T 0717/20 18-01-2021
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Dicht- und Montageband mit einem Schnittschutz
Rivaplan AG
Franz Kaldewei GmbH & Co. KG
Zolyomi, Alexander
Hafner AG
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent EP 2 405 067 B1 (im Folgenden: das Patent) betrifft ein Dicht- und Montageband, wie es im Sanitärbereich beim Setzen (Montieren) von Bade- und Duschwannen Verwendung findet.
II. Gegen das Patent wurden drei Einsprüche eingelegt und Widerruf im gesamten Umfang beantragt. Zudem erfolgte im Rahmen des Einspruchsverfahrens ein wirksamer Beitritt einer vermeintlichen Patentverletzerin, die von der Patentinhaberin vor dem Schweizer Bundespatentgericht in dieser Hinsicht verklagt worden war und die sodann gemäß Artikel 105 EPÜ als Einsprechende 4 am Einspruchsverfahren teilnahm. Als Einspruchsgründe wurden unzulässige Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung (Artikel 100 c) EPÜ), unzureichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) sowie mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ 1973) geltend gemacht.
III. Am Ende der mündlichen Verhandlung am 28. November 2019 ist die Einspruchsabteilung im Wesentlichen zu folgenden Feststellungen gekommen:
- Anspruch 1 in der erteilten Fassung entspreche nicht den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ,
- der Gegenstand von Anspruch 1 in der geänderten Fassung gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 1 sei nicht neu,
- Anspruch 1 in der geänderten Fassung gemäß dem mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 eingereichten Hilfsantrag 3 verstoße gegen die Erfordernisse von Artikel 84, 83 und 123 EPÜ,
- Anspruch 1 in der geänderten Fassung gemäß dem mit Schreiben vom 24. Oktober 2019 eingereichten Hilfsantrag 5 verstoße gegen die Erfordernisse von Artikel 84 und 83 EPÜ,
- Anspruch 1 in der geänderten Fassung gemäß dem in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 6 verstoße gegen die Erfordernisse von Artikel 84 und 123 (2) EPÜ.
Die Einspruchsabteilung hat deshalb entschieden, das Patent zu widerrufen.
IV. Die Patentinhaberin (im Folgenden: die Beschwerdeführerin) hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt. Sie beantragte mit der Beschwerdebegründung die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt oder die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung der Einsprüche betreffend die Patentfähigkeit. Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in eingeschränkter Fassung auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 11 oder die Zurückverweisung an die erste Instanz zur weiteren Prüfung der Einsprüche betreffend die Patentfähigkeit.
V. Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens
Auf Antrag des Schweizer Bundespatentgerichts vom 4. Juni 2020 wurde das Beschwerdeverfahren gemäß Artikel 10(4) bis (6) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) beschleunigt.
VI. Die Kammer hat den Beteiligten in einer Mitteilung vom 22. Juni 2020 mitgeteilt, dass die in Artikel 15(1) VOBK 2020 geregelten Fristen wegen der Beschleunigung des Verfahrens nicht gelten.
VII. Mit Schreiben vom 11. November 2020 ergänzte die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen unter Bezugnahme auf die Beschwerdeerwiderungen der Einsprechenden 1 bis 4 (im Folgenden: die Beschwerdegegnerinnen 1 bis 4). Mit einem weiteren Schreiben vom 10. Dezember 2010 reichte sie Muster verschiedener Dicht- und Montagebänder ein.
VIII. In der als Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Einschätzung des der Beschwerde zugrundeliegenden Sachverhalts mit. Zudem wies sie insbesondere darauf hin, dass für den Fall des Erfolgs der Beschwerde gegen die bislang in der angefochtenen Entscheidung entschiedenen Punkte eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung in Anbetracht des Beschleunigungsantrags des Schweizer Bundespatentgerichts nicht angebracht erscheine.
IX. Eine mündliche Verhandlung fand am 18. Januar 2021, ohne Einwände seitens der Verfahrensbeteiligten in Form einer Videokonferenz statt und, wie mit seinem Schreiben vom 8. Januar 2021 angekündigt, in Abwesenheit des Beschwerdegegners gemäß Artikel 15(3) VOBK 2020 und Regel 115(2) EPÜ.
Zum Ablauf der mündlichen Verhandlung, insbesondere zur Stellung von Anträgen bzw. deren Rücknahme durch die Beschwerdeführerin wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Gegenstand dieser Entscheidung sind nach Rücknahme der übrigen Anträge nur noch die in dem Schlussantrag der Beschwerdeführerin genannten (Hilfs-)Anträge.
