T 0230/87 15-12-1988
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Keramikfilter
Unvollständig offenbarte Messvorschrift
Uncompletely disclosed measuring method
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der europäischen Patentanmeldung 84 101 660.3 (Veröffentlichungsnummer: 0 126 847).
II. Die Anmeldung wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Dieser Entscheidung lagen die am 1. März 1986 eingegangenen Ansprüche 1 bis 12 zugrunde.
Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß die im Anspruch 1 enthaltene quantitative Angabe des spezifischen Filterwiderstandes von "0.1 bis 0.9 bar.cm" nicht der in Art. 84 EPÜ geforderten Deutlichkeit genüge. Denn ohne zusätzliche Festlegung des Fluidums und seiner Strömungsgeschwindigkeit durch das Filter sei die vorstehende Widerstandsangabe unvollständig und nicht eindeutig definiert. Ferner sei dieser Mangel mit Hilfe der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht zu beheben, da eine nachträgliche Präzisierung der für die Festlegung der Geschwindigkeit notwendigen Anströmfläche für die offenbarte Bezugsangabe "bei einer Wasserdurchflußmenge von 5 m3/h", gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen würde.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt.
IV. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung hat die Beschwerdeführerin schließlich beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung; Beschreibung und Zeichnungen wie veröffentlicht.
V. Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"1. Keramikfilter mit offenzelliger Schaumstruktur auf der Basis von hochschmelzender Keramik, z. B. SiC, A12O3, SiO2, mit mindestens einer Anströmfläche zum Filtrieren von Eisenmetallschmelzen und einer Durchflußrate durch die Anströmfläche im Bereich 1300 bis 5000 cm3/cm2 pro min, dadurch gekennzeichnet, daß das Raumgewicht in den Randbereichen des Filters durch Sprühen oder Tauchen vor oder nach dem Brennen auf das 1,2- bis 10-fache des Raumgewichts im Innenbereich des Filters gebracht ist, und daß ein Verhältnis der Filteroberfläche zum Filtervolumen von 0,0003 bis 9 m2/cm3, ein spezifischer Filterwiderstand von 0.1 bis 0.9 bar.cm bei einer Wasserdurchflußmenge von 5 m3/h und ein Filter der Abmessung 50 x 50 x 22 mm3 mit einer Anströmfläche von 50 x 50 x 22 mm2 und ein Filterwerkstoff aus 25 % Tonerde, 20 % Monoaluminiumphosphat, Rest SiC verwirklicht sind."
Ansprüche 2 bis 4 sind auf Anspruch 1 rückbezogen.
VI. In der mündlichen Verhandlung wurde die Anmelderin aufgefordert, im Hinblick auf Art. 84 EPÜ insbesondere zu folgenden nach Auffassung der Kammer vorliegenden Deutlichkeitsmängeln des geltenden Anspruchs 1 Stellung zu nehmen:
a) Die Filtergröße, insbesondere die Anströmfläche, werde ohne sachlichen Bezug auf die Wasserdurchflußmenge beansprucht. Somit bleibe im geltenden Anspruch 1 die den Filterwiderstand festlegende Strömungsgeschwindigkeit nach wie vor offen. Auch aus den ursprünglichen Unterlagen sei ein sachlicher Zusammenhang zwischen der ausschließlich im Anspruch 1 beanspruchten Messung des Filterwiderstandes und den in der Beschreibung auf S. 5, Abs. 1 und 2, in Verbindung mit Fig. 1 offenbarten Filterdimensionen nicht zu erkennen.
b) Die Angabe "in den Randbereichen" sei nach Meinung der Kammer unbestimmt und weder durch den ursprünglichen Anspruch 6 noch durch die ursprüngliche Beschreibung klarstellbar.
VII. Unter Bezugnahme auf das am 3. November 1988 eingegangene Anschauungsmaterial - den Sonderdruck "Foundry Practice", September 1985, Nr. 211, Seite 9 - 15, zwei Photos und zwei Filtermodelle - trug die Beschwerdeführerin folgende Argumente vor:
a) Aus dem überreichten Anschauungsmaterial gehe die technische und wirtschaftliche Bedeutung der Erfindung hervor.
b) Die auf Seite 5, Zeile 1 der ursprünglichen Beschreibung offenbarten Filterabmessungen von 50 x 50 x 22 mm3 würden in Verbindung mit den Figuren 1 und 3, bzw. Fig. 2 und 4, eine quadratische Anströmfläche von 50 x 50 mm2 offenbaren. Ein Fachmann sei gewohnt, den sachlichen Inhalt eines unabhängigen Anspruchs ohne weiteres mit den speziellen Daten eines Ausführungsbeispiels in Verbindung zu bringen. Demnach stehe es für ihn außer Frage, daß die der ursprünglichen Beschreibung entnehmbare Anströmfläche von 50 x 50 mm2 von der im ursprünglichen Anspruch 1 offenbarten Wasserdurchflußmenge 5 m3/h durchsetzt werde, womit der als fehlend erachtete Bezugswert der Strömungsgeschwindigkeit eindeutig festgelegt sei.
