erfinderpreis 2024 nominiert
- Die Erfinder Fernando Catalano und Micael Carmo haben Studien durchgeführt, die dazu beitrugen, die Lärmbelastung der neuen E2-Generation der Embraer-Verkehrsflugzeuge um 65 % zu reduzieren. Das E2 verursacht außerdem bis zu 25 % weniger CO2-Emissionen pro Passagier als sein Vorgängermodell.
- Millionen Menschen weltweit leiden unter Fluglärm, der zu Gesundheitsschäden führt und oft Widerstand der umgebenden Gemeinden schürt.
- Die beiden brasilianischen Wissenschaftler sind Finalisten in der Kategorie "Nicht-EPO-Staaten", wo sie gegen ein amerikanisches und ein japanisches Team antreten. Die Gewinner werden während der Preisverleihung am 9. Juli in Malta bekannt gegeben.
- Ab heute kann für den Publikumspreis abgestimmt werden.
München, 16. Mai 2024 – Laut der International Civil Aviation Organization (ICAO) ist Fluglärm die wichtigste Ursache für Widerstand der Gemeinden gegen den Betrieb und die Erweiterung von Flughäfen. Daher gehört es zu den wichtigsten Prioritäten und Zielen, die Zahl der betroffenen Menschen möglichst zu begrenzen, da Fluglärm als Ursache für ein hohes Maß an Belästigung, Schlafstörungen und gesundheitliche Probleme identifiziert wurde. Da die Forderungen nach umweltfreundlichen Flugzeugen immer lauter werden, arbeiten die weltweit führenden Fluggesellschaften an der Entwicklung leiserer Flugzeuge, die weniger Treibstoff verbrauchen. Die brasilianischen Erfinder Fernando Catalano und Micael Carmo haben sich dieses Problems angenommen und wurden in Anerkennung ihrer vielversprechenden Arbeit als Finalisten in der Kategorie "Nicht-EPO-Staaten" des europäischen Erfinderpreises 2024 nominiert. Sie wurden aus über 550 Kandidatinnen und Kandidaten der diesjährigen Auflage ausgewählt.
Mehr Sicherheit für Menschen und Wildtiere
Lärm ist nicht nur für den Menschen gesundheitsschädlich, da er Probleme wie Gehörschäden, Stress und kognitive Störungen hervorrufen kann, sondern er stört auch die Lebensräume von Wildtieren und verursacht wirtschaftliche Verluste durch erhöhte Gesundheitskosten und geringere Produktivität am Arbeitsplatz. Motiviert durch strengere Lärmzertifizierungsnormen, Lärmbegrenzungen für Flughäfen und Kundenforderungen haben Catalano und Carmo zusammen mit britischen, niederländischen, deutschen und brasilianischen Instituten das Brazilian Silent Aircraft Programme ins Leben gerufen.
Das brasilianische Team nahm innovative Verbesserungen vor, um die Geräuschentwicklung der neuen Jet-Generation von Embraer, der E2-Familie, um 65 % zu reduzieren. Dazu gehören die Versiegelung der Ausschnitte an den Vorflügeln, die Optimierung des Flugzeugrumpfs und der vorstehenden Oberflächen, um die aerodynamischen Geräusche zu reduzieren und die Leistung bei Start und Landung zu verbessern, sowie die Verlängerung der Tragflügel zur Verringerung der Geräusche und des Luftwiderstands sowie die Erhöhung der betrieblichen Effizienz und Kosteneffektivität. Die Entscheidung für die aerodynamischen Flügelspitzen "Raked Wingtips" (nach oben oder unten gebogene Verlängerungen oder Änderungen an der Flügelspitze) anstelle von Winglets (kleine, senkrechte Verlängerungen an der Spitze von Flugzeugflügeln) sorgt für erhöhte Effizienz, geringere Geräuschentwicklung und senkt gleichzeitig Baukosten und Gewicht. Das neu gestaltete Heck (26 % kleiner als beim Vorgängermodell) und die Wahl des Motors mit einem langsameren Luftantrieb tragen ebenfalls zur Geräuschreduzierung und höheren Kraftstoffeffizienz bei.
Nach sorgfältiger Feinabstimmung wurde die Größe des neuen E2-Flugzeugs für leisere Mittelstreckenflüge optimiert. Sie bietet Kostenvorteile in dichtbesiedelten Flughafenumgebungen, zum Vorteil der Fluggesellschaften und mit positiver Wirkung für die umliegenden Gemeinden. Die Verbesserungen ermöglichten eine drastisch gesenkte Geräuschentwicklung um bis zu 65 % gegenüber dem ersten Modell der Serie. Das E2 verursacht außerdem 25 % weniger CO2-Emissionen pro Passagier als das Vorgängermodell. Dieser Wert kann durch den Einsatz von 100 % nachhaltigem Flugkraftstoff (Sustainable Aviation Fuel – SAF) sogar auf 85 % gesteigert werden.