X. Antragslage am Ende der Verhandlung
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der mit Schriftsatz vom 20. Mai 2020 eingereichten Hilfsanträge 4 oder 8 oder auf Grundlage des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 8a aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerinnen 1 bis 4 beantragten jeweils, die Beschwerde zurückzuweisen.
XI. Wortlaut des Anspruchs 1 der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Anträge
Der unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 4 inklusive einer von der Beschwerdeführerin vorgeschlagenen Merkmalsnummerierung lautet:
M1.1: "Dicht-und Montageband (100, 100a-100i) zum
Setzen eines Einbaugegenstandes (2) wie Bade- oder Duschwannen in eine Ecke,
M1.2: wobei das Dicht- und Montageband (100, 100a
-100i) eine Trägerfolie (4, 4a-4i) aus einem ersten, biegsamen Material umfasst,
M1.3: und wobei die Trägerfolie (4, 4a-4i)
mindestens einen ersten bzw. oberen Bereich (5, 5a-5i)
M1.4: und mindestens einen zweiten bzw. unteren
Bereich (6, 6a-6i) bildet,
M1.5: und wobei das Dicht- und Montageband (100,
100a-100i) im montierten Zustand mit dem zweiten bzw. unteren Bereich (6, 6a-6i) an eine Anschlussfläche (12) eines Einbaugegenstandes (2)
M1.6: und mit dem ersten bzw. oberen Bereich
(5f-5i) an einen Anschlussboden (29a) oder an eine Anschlusswand (1, 1b-le) anbringbar ist,
M1.6a: und wobei das Dicht- und Montageband eine
Klebefläche auf einer Vorderseite aufweist, wobei die Klebefläche auf der Vorderseite nur im zweiten bzw. unteren Bereich angeordnet ist, sodass nach dem Anbringen des Dicht- und Montagebandes an einem Rand des Einbaugegenstandes der erste bzw. obere Bereich des Dicht- und Montagebandes den Rand des Einbaugegenstandes überragt;
dadurch gekennzeichnet, dass
M1.7: das Dicht- und Montageband (100, 100b-100e)
mindestens einen an einer Vorder- bzw. Oberseite oder Rück- bzw. Unterseite der flexiblen Trägerfolie(4, 4b-4e) mittels einer Klebefläche (10, 15a, 15b, 21) angeklebten oder einen in mindestens eine Tasche (25) oder mindestens eine Schlaufe des Dicht- und Montagebandes einsetzbaren Schnittschutz-Streifen (9, 9b-9e) aus einem zweiten, flexiblen Material umfasst,
M1.7a: wobei der Schnittschutz-Streifen (9, 9b-9i)
derart flexibel ist, dass das Dicht- und Montageband (100, 100a-100i) zum Setzen von Einbaugegenständen insgesamt um und in Ecken gelegt werden kann, und
M1.8: wobei das zweite, flexible Material
schnittfest ist, und
M1.9: wobei der flexible Schnittschutz-Streifen
(9,9e) den ersten bzw. oberen Bereich
(5, 5e) und den zweiten bzw. unteren Bereich (6, 6e) teilweise überlappt."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 betrifft eine
M1.1: "Verwendung eines Dicht- und Montagebandes
(100, 100a-100i) zum Setzen eines Einbaugegenstandes wie Bade- oder Duschwannen in eine Ecke,
M1.2: wobei das Dicht- und Montageband (100, 100a
-100i) eine Trägerfolie (4, 4a-4i) aus einem ersten, biegsamen Material umfasst,
M1.3: und wobei die Trägerfolie (4, 4a-4i)
mindestens einen ersten bzw. oberen Bereich (5, 5a-5i)
M1.4: und mindestens einen zweiten bzw. unteren
Bereich (6, 6a-6i) bildet,
M1.5: und wobei das Dicht- und Montageband (100,
100a-100i) im montierten Zustand mit dem zweiten bzw. unteren Bereich (6, 6a-6i) an eine Anschlussfläche (12) eines Einbaugegenstandes (2)
M1.6: und mit dem ersten bzw. oberen Bereich
(5f-5i) an eine Anschlusswand (1, 1b-le) anbringbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
M1.7: das Dicht- und Montageband (100, 100b-100e)
mindestens einen an einer Vorder- bzw. Oberseite oder Rück- bzw. Unterseite der flexiblen Trägerfolie (4, 4b-4e) mittels einer Klebefläche (10, 15a, 15b, 21) angeklebten oder einen in mindestens eine Tasche (25) oder mindestens eine Schlaufe des Dicht- und Montagebandes einsetzbaren Schnittschutz-Streifen (9, 9b-9e) aus einem zweiten, flexiblen Material umfasst
M1.8: und wobei das zweite, flexible Material
schnittfest ist."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8a ist gerichtet auf eine