c) Die Herstellungsschritte "Sprühen oder Tauchen" würden dem Fachmann eine eindeutige Lehre geben, was unter den beanspruchten Randbereichen zu verstehen sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2.1. Die im Wortlaut des Anspruchs 1 voriegende Formulierung:
"daß ... ein spezifischer Filterwiderstand von 0.1 bis 0.9 bar.cm bei einer Wasserdurchflußmenge von 5 m3/h und ein Filter der Abmessungen 50 x 50 x 22 mm3 mit einer Anströmfläche von 50 x 50 mm2 und ... verwirklicht sind" stellt den Filterwiderstand und die Filterabmessungen als zwei unabhängig voneinander nebengeordnete Filterparameter dar, die in keinem sachlichen Zusammenhang stehen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin sieht die Kammer einen Fachmann außerstande, aus diesem Wortlaut eine sachliche Beziehung zwischen der Wasserdurchflußmenge und der Anströmfläche herzuleiten. Einmal ist der Fachmann an eine unmittelbare Aufeinanderfolge von Meßgröße und Meßeinheit sowie an explizite, vollständige und sprachlich in sich geschlossene Definitionen von Bezugsgrößen gewöhnt. Zum anderen sieht er nach Auffassung der Kammer bei einem Filter zum Filtrieren von Eisenmetallschmelzen eine mit Wasser durchzuführende Widerstandsmessung als einen von der zweckgemäßen Verwendung gesonderten Meßschritt bei einer speziellen Filterprobe an. Es folgt somit für den Fachmann nicht zwangsläufig, daß die Widerstandsmessung an einer Filterprobe durchgeführt wird, die die speziell beanspruchte Anströmfläche von 50 x 50 mm2 aufweist. Für einen derartigen Sachverhalt hätte der Wortlaut des Anspruchs 1 lauten müssen:
"daß ... ein spezifischer Filterwiderstand von 0.1 bis 0.9 bar.cm bei einer Wasserdurchflußmenge von 5 m3/h und bei einer Anströmfläche von 50 x 50 mm2 ... verwirklicht sind.".
2.2. Einer derartigen sachlichen Klarstellung fehlt jedoch die Offenbarungsgrundlage. In der ursprünglichen Beschreibung ist eine Filterwiderstandsmessung mit Wasser an keiner Stelle erläutert. Die Kammer ist überzeugt, daß selbst ein an die Auslegung von Patentschriften gewohnter Fachmann nicht ohne weiteres eine unvollständige Meßvorschrift in einem unabhängigen, auf keinerlei Filtergrößen beschränkten Patentanspruch (Anspruch 1) im Lichte eines engen Ausführungsbeispiels (S. 5, Zeile 1 in Verbindung mit Fig. 1) interpretiert.
2.3. Da ferner die Anmelderin zur Definition der beanspruchten Filterstruktur andere Parameter benutzt als der im Recherchenbericht genannte Stand der Technik, der die Angabe von Porengröße und -dichte bevorzugt, erscheint der Kammer die von der Anmelderin gewählte Charakterisierungsart der Filterstruktur weniger gebräuchlich zu sein. Dies verlangt nach Auffassung der Kammer - auch im Hinblick auf Regel 35 (12) EPÜ - in besonderem Maße eine vollständige und nachvollziehbare Offenbarung aller Meßeinheiten und Bezugsgrößen der die beanspruchte Erfindung charakterisierenden Parameter.
2.4. Auch unter Heranziehung der ursprünglichen Beschreibung zur Interpretation des Anspruchswortlauts bleibt es daher nach Auffassung der Kammer offen, welcher Durchströmgeschwindigkeit die angegebene Wasserdurchflußmenge von 5 m3/h entspricht. Aufgrund der Abhängigkeit eines Strömungswiderstandes von der Geschwindigkeit des strömenden Mediums, stellt der beanspruchte Meßbereich von 0.1 bis 0.9 bar.cm somit keine eindeutige Charakterisierung der Struktur des beanspruchten Keramikfilters dar. Die fehlende Angabe, welche Fläche die 5m3 Wasser pro Stunde durchfließen, ist also als ein aufgrund der ursprünglichen Offenbarung nicht heilbarer Mangel an Deutlichkeit anzusehen.
2.5. Die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Herstellungsschritte "Sprühen" und "Tauchen" legen die Ausdehnung der Randbereiche mit höherem Raumgewicht nicht fest. "Sprühen" und "Tauchen" haben nach Auffassung der Kammer den Charakter reiner Verfahrensmaßnahmen, die anhand der Struktur des fertigen Filters nicht erkennbar sind. Auch die Beschwerdeführerin konnte - auf Befragen hin - nicht angeben, ob und an welchen Strukturmerkmalen der vorgelegten Filterprobe die Herstellungsschritte "Sprühen" oder "Tauchen" feststellbar sind.
Selbst wenn man unterstellt, daß die im ursprünglichen Anspruch 6 explizit angegebenen Anströmflächenbereiche mit "offenem Flächenanteil" stets im Zentrum des Filters liegen, ist mit dieser Angabe die Ausdehnung der Randbereiche mit höherem Raumgewicht nicht bestimmt. Denn die Ausdehnung der nicht-offenen Anteile der Anströmfläche ist mit der Ausdehnung von Randbereichen höherer Raumdichte nicht identisch. Der Bereich höherer Raumdichte kann sich nämlich durchaus bis in den offenen Flächenanteil der Anströmfläche des Filters erstrecken ohne dort die Filterporen zu verstopfen.
Somit ist auch die Angabe "in den Randbereichen" nicht deutlich und kann auch mit Hilfe der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen nicht klargestellt werden.
2.6. Aus den vorstehend genannten Gründen entspricht Anspruch 1 nicht der gemäß Art. 84 EPÜ zu fordernden Deutlichkeit. Ferner ist sein sachlicher Inhalt ohne Verletzung von Artikel 123 (2) EPÜ nicht klarstellbar.
3. Bei dieser Sachlage erachtet es die Kammer für überflüssig, auf die Frage der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit einzugehen.
4. Mit Anspruch 1 fallen auch die von ihm abhängigen Ansprüche 2 bis 4.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.