T 0398/86 16-03-1987
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Behälter zur Aufbewahrung eines Bilderstapels
Zurückverweisung an die Vorinstanz
Rechtliches Gehör (ausreichendes)
Verfahrensmangel nicht gegeben
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (abgelehnt)
Remittal to the deciding authority
basis of decision (sufficient)
procedural violation not present
reimbursement of appeal fee (refused)
I. Die am 27. September 1983 angemeldete und am 18. April 1984 unter Nummer 0 105 455 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 83 109 646.6, für die die Priorität einer früheren Anmeldung vom 4. Oktober 1982 in Anspruch genommen wird, ist von der Prüfungsabteilung 087 durch Entscheidung vom 6. August 1986 zurückgewiesen worden.
Der Entscheidung lagen die am 18. April 1986 eingegangenen Ansprüche 1 und 2 und die ursprünglichen Ansprüche 2 bis 15 zugrunde.
II. In ihrer Entscheidung führt die Prüfungsabteilung aus, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik gemäß den Figuren 9 bis 14 der NL-A- 7 809 570 nicht neu sei. Hinsichtlich des unabhängigen Anspruchs 2 räumt sie ein, daß er möglicherweise eine patentfähige Lehre zum technischen Handeln enthalten könnte. Da dieser Anspruch jedoch nicht allein, sondern antragsgemäß nur neben dem nicht gewährbarenAnspruch 1 weiterverfolgt werde, habe die Anmeldung zurückgewiesen werden müssen.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin am 26. September 1986 Beschwerde eingelegt und diese im selben Schriftsatz schriftlich begründet. Auch die Beschwerdegebührist am 26. September 1986 bezahlt worden.
Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der Entscheidung der Prüfungsabteilung und die Erteilung eines Patents mit den dem Beschwerdeschriftsatz beigefügten neugefaßten Ansprüchen 1 und 3 und dem am 18. April 1986 eingegangenen Anspruch 2. Sie vertritt die Auffassung, daß die jeweils im kennzeichnenden Teil der als unabhängige Patentansprüche abgefaßten neuen Ansprüche 1 bis 3 angegebenen Merkmale weder der NL-A- 7 809 570 noch einer der anderen im Verfahren befindlichen Druckschriften entnehmbar seien.
Im übrigen ist sie der Ansicht, daß die Zurückweisungsentscheidung zumindest verfrüht ergangen sei, zumal die Prüfungsabteilung in ihr hinsichtlich des unabhängigen Anspruchs 2 selbst eingeräumt habe, daß dieser möglicherweise eine patentfähige Lehre enthalte. Sie beantragt daher die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen eines Verfahrensfehlers.
Mit Eingabe vom 6. Februar 1987 beantragt sie ferner hilfsweise, die Entscheidung aufzuheben und die Anmeldung zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.
IV. Die dem Antrag auf Patenterteilung zugrundeliegenden geltenden Patentansprüche 1 bis 3 lauten:
1. Behälter zur Aufbewahrung eines Bilderstapels mit einem Sichtfenster (102), an dem ein Bild mittels einer Anlegeanordnung flächig anliegend präsentiert wird, welcher Behälter zwei im wesentlichen flächenkongruente, durch Trennelemente (108) voneinander abgetrennte Kammern aufweist, von denen eine auf der den Trennelementen abgewandten Seite von dem Sichtfenster begrenzt ist und in ihrer Abmessung zwischen den Trennelementen und dem Sichtfenster auf die Dicke eines Bildes derart abgestimmt ist, daß die Trennelemente zugleich die Anlegeanordnung bilden, wobei an einem parallel zur Sichtfensterebene aus dem Behälter herausziehbaren Schieber (104) die Trennelemente sowie Mitnahmeelemente (110,112), mittels denen alle Bilder aus dem Behälter herausförderbar sind, angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Trennelemente (108) als vorzugsweise durchbrochener (bei 116) fensterebenenparalleler Boden ausgebildet sind und daß die von ihm begrenzten Kammern bei herausgezogenem Schieber beidseitig offen sind.