"Verwendung eines Dicht- und Montagebandes (100, 100a-100i) zum Setzen eines Einbaugegenstandes (2) wie Bade- oder Duschwannen in eine Ecke, wobei das Dicht- und Montageband (100, 100a-100i) eine Trägerfolie (4, 4a-4i) aus einem ersten, biegsamen Material umfasst, und wobei die Trägerfolie (4, 4a-4i) mindestens einen ersten bzw. oberen Bereich (5, 5a-5i) und mindestens einen zweiten bzw. unteren Bereich (6, 6a-6i) bildet und wobei das Dicht- und Montageband (100, 100a-100i) im montierten Zustand mit dem zweiten bzw. unteren Bereich (6, 6a-6i) an eine Anschlussfläche (12) eines Einbaugegenstandes (2) und mit dem ersten bzw. oberen Bereich (5f-5i) an eine Anschlusswand (1, 1b-1e) anbringbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass das Dicht- und Montageband (100, 100b-100e) mindestens einen an einer Vorder- bzw. Oberseite der flexiblen Trägerfolie (4, 4b-4e) mittels einer Klebefläche (10, 15a, 15b, 21) angeklebten oder einen in mindestens eine Tasche (25) oder mindestens eine Schlaufe des Dicht- und Montagebandes einsetzbaren Schnittschutz-Streifen (9, 9b-9e) aus einem zweiten, flexiblen Material in Form mindestens einer flexiblen Metallfolie oder in Form mindestens eines flexiblen Kevlar- oder Carbon-Gewebes umfasst und wobei das zweite, flexible Material schnittfest ist."
XII. Beweismittel
Auf folgende bereits in der angefochtenen Entscheidung zitierte Dokumente wird in dieser Entscheidung Bezug genommen:
D1: Wetzel, H.-H.: "Verbundabdichtungen in Nassräumen
- Vor-und I Nachteile - Erfahrungen aus der Praxis". 5. Leipziger Abdichtungsseminar über Abdichtungen im Bauwesen - Normung, Zulassung, Forschung und Anwendung", Leipzig, 19-01-2010; Seiten 113 bis 134;
D13: EP 2 071 091 A2;
D15: DE 10 2007 030868 A1;
D19: DE 299 08 603 U1;
D27: JPH 09 125 560.
XIII. Das für diese Entscheidung relevante schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Eine Klebefläche sei für einen Fachmann eine Fläche, die Klebstoff aufweise, und nicht nur eine Fläche, auf die Klebstoff aufgetragen werden könne. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 sei unter Berücksichtigung dieser allgemein üblichen Auslegung des Begriffs "Klebefläche" neu, da die Dokumente D19 und D27 kein Montage- und Dichtband beschrieben, das eine Klebefläche aufweise.
Ausgehend von D15, das einen geeigneten nächstliegenden Stand der Technik darstelle, gebe es keinerlei Veranlassung, beim Setzen eines Sanitärgegenstandes ein Montageband einzusetzen, das einen Schnittschutz-Streifen aufweise. Weder adressiere D15 die Problematik, dass beim Erneuern einer Silikonfuge das darunterliegende Dichtband beschädigt werde könne, noch liefere es einen Anreiz dazu, aus anderen Gründen einen Schnittschutz-Streifen auf dem Montageband vorzusehen.
Der während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereichte Hilfsantrag 8a stelle eine unmittelbare Reaktion auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung geführte Diskussion zur erfinderischen Tätigkeit dar und räume den Einwand in Bezug auf D15 aus. Es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Berücksichtigung des weiteren Hilfsantrags rechtfertigten, da die erfinderische Tätigkeit im Einspruchsverfahren nicht vollständig diskutiert und das Beschwerdeverfahren beschleunigt worden sei.
XIV. Das entsprechende Vorbringen der Beschwerdegegnerinnen 1 bis 4 lässt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Eine Klebefläche bezeichne keine Klebeschicht, sondern eine Fläche, auf die gegebenenfalls ein Haftvermittler, also der Klebstoff, aufgetragen werden könne. Die Begriff Klebefläche bezeichne lediglich eine Fläche, mit der ein Gegenstand an einem anderen Gegenstand angeklebt werden soll. Jede beliebige Fläche könne als Klebefläche verwendet werden.
Die Dokumente D19 und D27 offenbarten ein Montage- und Dichtband, das neben den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 auch eine Fläche aufweise, auf die Klebstoff aufgetragen werden könne, also eine Klebefläche. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 sei daher nicht neu.