"Eine der größten Herausforderungen hierbei war es, die Verbesserungen ohne Einbußen bei der aerodynamischen oder mechanischen Leistung umzusetzen", erklärt Professor Fernando Catalano. "Die größte Veränderung für die nächsten Jahre werden nachhaltige Flugkraftstoffe sein. Dafür müssen wir eine ganze Reihe chemischer Probleme lösen."
Eine Passion für die Luftfahrt und eine multidisziplinäre Herangehensweise
Micael Carmo ist leitender Manager für Innenraumakustik, Lärm und Vibrationen im Chief Engineer's Office von Embraer und ist ein anerkannter Experte für Lärmschutz in der Luftfahrt und aeroakustische Forschung sowie Co-Erfinder von sieben Patenten im Zusammenhang mit aerodynamischer Lärmreduktion. Er ist seit den Anfängen im Jahr 2006 im “Brazilian Silent Aircraft Programme” engagiert..
Catalano verfügt über umfassendes Wissen in der Luftfahrttechnik und der Aerodynamik. Er lehrt und forscht seit 40 Jahren an der Universität von São Paulo und Direktor der São Carlos School of Engineering (EESC) der Hochschule. Die fast 20 Jahre dauernde Partnerschaft der beiden wurde durch das Brazilian Silent Aircraft Programme weiter gefestigt. " Bei der Suche nach optimierten Lösungen für leisere Flugzeuge war eine unserer größten Herausforderungen, Geräuschspezialisten und Aerodynamikspezialisten unter einen Hut zu bringen, da sie unterschiedliche Ziele haben", erklärt Carmo. "Wir versuchen, das beste Design für die Zukunft zu finden. Normalerweise sind dabei Geräuschentwicklung und Treibstoffverbrauch gegeneinander abzuwägen, aber auch Luftwiderstand, Auftrieb und viele weitere Faktoren, ebenso wie der Komfort für die Passagiere", ergänzt er.
Die beiden brasilianischen Erfinder, denen Embraers Innovation zu verdanken ist, wurden für das Finale in der Kategorie "Nicht-EPO-Staaten" des diesjährigen Europäischen Erfinderpreises nominiert, mit dem herausragende Erfinder(innen) mit einem europäischen Patent gewürdigt werden. Die anderen Finalisten in dieser Kategorie sind der in den USA ansässige David Fattal für seine Fortschritte in den Bereichen Display-Optik und Software für die 3D-Bildgebung ohne spezielle Brille sowie Masato Sagawa aus Japan für die Entwicklung überlegener Dauermagneten. Das Europäische Patentamt (EPA) wird die Gewinnerinnen und Gewinner am 9. Juli 2024 im Rahmen einer per Livestream aus Malta übertragenen Preisverleihung bekannt geben. Neben diesen wird das EPA dann auch die Sieger des per Online-Abstimmung ermittelten Publikumspreises bekannt geben. Die Stimmabgabe ist bis zum Tag der Preisverleihung möglich.
Weitere Informationen über die Auswirkungen der Erfindungen, die Technologie und Näheres zu den Erfinderinnen und Erfindern finden Sie hier.
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Medienkontakte Europäisches Patentamt
Luis Berenguer Giménez
Hauptdirektor Kommunikation / Sprecher der EPA
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Tel.: +49 89 2399-1833
Über den Europäischen Erfinderpreis
Der Europäische Erfinderpreis ist einer der renommiertesten Innovationspreise in Europa. Mit dem 2006 vom EPA ins Leben gerufenen Preis werden Einzelpersonen und Teams ausgezeichnet, die Lösungen für einige der größten Herausforderungen unserer Zeit gefunden haben. Die Jury des Europäischen Erfinderpreises besteht aus Erfindern, die allesamt ehemalige Finalistinnen und Finalisten sind. Bei der Beurteilung der Vorschläge stützt sich die unabhängige Jury auf ihr umfangreiches Fachwissen in den Bereichen Technik, Wirtschaft und geistiges Eigentum. Im Jahr 2024 hat Wolfgang M. Heckl den Vorsitz der Jury inne. Alle Erfinder müssen für ihre Erfindung ein europäisches Patent erhalten haben. Weitere Informationen zu den verschiedenen Kategorien und Preisen, den für die Auswahl geltenden Kriterien und zur Preisverleihungszeremonie am 9. Juli 2024 in Malta, die im Livestream verfolgt werden kann.
Über das EPA
Mit 6 300 Beschäftigten ist das Europäische Patentamt (EPA) eine der größten Behörden in Europa. Das Amt, das seinen Hauptsitz in München sowie Niederlassungen in Berlin, Brüssel, Den Haag und Wien hat, wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den Staaten Europas auf dem Gebiet des Patentwesens zu stärken. Dank des zentralisierten Verfahrens vor dem EPA können Erfinderinnen und Erfinder hochwertigen Patentschutz in bis zu 45 Staaten erlangen, die zusammen einen Markt von rund 700 Millionen Menschen umfassen. Das EPA ist zudem weltweit führend in den Bereichen Patentinformation und Patentrecherche.