2. Behälter zur Aufbewahrung eines Bilderstapels mit einem Sichtfenster, an dem ein Bild mittels einer Anlegeanordnung flächig anliegend präsentiert wird, welcher Behälter zwei im wesentlichen flächenkongruente, durch Trennelemente voneinander abgetrennte Kammern aufweist, von denen eine auf der den Trennelementen abgewandten Seite von dem Sichtfenster begrenzt ist und in ihrer Abmessungzwischen den Trennelementen und dem Sichtfenster auf die Dicke eines Bildes derart abgestimmt ist, daß die Trennelemente zugleich die Anlegeanordnung bilden, dadurch gekennzeichnet, daß ein Mitnahmeelement (152) vorgesehen ist, mittels dem wahlweise beim Öffnen des Behälters jeweils alle in einer der Kammern befindlichen Bilder in eine Entnahmeposition bringbar sind.
3. Behälter zur Aufbewahrung eines Bilderstapels mit einem Sichtfenster (162, 170), an demein Bild mittels einer Anlegeanordnung flächig anliegend präsentiert wird, welcher Behälter zwei im wesentlichen flächenkongruente, durch Trennelemente (168) voneinander abgetrennte Kammern aufweist, von denen eine auf der den Trennelementen abgewandten Seite von dem Sichtfenster begrenzt ist und in ihrer Abmessung zwischen den Trennelementen und dem Sichtfenster auf die Dicke eines Bildes derart abgestimmt ist, daß die Trennelemente zugleich die Anlegeanordnung bilden, wobei an einem parallel zur Sichtfensterebene aus dem Behälter herausziehbaren Schieber (163) die Trennelemente sowie Mitnahmeelemente, mittels denen alle Bilder aus dem Behälter herausförderbar sind, angeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Trennelemente bei herausgezogenem Schieber (163) von der dem Sichtfenster (162,170) abgewandten Kammer derart wegklappbar sind, daß in ihr befindliche Bilder (172) entnehmbar sind.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2.a) Nachdem die Beschwerdeführerin einen neugefaßten Anspruch 1 vorgelegt hat, braucht die Frage, ob der Gegenstand des bisherigen Anspruchs 1 durch die NL-A- 7 809 570, Ausführungsform gemäß den Figuren 9 bis 14 neuheitsschädlich vorweggenommen ist oder ob - wie dies die Beschwerdeführerin meint - das die getrennte Entnehmbarkeit der Bilder aus den beiden Kammern betreffende Merkmal dort nicht vorhanden ist, nicht näher untersucht zu werden.
b) Auf jeden Fall ist der Gegenstand des mit der Beschwerdebegründung vorgelegten geltenden Anspruchs 1 gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu. Weder die den nächstkommenden Stand der Technik bildende NL-A- 7 809 570 noch die beiden übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften offenbaren einen Bildbehälter der im Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebenen Art, bei dem das einen Bestandteil des Schiebers bildende Trennelement als zur Fensterebene paralleler Boden ausgebildet ist und bei dem außerdem die beiden Kammern jeweils auf der dem Boden abgewandten Seite offen sind. Das betreffende Merkmal im Anspruch 1, wonach die vom Boden begrenzten Kammern bei herausgezogenem Schieber "beidseitig offen" sind, wird dabei von der Beschwerdekammer in vorstehendem Sinn interpretiert.
c) Der Stand der Technik offenbart auch kein Mitnahmeelement, mit dem wahlweise das in der oberen Kammer befindliche Einzelbild oder der in der unteren Kammer befindliche Bilderstapel entnehmbar ist. Daher ist auch der Gegenstand des Anspruchs 2 neu. Zu diesem Anspruch ist allerdings zu bemerken, daß er nicht - wie die neuen Ansprüche 1 und 3 - auf einen Behälter mit einem Schieber, der sowohl Mitnehmer, als auch die Trennelemente aufweist, beschränkt worden ist und sich daher nicht, wie von der Beschwerdeführerin angegeben, auf die Ausführungsform gemäß den Figuren 5 und 6 bezieht.
d) Schließlich offenbart der Stand der Technik auch keinen Bildbehälter mit Trennelementen für die Ausbildung einer ein Einzelbild aufnehmenden Kammer, die von der dem Sichtfenster abgewandten, einen Bilderstapel aufnehmenden Kammer wegklappbar sind, weshalb auch der Gegenstand des geltenden Anspruchs 3 neu ist.