Anspruch 8 definiere die Verwendung eines Montage- und Dichtbandes, das den Schnittschutz-Streifen auf der Vorderseite oder aber auf der Rückseite aufweisen könne. Ein Schnittschutz-Streifen schütze das Band vor Schnitten und damit letztendlich vor mechanischer Beanspruchung.
Der Einsatz eines derartigen Bandes zum Setzen einer Badewanne werde in D15 beschrieben, das daher einen möglichen nächstliegenden Stand der Technik darstelle.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 8 unterscheide sich von der Offenbarung der D15 dadurch, dass die mechanische Schutzschicht schnittfest sei.
Ausgehend von D15 könne die von der Verwendung gemäß Hilfsantrag 8 objektiv zu lösende technische Aufgabe darin gesehen werden, beim Setzen eines Einbausgegenstandes ein Band mit ausreichender mechanischer Schutzwirkung einzusetzen.
Das Patent definiere nicht, in welchem Maß der Schnittschutz ausgebildet werden solle. Auch enthalte der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 keinerlei Einschränkung hinsichtlich des einzusetzenden Materials oder der Dimensionierung des Schnittschutz-Streifens.
Bei der Wahl eines geeigneten mechanisch stabilen Materials greife der Fachmann bei der Nacharbeitung der D15 auf gängige Materialien zurück. Derartige Materialien seien inhärent zu einem gewissen Maß schnittfest, da sie einer mechanischen Belastung wie Abrieb standhalten müssten. Somit gelange der Fachmann in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand des Hilfsantrags 8. Sollte ein Fachmann ausgehend von D15 Zweifel haben, welche Materialien eingesetzt werden könnten, berücksichtige er bekannte Materialien wie z.B. in D13 beschriebene Metallstreifen oder in D1 beschriebene PVC-Profile und gelange so ohne erfinderisches Zutun ebenfalls zum beanspruchten Gegenstand.
Weiterhin sei es naheliegend, den in D1 in Bild 20 dargestellten Schnittschutz in Form eines PVC-Profils auf der Vorderseite des in D15 beschriebenen Dicht- und Montagebandes einzusetzen, um den in D1 beschriebenen Schnittschutz zu erzielen.
Im Hinblick auf den erst in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrag 8a habe die Beschwerdeführerin keine anerkennenswerten außergewöhnlichen Umstände geltend gemacht, die die mit der späten Einreichung verbundene Änderung des Beschwerdevorbringens zu einem sehr späten Verfahrensstand, nämlich erst während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer, rechtfertigen könnten. Der Einwand zur erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D15 in Kombination mit D1 oder D13 sei bereits von der Beschwerdeführerin selbst in ihrer Beschwerdebegründung und auch in der Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin 4 im Detail diskutiert worden. Wenigstens in Reaktion auf die Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin 4 habe die Beschwerdeführerin Veranlassung gehabt, einen in dieser Hinsicht abgeänderten Hilfsantrag einzureichen.
Auch in der Mitteilung der Kammer, die den Verfahrensbeteiligten als Anlage zur Ladung zugestellt wurde, sei dementsprechend bereits die erfinderische Tätigkeit adressiert worden. Eine überraschende Wendung des Falls habe daher entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist am 18. März 2020 nach dem Inkrafttreten der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) am 1. Januar 2020 eingelegt worden, die folglich für dieses Beschwerdeverfahren maßgeblich ist.
2. Hilfsantrag 4 - Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ
2.1 Dieser Hilfsantrag entspricht Hilfsantrag 3 der angefochtenen Entscheidung, hinsichtlich dessen die Einspruchsabteilung die Voraussetzungen der Artikel 84 und 83 EPÜ nicht als gegeben angesehen hat. Ob dies zutreffend war, kann für diese Entscheidung dahinstehen, da es darauf nicht mehr ankommt. Insbesondere auch nachdem das Verfahren im Hinblick auf die vor dem Schweizer Bundespatentgericht anhängige Patentverletzungsklage beschleunigt worden war, hätte die Kammer, auch wenn sie die Voraussetzungen der Artikel 84 und 83 EPÜ als gegeben angesehen hätte, keinerlei Gründe dafür gesehen, das Verfahren entgegen Artikel 11 VOBK 2020 an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung der Patentfähigkeit, insbesondere der Neuheit, zurückzuverweisen. Sie hat stattdessen von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, diese Frage selbst zu entscheiden und im Ergebnis zu verneinen.
2.2 Auslegung von Anspruch 1
2.2.1 Anspruch 1 ist auf ein Dicht- und Montageband gerichtet, das in den Merkmalen M1.3 und M1.4 abstrakt in verschiedene Bereiche unterteilt wird:
M1.3: "und wobei die Trägerfolie (4, 4a-4i)
mindestens einen ersten bzw. oberen Bereich (5, 5a-5i)
M1.4: und mindestens einen zweiten bzw. unteren
Bereich (6, 6a-6i) bildet".
Diese abstrakt definierten Bereiche sind auf einem Band allerdings physisch nicht erkennbar und können daher als solches nicht zur Abgrenzung von bekannten Dicht- und Montagebändern dienen.
Die Bereiche dienen gemäß den weiteren Merkmalen M1.5, M1.6 dazu, das Band anhand seiner Positionierung im montierten Zustand zu definieren:
M1.5: "und wobei das Dicht- und Montageband (100,
100a-100i) im montierten Zustand mit dem zweiten bzw. unteren Bereich (6, 6a-6i) an eine Anschlussfläche (12) eines Einbaugegenstandes (2)
M1.6: und mit dem ersten bzw. oberen Bereich
(5f-5i) an einen Anschlussboden(29a) oder an eine Anschlusswand (1, 1b-le) anbringbar ist".
Diese beabsichtigte mögliche Positionierung im eingebauten Zustand drückt bestenfalls eine Eignung des Bandes für die Anbringung in dieser Positionierung aus, charakterisiert darüber hinausgehend das Band als solches allerdings nicht.
Auch die in Merkmal M1.9 definierte Überlappung des Schnittschutz-Streifens mit diesen beiden rein abstrakt vorstellbaren Bereichen ist nicht geeignet, das beanspruchte Band von bekannten Bändern abzugrenzen, die anderweitig alle übrigen Merkmale des Anspruchs aufweisen.
2.2.2 Gemäß Merkmal M1.6a soll das Dicht- und Montageband eine Klebefläche auf der Vorderseite aufweisen, die nur im zweiten bzw. unteren Bereich angeordnet ist, so dass nach dem Anbringen des Dicht- und Montagebandes an einem Rand des Einbaugegenstandes der erste bzw. obere Bereich des Dicht- und Montagebandes den Rand des Einbaugegenstandes überragt.
Eine Klebefläche stellt nach dem allgemeinen Verständnis eine Fläche dar, die dazu bestimmt ist, mittels eines Klebemittels eine klebende Verbindung zu einem weiteren Gegenstand herzustellen.
Der Ausdruck "Klebefläche" impliziert allerdings nicht, dass auf dieser Fläche bereits ein Klebemittel vorhanden sein muss. Vielmehr könnte dieses auch erst unmittelbar vor der Montage auf die Klebefläche aufgetragen werden oder nur auf der entsprechenden Klebefläche des Gegenstands vorhanden sein, auf dem das Montage- und Dichtband angeklebt werden soll.
Ein "Band mit einer Klebefläche" ist somit nicht gleichzusetzen mit einem Band, das eine Kleberschicht aufweist. Das letztere kann zwar der Fall sein, es ist aber nicht zwingend so.
Daher erfüllt jedes Montageband, das eine Fläche aufweist, auf die bestimmungsgemäß Kleber aufgetragen werden kann, das Merkmal M1.6a des Anspruchs 1.
2.2.3 In Abwesenheit einer Definition von konkreten Abmessungen bzw. eines Dicken- oder Größenverhältnisses kann ein Streifen in Übereinstimmung mit der Lehre in Absatz [0013] des Patents aus einer Folie bestehen. Zudem ist eine bandförmige Folie letztendlich nichts anderes als ein Streifen. Die Begriffe "Trägerfolie" und "Streifen" in den Merkmalen M1.7 und M1.8 implizieren somit keine weiteren, klar erkennbaren Merkmale, die zu einer Abgrenzung in Bezug auf die in den folgenden Dokumenten beschriebenen Ausführungsformen führen können.
2.3 Neuheit in Hinblick auf D19
D19 offenbart eine Fugenabdichtung mit einem Dichtkörper, der als ein mit einem elastischen Material beschichtetes Dichtband ausgebildet ist. Gemäß dem drittletzten Absatz der Seite 4 umfasst die Abdichtung eine Schicht aus elastischem Material, die auf ein textiles Gittergewebe aufgeklebt ist. Das elastische Material besteht gemäß dem vorletzten Absatz der Seite 4 aus einem Polyblend auf der Basis von Acrylnitril-Butadien-Kautschuk. Diese elastische Kautschukschicht, die als eine Trägerfolie angesehen werden kann, wird auf eine textile Gitterstruktur aufgeklebt. Das textile Gittergewebe besteht gemäß Seite 4, 4. Absatz aus Polyester oder Glasfasern und ist damit flexibel und vergleichsweise schnittfest. In Abwesenheit konkreter Definitionen und Dimensionen für die Materialien der Trägerfolie und des Schnittschutzstreifens ist die in D19 offenbarte Fugenabdichtung folglich für den in Anspruch 1 angegebenen Zweck als Montage- und Dichtband geeignet.