3. Es bleibt daher zu untersuchen, ob die Gegenstände der drei unabhängig geltenden Patentansprüche auch auf einer erfindersichen Tätigkeit beruhen.
Zu dieser Frage hat sich die erste Instanz bisher noch nicht geäußert. Um der Beschwerdeführerin nicht die Möglichkeit der Überprüfung dieser wesentlichen Frage gegebenenfalls durch zwei Instanzen zu nehmen, hält es die Kammer für verfrüht, zur Frage der erfinderischen Tätigkeit sachlich Stellung zu nehmen. Sie macht daher von der ihr in Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
4. Bei der weiteren Prüfung der Anmeldung wird unter anderem auch zu untersuchen sein, ob die geltenden Patentansprüche das Patentbegehren jeweils mit der notwendigen Klarheit zum Ausdruck bringen (vgl. hinsichtlich des Anspruchs 1 auch Punkt 2b) dieser Entscheidung) und sämtliche erfindungswesentlichen Merkmale enthalten (vgl. hinsichtlich Anspruch 2 die Bemerkung unter vorstehendem Punkt 2c); bezüglich der Ansprüche 1 und 3 erhebt sich die Frage, ob es notwendig ist, jeweils die Mitnahmeelemente zu kennzeichnen, während im Anspruch 2 die Aufnahme einer Kennzeichnung des Trennelements im Sinne des Anspruchs 1 zu überlegen wäre.
5. Zu dem von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorwurf, die angefochtene Entscheidung enthalte einen Verfahrensfehler, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertige, ist folgendes festzustellen:
Der der Entscheidung zugrundeliegende Anspruch 1 (eingegangen am 18. April 1986) unterscheidet sich hinsichtlich seines sachlichen Inhalts im wesentlichen nicht von dem vorherigen Anspruch 1 (eingegangen am 19. November 1985). Die Prüfungsabteilung hat folgerichtig ihre ablehnende Haltung zur Frage der Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 auf dieselben Gründe gestützt, die sie der Anmelderin im Amtsbescheid vom 20. Dezember 1985 im Hinblick auf den vorherigen Anspruch 1 mitgeteilt hatte. Die Vorschrift gemäß Artikel 113 (1) EPÜ, daß Entscheidungen nur auf Gründe gestützt werden dürfen, zu denen sich die Beteiligten äußern könnten, ist daher in Bezug auf Anspruch 1 erfüllt. Die Beschwerdeführerin hat insoweit auch keine Beanstandungen geäußert. Bei vorstehendem Sachverhalt ist jedoch die Frage, ob möglicherweise der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 2 etwas Patentfähiges enthält im Hinblick auf den Vorwurf der Verfahrensverletzung gegenstandslos. Es ist allgemeine Rechtsauffassung, daß eine Anmeldung gemäß Artikel 97 (1) EPÜ in ihrer Gesamtheit zurückzuweisen ist, wenn sie nach Auffassung des entscheidenden Organs einem Erfordernis des Übereinkommens (im vorliegenden Fall dem Erfordernis der Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1) nicht genügt (vgl. T 05/81, Amtblatt EPA 7/1982, Seiten 41 ff).
Es ist dabei nicht Aufgabe der Kammer, die Entscheidung der Prüfungsabteilung nach den Gesichtspunkten der Billigkeit und der Verfahrensökonomie zu untersuchen.
Da die angefochtene Entscheidung keinen wesentlichen Verfahrensmangel aufweist, kann dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht stattgegeben werden (Regel 67 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückverwiesen.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird abgelehnt.