Für die Beschwerdeführerin stellt das Vorhandensein einer Klebefläche gemäß Merkmal M1.6a das Unterscheidungsmerkmal in Bezug auf D19 dar.
Dieser Auffassung vermag die Kammer nicht zu folgen. Das Band gemäß D19 weist vielmehr auf seiner Vorderseite durchaus eine Fläche auf, die mit Kleber beaufschlagt werden kann und damit, wie in Punkt 1.1.2 dargelegt, als Klebefläche eingesetzt werden kann.
Die rein abstrakte Unterteilung der Fläche der Vorderseite des Montage- und Dichtbandes in eine Klebefläche im zweiten bzw. unteren Bereich und eine weitere Fläche, die nach dem Anbringen des Dicht- und Montagebandes an einem Rand des Einbaugegenstandes diesen überragt, ist auf einem Band allerdings physisch ohne zwingend vorhandenes Klebemittel auf der Klebefläche nicht erkennbar.
Das in D19 beschriebene Band ist augenscheinlich dazu geeignet, mittels Klebemittel mit seiner Vorderseite an einem Einbaugegenstand so angeklebt zu werden, dass ein Teil des Bandes den Rand des Einbaugegenstandes wie von Merkmal M1.6a des Anspruchs 1 gefordert überragt.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 ist daher nicht neu in Hinblick auf D19.
2.4 Neuheit in Hinblick auf D27
D27 offenbart einen bandförmigen Verbundwerkstoff, siehe Absätze [0002] und [0008], der gemäß Absatz [0007] aus einer abdichtenden Basisschicht aus Aluminiumfolie und einer gemäß Absatz [0006] darauf mittels einer Klebeschicht angeklebten Karbonfaser-Matte besteht. Gemäß der Lehre in Absatz [0013] des Patents, wonach das Schnittschutzmaterial auch als Gitterstruktur oder als Gewebe ausgestaltet sein kann, das zudem vollflächig auf dem Trägermaterial angeordnet sein kann, ist die in D27 beschriebene Karbonfasermatte als Schnittschutzstreifen gemäß Anspruch 1 anzusehen.
Ferner ist es gemäß Anspruch 1 ausdrücklich möglich, dass der Schnittschutzstreifen auf der Vorder- oder auf der Rückseite der Trägerfolie angeordnet ist. Das in D27 beschriebene Band erfüllt daher alle strukturellen Erfordernisse gemäß Anspruch 1 und ist folglich für das Setzen eines Einbaugegenstandes geeignet. Das Fehlen eines nachvollziehbaren Grundes, wonach das in D27 beschriebene Band für das Setzen eines Einbaugegenstandes ungeeignet sein soll, wurde der Beschwerdeführerin in der vorläufigen Mitteilung gemäß Artikels 15(1) VOBK 2020 mitgeteilt. Hierzu hat sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor der Kammer keine weiterführenden Erklärungen abgegeben.
Das Band weist auf seiner Vorderseite eine Fläche auf, die dazu geeignet ist, teilweise mit Kleber beaufschlagt zu werden. Folglich weist das Band gemäß D27 aus den in Hinblick auf D19 bereits dargelegten Gründen eine Fläche auf, die als Klebefläche eingesetzt werden kann.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 4 ist daher auch in Hinblick auf D27 nicht neu.
2.5 Der Hilfsantrag 4 erfüllt folglich nicht die Erfordernisse der Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und ist daher nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag 8 - Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ
Die oben unter Punkt 1 gemachten Ausführungen treffen sinngemäß auch für diesen Hilfsantrag zu, der als Hilfsantrag 6 in der angefochtenen Entscheidung behandelt worden ist. Neuheitseinwände sind insoweit von den Beschwerdegegnerinnen nicht geltend gemacht worden. Im Ergebnis ist hier aber die erfinderische Tätigkeit zu verneinen, so dass es auf Fragen betreffend Artikel 84 und 83 EPÜ nicht mehr ankommt.
3.1 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 8 adressiert die Verwendung eines Dicht- und Montagebandes zum Setzen eines Einbaugegenstandes wie einer Badewanne in eine Ecke.
Dokument D15 zeigt in Figur 3 den Einsatz eines Wannenanschlussstreifens zum Setzen einer Badewanne. Der Streifen wird dabei klar erkennbar und unstreitig auch in den abgerundeten Ecken der Wanne eingesetzt.
In Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Verfahrensbeteiligten stellt D15 daher einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar.
3.2 Gemäß den Ansprüchen 1 und 10 weist der mehrlagige Wannenanschlussstreifen eine flache Dichtungslage (2), einen darauf angeklebten Dämmstreifen (6) und einen Schutzstreifen (7) auf.
Gemäß Absatz [0024] dient der Schutzstreifen (7) als mechanischer Schutz des demgegenüber empfindlicheren Dämmstreifens 6 und schützt diesen beim Einbau vor Abrieb an der Gebäudewand. D15 offenbart allerdings nicht, aus welchem Material dieser Schutzstreifen ausgebildet ist, und offenbart dementsprechend auch nicht, ob dieser als Schnittschutz-Streifen geeignet ist.
3.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich daher von der in D15 beschriebenen Verwendung des Wannenanschlussstreifens unstreitig dadurch, dass das einzusetzende Montage- und Dichtband auf der Vorder- oder Rückseite einen Schnittschutz-Streifen aufweist.
3.4 Befindet sich der Schnittschutz-Streifen auf der Seite des Bandes, die im montierten Zustand zum Einbaugegenstand hin weist, im Folgenden die Vorderseite genannt, kann der von diesem Streifen erzielte Effekt darin liegen, einer mechanischen Verletzung des Dichtbandes im eingebauten Zustand, beispielsweise beim Entfernen einer Silikonfuge mit einem Cuttermesser, entgegenzuwirken.
Befindet sich der Schnittschutz-Streifen allerdings auf der Seite des Bandes, die zur Anschlusswand weist, im folgenden die Rückseite genannt, kann dieser Effekt nicht glaubhaft erzielt werden, da sich der Schnittschutz-Streifen dann hinter dem zu schützenden Dichtstreifen befindet.
Die Beschwerdeführerin argumentiert diesbezüglich, dass die Dichtfunktion des Montagebandes auch bei dieser Ausführungsform gemäß Anspruch 1 gewährleistet werden würde. Die Dichtfunktion werde durch den Kleber ermöglicht, mittels dem der Schnittschutz auf der Rückseite des Dichtbandes angeklebt ist.
Dies ist allerdings nicht nachvollziehbar. Zum einen definiert Anspruch 1 nicht, dass der Schnittschutz-Streifen mit einem Kleber so am Dichtband angeklebt wird, dass eine dichte Verbindung auch dann noch gewährleistet wird, wenn das dafür eigentlich vorgesehene Dichtband beschädigt wird. Weiterhin kann es sich bei dem Schnittschutz gemäß der Lehre in Absatz [0013] um eine perforierte Folie oder ein Gewebe handeln. Für derartige vom Anspruch 1 umfasste Ausführungsformen ist es nicht nachvollziehbar, dass diese nach mechanischer Beschädigung des Dichtbandes noch die Dichtheit des Bandes gewährleisten kann.
Weiterhin ist es nach Anspruch 1 auch nicht zwingend erforderlich, dass der Schnittschutz-Streifen überhaupt angeklebt ist. Dieser kann vielmehr auch lose in einer Tasche oder von einer Schlaufe gehalten werden.
3.5 Für die Ausführungsform gemäß Anspruch 1, wonach der Schnittschutz-Streifen auf der Rückseite angebracht ist, kann die objektive technische Aufgabe daher nicht darin liegen, eine Beschädigung des Dichtbandes im eingebauten Zustand zu vermeiden.
Vielmehr muss die Aufgabe allgemeiner formuliert werden als die Verwendung eines Dicht- und Montagebandes zum Setzen eines Einbaugegenstandes in eine Ecke, das auch einen mechanischen Schutz vor Schnitten liefert.
3.6 Die Wahl eines geeigneten Materials für den Schutzstreifen (7) in Abhängigkeit des beabsichtigten Ausmaßes an mechanischen Schutz liegt im Rahmen der üblichen Vorgehensweise des Fachmanns.
Der Fachmann könnte dafür übliche Materialien wie PVC- Streifen verwenden, die beispielsweise in D1 (Bild 20) beschrieben werden, die jeweils für einen mechanischen Schutzstreifen geeignet sind und inhärent auch einen gewissen Schnittschutz liefern sowie eine gewisse Flexibilität aufweisen.
3.7 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher naheliegend ausgehend von D15.
Der Hilfsantrag 8 erfüllt folglich nicht die Erfordernisse der erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) und ist daher nicht gewährbar.
4. Zulassung von Hilfsantrag 8a
4.1 Hilfsantrag 8a wurde erstmals zu einem Zeitpunkt eingereicht, als die mündliche Verhandlung vor der Kammer bereits bis kurz vor ihrem Ende fortgeschritten war, nachdem alle übrigen Anträge entweder zurückgenommen oder als nicht gewährbar erachtet worden waren.
Der neu eingereichte Hilfsantrag 8a stellt eine Änderung des Beschwerdevorbringens nach Artikel 13(2) VOBK 2020 dar, da die vorgenommenen Einschränkungen in Bezug auf das Material des Schnittschutz-Streifens in Hinblick auf das bis zu diesem Zeitpunkt vorgebrachte Vorbringen seitens der Beschwerdeführerin nicht vorhersehbar und auch nicht daraus unmittelbar ableitbar war.
Gemäß den Bestimmungen in Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
4.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass im vorliegenden Fall folgende außergewöhnliche Umstände eine Zulassung des Hilfsantrags rechtfertigten:
- die Beschwerde sei stark beschleunigt behandelt
worden,
- die erfinderische Tätigkeit sei im
Einspruchsverfahren nicht berücksichtigt worden.
4.3 Die Kammer kann sich der Ansicht der Beschwerdeführerin, dass es sich dabei stichhaltige Gründe für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände handelt, nicht anschließen.
4.3.1 Das Beschwerdeverfahren dient maßgeblich der Überprüfung der angefochtenen Entscheidung, wodurch dem Unterlegenen die Möglichkeit gegeben wird, die ihm nachteilige Entscheidung anzufechten und ein gerichtliches Urteil über die Richtigkeit einer erstinstanzlichen Entscheidung zu erwirken. Somit ist der faktische und rechtliche Rahmen des Einspruchsverfahrens weitestgehend für das weitere Beschwerdeverfahren bestimmend (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, 2019, Kapitel V.A.4.2.1).
Die gemäß Artikel 10 (4) VOBK 2020 beschleunigte Behandlung einer Beschwerde auf Antrag eines nationalen Gerichts hat keinen rechtlichen Einfluss auf die eigentliche Aufgabe des Beschwerdeverfahrens und bietet insbesondere keine Rechtfertigung dafür, das Beschwerdevorbringen durch das Vorlegen neuer Anträge im letztmöglichen Zeitpunkt des Beschwerdeverfahrens zu ändern.
Die Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens ist daher kein außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020. Die Beschwerdeführerin hat sich auch nicht etwa darauf berufen, dass sie gerade wegen der Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens nicht in der Lage gewesen wäre, Hilfsantrag 8a frühzeitiger einzureichen.
4.3.2 Der Beschwerdeführerin kann zwar dahingehend zugestimmt werden, dass die erfinderische Tätigkeit in der angefochtenen Entscheidung nicht abgehandelt wurde. Dieser Umstand ist also solcher schon nicht außergewöhnlich.
Abgesehen davon war er der Beschwerdeführerin schon seit der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchabteilung bekannt und ist von ihr in der Beschwerdebegründung auch insoweit in Rechnung gestellt worden, als sie selbst in Punkt V.E in den Randnoten 167 bis 170 ihrer Beschwerdebegründung und in Abschnitt H ihres Schreibens vom 11. November 2020 die erfinderische Tätigkeit ausgehend von D15 diskutiert hat. Dementsprechend wurde die Angriffslinie ausgehend von D15 beispielsweise auch von der Beschwerdegegnerin 4 in ihrer Beschwerdeerwiderung in Abschnitt 12.3 in der Randnote 113 diskutiert. Dass die Kammer diesen Angriff als durchgreifend gegenüber Hilfsantrag 8 ansehen könnte, musste also von der Beschwerdeführerin von Anfang an in Betracht gezogen werden und konnte mithin keine einen weiteren neuen Antrag rechtfertigende Überraschung für die Beschwerdeführerin darstellen.
Zudem musste die Beschwerdeführerin angesichts der Regelung des Artikels 11 VOBK 2020 ohne weiteres und jederzeit damit rechnen, dass die Kammer im Hinblick auf die bereits im Juni 2020 ausgesprochene Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens die Sache nicht an die Einspruchsabteilung zurückverweisen, sondern in vollem Umfang selbst und damit auch über die erfinderische Tätigkeit aller Anträge entscheiden könnte. Die Beschwerdeführerin hat auch selbst keinen vorrangigen Antrag auf Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung gestellt, sondern als oberstes Ziel die Aufrechterhaltung des Patents verfolgt. Dass hierzu auch die Erörterung und die Entscheidung über die erfinderische Tätigkeit gehören muss, ist nur folgerichtig.
4.4 In Abwesenheit eines die späte Einreichung rechtfertigenden außergewöhnlichen Umstands lässt die Kammer Hilfsantrag 8a in Anwendung von Artikel 13 (2) VOBK 2020 daher unberücksichtigt.
5. Da nach alledem kein gewährbarer Anspruchssatz vorliegt, hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.